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Weihnachtliches Backwerk aus dem Bergwerk

07.12.2009, 11:32

Schmalkalden/dpa. - In der Backstube von Lorenz Endter im Schmalkalder Ortsteil Asbach geht es heiß her: Die Stollensaison hat hier längst begonnen. Jedes Jahr vor Weihnachten werden mehr als 1000 Kilogramm Zutaten zu Teig verknetet.

Butterstollen und Thüringer Weihnachtsstollen werden zubereitet und gebacken. Brandneu im Sortiment: der «Finstertaler Bergwerksstollen». Für dessen geschmackliche Qualität nimmt der Firmenchef so Einiges auf sich: Der Bergwerksstollen wird 30 Tage lang im Asbacher Bergwerk etwa 50 Meter unter Tage gelagert: «Die Raumtemperatur liegt konstant bei acht bis neun Grad Celsius und die Luftfeuchtigkeit bei 90 Prozent - so optimale Verhältnisse bekomme ich nicht einmal im Kühlhaus hin», sagt der Konditor und Bäckermeister.

Mit Helm und Grubenlampe statt in weißer Jacke und Hose testet er den Geschmack des traditionellen Weihnachtsgebäcks, das gut in Kisten verpackt in der einstigen Sprengstoffkammer des heutigen Besucherbergwerks «Finstertal» lagert. Bevor die Lebensmittelbehörde jedoch grünes Licht gab, musste jedoch der alte Bergwerksstollen auf Schädlinge und Radon untersucht werden. «Nirgends gibt es ein reineres Klima als unter Tage, oft werden ja auch in Grotten, Höhlen oder in früheren Schächten und Gruben Atemwegserkrankungen behandelt», sagt der Chef des Besucherbergwerks, Karl Hauck.

Er hat die neue Back-Kreation schon probiert. «Es ist ein deutlicher Unterschied zu herkömmlichem Stollengebäck zu sehen, zu riechen und zu schmecken.» Solch einen aromatischen Stollen kenne er nur von seiner Großmutter. Sie lagerte das mit Rosinen, Mandeln, Zitronat und Orangeat durchsetzte Gebäck stets in großen Steingut- Töpfen im Keller. Die Finstertaler hätten damit das einzige Bergwerk in Thüringen, wo Christstollen gelagert werde, ist Hauck überzeugt.

Ende November wurden die ersten Stollen aus dem Stollen geholt und zum Verkauf angeboten. 250 Stück - jeweils anderthalb Pfund schwer mit vielen Gewürzen und Marzipan veredelt - hat Lorenz Endter von dieser Sorte parat. Mit Grubenemblem und in Geschenkverpackung kommt der Stollen daher. Der Bäckermeister engagiert sich für qualitativ hochwertige Produkte aus dem Freistaat im «Schutzverband Thüringer Weihnachtsstollen und Erfurter Schittchen», dessen Qualitätssiegel er verwenden darf. Jährlich lässt er es von einem Lebensmittellabor in Jena begutachten. Damit gehört der Asbacher zu rund zwei Dutzend Thüringer Bäckern und Konditoren, die nach der Zertifizierung 2009 den echten «Thüringer Weihnachtsstollen»" auch über Landesgrenzen anbieten dürfen.

Die Geschichte des Thüringer Stollens ist laut Schutzverband älter als die des weltberühmten Dresdner Christstollens - ebenfalls eine geschützte Marke. Demnach stammen gehen die ersten urkundlichen Erwähnungen im heutigen Freistaat bis in das 15. Jahrhundert zurück. Viele der Thüringer Bäckereien verwenden noch heute überlieferte Rezepte und kneten den Stollenteig konventionell mit der Hand. In einzelnen Landstrichen Thüringens wird er bis heute Schittchen, Scheitchen, Weihnachtswecken oder Christsemmel genannt.

Die Eisen- und Braunsteingrube «Finstertal» ging 1858 in Betrieb und wurde fast 80 Jahre betrieben. Auf einem 300 Meter erschlossenen Gang finden Besucher interessante geologische Aufschlüsse mit Eisenerzen und fluoreszierenden Mineralien - und in der Vorweihnachtszeit können sie als Zugabe den aromatischen Duft des «Finstertaler Bergwerksstollens» einatmen.