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Weihnachten der Armenisch-Apostolischen Kirche Weihnachten der Armenisch-Apostolischen Kirche: ... und jedes Mal Hochzeitsgefühl

Von Margit Boeckh 23.12.2005, 14:34

Halle/MZ. - Und die weihnachtlichen Lichter in den Fenstern, auf den Straßen und Plätzen, die Schwibbogen und Räuchermännchen, all der Festschmuck, den sie von daheim nicht kannte ("Weihnachten ist bei uns viel schlichter."), die haben sie gleich fasziniert, damals 1983.

Da war sie im Dezember mit dem Zug von Moskau nach Halle gefahren, um zu heiraten. Wolf-Gernot, den sie zehn Jahre zuvor kennen gelernt hatte. Keine selbstverständliche Sache zu jenen Zeiten. Eine filmreife Lovestory ist es denn auch, die die Studentin der Armenologie aus dem damals noch ins Sowjetreich einverleibte Armenien und den angehenden Physiker über einen langen Weg zusammenbrachte. Die Universitäten Jerewan und Halle hatten gemeinsame Studentenbrigaden organisiert - zum Arbeitseinsatz in Halle-Neustadt. Dabei hatte der Hallenser wohl gleich ein Auge auf das fröhliche Mädchen aus Jerewan geworfen. Und hat auch, als sie längst wieder in die Heimat abgereist war, nicht mehr locker gelassen, so schwierig die Umstände auch waren.

Doch, mach was, die Liebe! Sie schrieben sich Briefe ("Die waren endlos lange unterwegs."), ganz selten war Telefonieren möglich. Doch eines Tages kam Wolf-Gernot schließlich selbst und dann noch öfter. Zehn Jahre lang, wie gesagt, ging das so. Bis dann doch sowohl die bürokratischen Hürden der sozialistischen Bruderländer wie die Skepsis der Auserwählten ("Armenier heiraten nicht so leicht. Und außerdem kannten wir uns ja eigentlich nur auf Distanz.") überwunden, alle Papiere beisammen waren und die künftige Frau Drost-Abgarjan im Zug nach Halle saß. Einer "wunderschönen Hochzeit" entgegen, "am 29. Dezember, im Bad Lauchstädter Kursaal, dort, wo Goethes Christiane so manches Paar Schuhe zertanzt hat."

Mit sanfter Stimme und dem melodischen Akzent ihrer Muttersprache erklärt die heute am Institut für Orientalistik der Martin-Luther-Universität tätige Wissenschaftlerin die Herkunft ihres allweihnachtlichen "Hochzeitsgefühls". Der Abschied von der Heimat freilich, der hat damals richtig weh getan. Vom Vater vor allem, der nach dem frühen Tod der Mutter die zwei Schwestern und einen Bruder alleine groß gezogen hat. "Der hatte ein komplettes Sowjetschicksal", resümiert Armenuhi knapp, doch mit unüberhörbar bitteren Unterton: "1920 mitten rein in die Sowjetzeit geboren, war er im Krieg, geriet in deutsche Gefangenschaft - und wurde nach seiner Entlassung sofort ins Gulag gesteckt, zehn Jahre, bis nach Stalins Tod." Später wurde er einer der führenden Historiker und Philologen seines Landes, in dessen wissenschaftliche Fußstapfen die Tochter trat. Für die war auch der Abschied von Jerewan schwer, Hauptstadt der damaligen Sowjetrepublik, seit 1991 der unabhängigen Republik Armenien. Und so, wie Armenuhi dieses Adjektiv ausspricht, schwingt darin das ganze Gewicht der leidvollen Geschichte dieses Volkes mit, die jedem Armenier stets bewusst ist. Und die Genugtuung über diese endlich errungene Unabhängigkeit. "Im Tal des Ararat liegt meine Heimatstadt und vom Fenster unseres Hauses konnten wir diesen unserem Volk heiligen Berg immer sehen", schildert die lebhafte und überaus jugendliche Frau nicht ohne Sehnsucht in der Stimme. Ein fast unhörbares Schlucken, ehe sie fortfährt: "Aber unerreichbar - denn der Ararat liegt auf der türkischen Seite."

Aus dem Glauben und aus der von Verfolgung geprägten Geschichte der Armenier, die vor neunzig Jahren in der fast völligen Ausrottung gipfelte, wird klar, welche ganz besondere Beziehung sie zu diesem Berg haben, dem biblischen Landeplatz von Noahs Arche. Nicht umsonst ist die Szene aus dem Alten Testament auch Teil des Staatswappens - Symbol der Rettung. Überhaupt, der Glaube: "Zwar hat die Sowjetzeit viel zerstört auch in dieser Hinsicht, aber für unser Volk hängen Glaube und unsere Kultur und Identität einfach zusammen. Auch die Parteisekretäre gingen zur Kirche", lächelt sie und bekräftigt: "Wir sind das älteste christliche Volk der Welt. Wer Armenier ist, ist Christ."

In diesem Sinne wird in der Familie Drost-Abgarjan, zu der neben dem katholischen Vater auch die armenisch apostolisch getauften 16- bzw. 17-jährigen Söhne Hajk-Georg und David gehören, auch das Weihnachtsfest begangen. "Gleich zwei mal, worüber die Jungs natürlich glücklich sind", wie die Mutter, die gerade ihre Habilitationsschrift über armenische Weihnachtshymnen beendet hat, fröhlich verkündet. Denn wenn man sich auch heute Abend nach deutscher Sitte um den Tannenbaum versammelt und bei der Großmutter eine erste Bescherung stattfindet, "fängt doch in der Neujahrsnacht erst die Vorbereitung auf unser eigentliches, das armenische Weihnachtsfest an", erklärt Armenuhi. "Dann kommt der Kaghand-Papik, der Kalendermann. Die Kinder, nur die, bekommen Geschenke unters Kopfkissen. Und dann gibt es die ganze Woche eine große Tafelei, der Tisch bleibt immer gedeckt für Freunde und Verwandte. Bis dann am 5. Januar beim Gottesdienst alle Lichter entzündet werden, zum Zeichen, dass Christus, das Licht der Welt, erscheint - am 6. Januar, Epiphanias". Die Gläubigen der Armenischen Kirche begehen den Tag der Erscheinung des Herrn zugleich als Christi Geburt - Weihnachten.

Doch zwischen deutschem und armenischem Christfest begehen die Drost-Abgarjans seit 1983 alljährlich noch einen ganz besonderen, sehr persönlichen Feiertag: An jedem 29. Dezember, das ist

Ehrensache, fahren sie nach Bad Lauchstädt - für das Hochzeitsgefühl.