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Weihnachtsstollen - Exklusives Gebäck aus Willingen

Von Chris Melzer 09.12.2008, 13:40

Willingen/dpa. - Wer in Willingen «Taucher» ist, muss sich auf heiße Butter einlassen. Gemächlich führt Hermann Schulze die Hände mit dem Stollen in die 70 Grad heiße Masse und zieht sie langsam wieder raus.

Doch der 44-Jährige ist nicht Sportler, er ist Bäcker. Mit dem Butterbad durch den «Taucher» bekommen die Stollen in Nordhessen ihren letzten Schliff. Die von Bäckermeister Wolfgang von der Heide aus Willingen sollen zu den besten gehören.

Zumindest hat der 47-Jährige vor sechs Jahren vom Deutschen Bäckerhandwerk den «Stollen-Zacharias» bekommen. «Damals hießen sie noch Stollen-Oskar, aber dann hat Hollywood das verboten», sagt von der Heide, der den «Zacharias» stolz auf seiner Schürze trägt. Er ist Bäcker in der sechsten Generation und verschickt sein Brot, seine Kuchen und vor allem die Stollen in die ganze Welt. Königin Beatrix kennt das Backwerk aus Willingen ebenso wie Kammersänger Günter Wewel und Hunderte Kunden bis nach Hongkong. Auch wer bei Feinkost-Käfer einen Stollen ordert, bekommt einen aus Willingen.

«Das Tauchbad in der Butter gibt dem Stollen den vollen Geschmack. Danach kommt noch der Vanillezucker drüber», erklärt von der Heide. «Das ist Genuss, von Kalorien wollen wir nicht reden», sagt er lächelnd und probiert ein Stück der eigenen Kreation. Dann kommt ein neuer Wagen in den Ofen, zehn Lagen mit jeweils 18 Stollen. «Die gehen nach Russland», murmelt er mit prüfendem Blick. Mit seinen 22 Mitarbeitern, die Hälfte davon im angeschlossenen Café, versorgt er 3000 Kunden in der ganzen Welt. Gut 15 Tonnen Stollen haben sie im letzten Jahr verkauft. Dieses Jahr soll es mehr werden.

Seit 1861 backt seine Familie in Willingen. Als die Stadt für einen Weihnachtsmarkt etwas besonderes machen wollte, erinnerte sich von der Heide an seine Kindheit. «So etwas wie der längste Stollen ist ja etwas abgedroschen. Aber meine Oma hat den Stollen immer wochenlang, manchmal Monate kühl gelagert. Da fiel mir der Christinenstollen wieder ein.» Das ist nichts zu Essen, sondern Teil des stillgelegten Bergwerks in Willingen. «Wir lagern das Gebäck vier Wochen bei konstant fünf, sechs Grad unter Tage und entlocken ihm so den besten Geschmack.»

Es sei denn, es ist der «Grand Cru», den von der Heide dieses Jahr zum ersten Mal angeboten hat. Der bleibt volle vier Monate im Dunkeln. So war im Hochsommer Stollenzeit bei den Bäckern, das Ergebnis wird jetzt in alle Welt verschickt. 1400 Stück haben die Willinger gebacken, ohne zu wissen, ob die Stollen aus dem Stollen überhaupt weggehen. «Aber es sieht gut aus», sagt von der Heide, den Blick auf die Leckerei im Dunkel gerichtet. «Kein Wunder, der wird auch von Tag zu Tag besser.»

Von der Heide lässt sich den exklusiven Stollen gut bezahlen. Ein Pfund des «Grand Cru» kostet gut 14 Euro - beim Bäcker um die Ecke bekommt man dafür gleich fünf. «Es ist aber nicht nur die Zeit und der Aufwand, die in dem Backwerk stecken, es sind auch die Zutaten», sagt er. «Wir benutzen die besten Gewürze aus der ganzen Welt und verarbeiten keinerlei Aroma-, Konservierungs- oder sonst welche Stoffe, die da einfach nicht reingehören.» Der Vanillezucker wird im Frühjahr mit Bourbon-Vanille aus Mexiko selbst angesetzt, Mehl, Zucker und frische Eier kommen von Bio-Bauern aus der Region. «Dann zahlen wir auch 10, 15 Cent mehr als die Biowaren ohnehin schon kosten. Wir wollen nur das Beste und ich finde, das schmeckt man auch.»

Einige der Willinger sind dem nicht gefolgt und kaufen lieber bei der billigeren Konkurrenz. «Aber jedes Jahr sterben 500 Bäckereien in Deutschland. Ich will nicht dazugehören und dann funktioniert nur Klasse statt Masse.» Jetzt beliefert er einen Luxemburger Feinkosthändler und eine Pension auf Baltrum mit frischem Brot. Natürlich sei das teuer. «Aber meine Kunden glauben, dass der Geschmack das Wert ist.»

Seine Passion bleiben Stollen, die jetzt fast ganzjährig produziert werden. Der teuerste kostet knapp 26 Euro, weil ihm ein Fläschchen Whisky beiliegt - zum Flambieren. «Das gibt dem Stollen eine besondere Note, karamellisiert den Zucker und lässt einen Whisky-Sud zurück, den man mit Sahne aufschlagen kann. Ein Genuss!», schwärmt von der Heide und warnt: «Ungeübte sollten das Flambieren vielleicht nicht direkt neben dem Tannenbaum machen.»