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Viele halten Stipendienvergabe für ungerecht

22.04.2010, 10:25

Hamburg/dpa. - Die große Mehrheit der Abiturienten und Studenten in Deutschland hält die Vergabepraxis bei Stipendien für ungerecht. Laut einer Studie fordern viele, dass neben den Noten auch die sozialen Verhältnisse und das soziale Engagement berücksichtigt werden.

Bei der am Donnerstag (22. April) veröffentlichten Untersuchung «Großer Bedarf - wenig Förderung. Studienfinanzierung 2010» des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerks wurden im Februar rund 3400 Abiturienten und Studenten befragt.

77 Prozent der Abiturienten und 84 Prozent der Studierenden forderten demnach, dass bei der Vergabe nicht nur die Noten, sondern vor allem auch die sozialen Verhältnisse und das soziale Engagement der Studenten berücksichtigt werden sollen.

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch in Berlin beschlossen, rund 200 000 leistungsstarken Studenten künftig ein Stipendium von 300 Euro monatlich zu zahlen - unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sprach dabei vom Start in eine neue Stiftungskultur. Opposition und Gewerkschaften kritisierten dagegen «Klientelpolitik» und «Geldgeschenke für die Kinder reicher Eltern». Deren Bedenken decken sich der Untersuchung zufolge mit den Ansichten von einem großen Teil der Abiturienten (52 Prozent) und Studenten (43 Prozent). Sie sind der Meinung, dass Kinder aus Arbeiterfamilien in ihren Chancen auf ein Stipendium benachteiligt sind.

Der Befragung nach planen nur 16 Prozent der studierwilligen Abiturienten, sich überhaupt für ein Stipendium zu bewerben - obwohl mehr als zwei Drittel (67 Prozent) mit finanziellen Schwierigkeiten während des Studiums rechnen. Ein Grund für die geringe Beteiligung liegt der Studie zufolge darin, dass die große Mehrheit der Abiturienten (70 Prozent) und Studenten (76 Prozent) ihre Erfolgsaussichten auf ein Stipendium als «eher gering» oder sogar «sehr gering» einschätzen - Tendenz fallend. Lediglich Studierende in Nordrhein-Westfalen seien etwas optimistischer. Dort hielten sich die Hoffnungen auf eine Verbesserung der Stipendienchancen und einer Verschlechterung in etwa die Waage.

Die wichtigsten Gründe gegen eine Bewerbung sind laut Studie aufwendige Bewerbungsprozesse sowie Zweifel an den eigenen Leistungen und daran, ob das gesellschaftliche Engagement als ausreichend bewertet wird. Hinzu komme jedoch ein auffälliger Informationsmangel. So fühlten sich etwa drei Viertel aller Abiturienten (76 Prozent) und Studierenden (73 Prozent) unzureichend über Stipendien informiert.

Der Vorsitzende des Reemtsma Begabtenförderungswerks, Michael Wenzel, sprach von «bedenklichen» Ergebnissen. «Viele junge Talente bleiben ungefördert.» Wenzel forderte bei der Ausweitung der Stipendienvergabe eine bessere Aufklärung, transparentere Entscheidungsprozesse und eine Neugewichtung der Auswahlkriterien. «Nur so können die Vorbehalte gegen die Stipendienvergabepraxis abgebaut und die Studienfinanzierung verbessert werden», betonte er.