Vertrauensbruch Vertrauensbruch: Der Reiz des Verbotenen

Berlin/gms. - Senta hat sich entschieden. Entschieden für eineheiße Affäre mit dem Ex-Freund ihrer Tochter Sandra. Während Moritz in der RTL-Seifenoper «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» sein neues Liebesglück in vollen Zügen genießt, quälen Senta Gewissensbisse. Zu allem Überfluss erwischt Sandra die beiden in ihrer letzten Liebesnacht in Flagranti. Dass die Mutter den Freund der Tochter begehrt - kaum eine Serie, in der es dieses Szenario noch nicht gab.Im wirkliche Leben dagegen kommen Mütter ihren Töchtern nur selten ins amouröse Gehege.
Dennoch sorgen Senta, Sandra und Moritz seit Wochen für erhitzte Gemüter bei den meist jungen Zuschauern - zur Freude der Produzenten der Serie: «Diese Geschichte bietet so ein hohes Konfliktpotenzial», sagt Martina Müller, Chefautorin von «Gute Zeiten, schlechte Zeiten».«Seit diese Geschichte läuft, erleben wir eine sehr starkePolarisierung des Publikums».
Während die einen Senta und Moritz allen Bedenken zum Trotz als neues Traumpaar feiern und eine möglichst lange und sorgenfreie Serienliebe wünschen, kommen aus dem anderen Fanlager böse Angriffe auf das junge Glück. «Vor allem Mädchen verurteilen Sentas Handeln», so die Chefautorin. Sie könnten sich sehr gut in Sandras Lageversetzen und fühlten mit der betrogenen Tochter.
Mit der Realität hat die Seriengeschichte jedoch nur wenig zu tun.«Solche Konflikte sind eher die Ausnahme», sagt Uta Ötzel. Die Psychologin aus Köln hat zwar ähnliche Erfahrungen in der Praxis gemacht, hält eine solche Extremsituation dennoch für sehr selten.«Dabei bietet die Mutter-Tochter-Beziehung unendlich viel Potenzial für Konflikte», sagt die Psychologin. Denn das eigentlich harmonische Verhältnis sei auf Dauer zu eng. Das Ablösen von den Eltern, die Abgrenzung zur Mutter und das Entwickeln einer eigenen Persönlichkeit sei bei Töchtern weitaus schwieriger als beispielsweise bei Väternund Töchtern oder Vätern und Söhnen.
Müttern falle es oftmals schwer, die Tochter als eineeigenständige Person zu sehen. Vielmehr würden eigene Wünsche und Hoffnungen auf den Nachwuchs projiziert. «Die Mutter sieht die Tochter als Abbild ihrer selbst und möchte, dass die Tochter alles macht, was die Mutter möchte», ist die Erfahrung der Psychologin. So soll die Tochter die Träume der Mutter verwirklichen, dürfe abereines auf keinen Fall tun: die Mutter übertreffen. «Dann kommt es zu Rivalität, Neid und Eifersucht», sagt Christiane Papastefanou, Psychologin aus Ludwigshafen. Viele Mütter müssten einsehen, dass ihre Töchter heute ganz andere Möglichkeiten haben, ihr Leben zu gestalten.
«Es ist der Umgang mit der eigenen Lebenssituation, der die Schwierigkeiten hervorruft», erklärt die Psychologin. Dabei ginge es auch um die körperliche Attraktivität und den Wunsch der Mutter, sich noch einmal zu beweisen. In diesem Fall machten einige Damen auch nicht vor dem Liebhaber oder Partner der eigenen Tochter halt.
«Eigentlich gibt es ein unausgesprochenes Generationen-Tabu», sagt Uta Ötzel. Partner der Kinder sollten demnach sexuell uninteressant sein. Wenn dieses Tabu gebrochen wird, kommt es zu einem harten Bruch, der kaum wieder zu kitten ist. «Selbst wenn es nur ein Abenteuer und keine feste Beziehung ist, verletzt dieser Vertrauensbruch die Tochter schwer», ist die Erfahrung Uta Ötzels.Der Reiz des Verbotenen und die Suche nach Selbstbestätigung dienen hier als Erklärung. «Es ist wie ein innerer Trieb, nicht hinter der Tochter zurück zu stehen», sagen die Psychologen.
Generell sei die Mutter-Tochter-Beziehung zwar schwieriger als die Vater-Tochter- oder Vater-Sohn-Beziehung, gleichzeitig aber auch inniger und liebvoller. «Vater und Sohn gehen nicht so innig miteinander um, obwohl auf beiden Seiten die Sehnsucht nach eben dieser Nähe da ist», erklärt Christiane Papastefanou. «Zudem kommt es bei Vater und Sohn zu einer Konkurrenz im Leistungsbereich, es geht weniger um Attraktivität oder Selbstbestätigung».