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Übergewicht im Alter Übergewicht im Alter: Ran an den Speck

Von Alexandra Bülow und Kerstin Metze 11.10.2015, 14:53

Halle (Saale) - Älltere Menschen haben zunehmend mit Übergewicht zu kämpfen: Das geht aus einem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hervor. Demnach wiegen rund 74 Prozent der Männer und 63 Prozent der Frauen zwischen 70 und 74 Jahren zu viel.

Oft glauben Senioren, im Alter nicht mehr abnehmen zu können. Experten schütteln darüber den Kopf. Abnehmen klappt in jedem Alter, und das verlangt nicht einmal Askese.

„Letztlich nimmt jeder ab, der mehr Energie verbraucht, als er zu sich nimmt“, erklärt Hans-Michael Mühlenfeld, Hausarzt in Bremen. Crashdiäten, bei denen die Pfunde in kürzester Zeit purzeln, seien kontraproduktiv. „Es geht nicht um kurze Erfolge, sondern um einen für mich und mein Leben passenden Weg, den ich gut durchhalten kann“, empfiehlt Ernährungsberaterin Dagmar Amberg-Dünne aus Markgröningen bei Stuttgart. Daher sollte auch keine Speise auf dem Index landen. „Was verboten ist, ist besonders interessant“, gibt Amberg-Dünne zu bedenken.

Essen als Trostspender ungeeignet

Langfristig sinnvoll sei es vielmehr, sich die eigenen Essgewohnheiten anzusehen und täglich Protokoll zu führen, was man alles futtert. So kann es schon helfen, die unbewusst vernaschten Kleinigkeiten zwischendurch zu streichen und stattdessen ab und zu ein Stück Kuchen oder ein paar Kekse genussvoll zu verspeisen. „Man sollte auch beobachten, warum man isst - weil man gerade traurig ist, nervös, enttäuscht, wütend oder gestresst?“, so Amberg-Dünne. Dann helfe es, kurz innezuhalten, durchzuatmen - und sich einen anderen Trostspender zu suchen.

Hausarzt Mühlenfeld stellt fest: „Viele Patienten sagen, dass sie gar nicht viel essen. Das mag mit Blick auf die Menge stimmen, doch sie essen zu viel energiereiche Speisen.“

Um die Pfunde purzeln zu lassen und den Körper mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, empfiehlt Amberg-Dünne älteren Menschen bestimmte Lebensmittel: Zum einen hilft viel trinken beim Abnehmen. Zwei Liter Wasser, ungesüßter Tee oder Fruchtschorlen im Verhältnis 1/3 Saft und 2/3 Wasser sollten es jeden Tag sein. Fünf Portionen Obst und Salat sowie drei Portionen Gemüse gehören ebenfalls auf den Speiseplan. Als Maß gilt dabei: Für lose Ware wie Beeren ergeben beide zur Schale geformten Hände eine Portion, bei Festem wie Äpfeln ist das je eine Handvoll.

Haben Übergewichtige mit Inkontinenz zu kämpfen, kann abnehmen helfen. Darauf weist die Deutsche Kontinenz Gesellschaft unter Berufung auf Studien hin. Vor allem bei stark übergewichtigen älteren Frauen können Diäten demnach hilfreich sein.

Diese sollten aber von Fachleuten begleitet werden, damit bei der Ernährungsumstellung die Trinkmenge nicht leidet. Denn viele Menschen mit Inkontinenz nehmen an, dass sich weniger trinken positiv auf die Beschwerden auswirkt - dem ist aber nicht so. Neben einer Diät können Tees aus Johanniskraut und Baldrian entspannend auf die Blase wirken.

Dazu kommen täglich vier Portionen Kohlenhydrate wie Nudeln, gekochter Reis, Kartoffeln oder Brot - das Maß für eine Brotportion ist die eigene ausgestreckte Hand. Drei Portionen Eiweiß liefern Fleisch, Geflügel, Fisch und Eier. Beim Fett reichen zwei Portionen wie etwa zwei Teelöffel Öl oder Butter. Knabberkram, Wein oder Süßes sollten maßvoll genossen werden.

Die zweite Säule beim Abnehmen ist die Bewegung. Denn die besten Komplizen für die schlanke Linie sind die Muskeln. Sie verbrennen Energie sogar beim Faulenzen. „Ein Kilogramm Muskelmasse verbraucht am Tag 75 Kalorien im Ruhezustand, ein Kilo Fett gerade mal vier Kalorien“, erklärt Jörn Giersberg, Personal Trainer in Oberhausen. Von allein bleiben die Muskeln allerdings nicht aktiv. Vielmehr wird ab dem 30. Lebensjahr Muskelmasse abgebaut, sofern nicht mit Sport gegengesteuert wird.

Das aber ist die Krux: „Viele Senioren sind nicht mehr so aktiv wie früher“, sagt Mühlenfeld. Dabei sind Muskeln nicht nur für abnehmwillige Senioren wichtig, sondern für Ältere generell. „Je mehr Muskeln, desto geringer ist die Gefahr, zu stürzen oder sich im Falle eines Sturzes etwas zu brechen“, erklärt Mühlenfeld.

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Trainer Giersberg empfiehlt daher, zwei- bis viermal in der Woche 20 bis 60 Minuten zu trainieren, am besten Krafttraining. Die gute Nachricht: Auch im hohen Alter lassen sich die Muskeln aufbauen und erhalten. Außerdem kurbelt Bewegung den Stoffwechsel an.

Wer auf ein Fitnessstudio keine Lust hat, kann zu Hause aktiv sein und mit Hanteln arbeiten oder Übungen wie Kniebeugen und Liegestütze machen. Alternativen sind Pilates oder Yoga. Selbst mit gesundheitlichen Beschwerden wie Arthrose oder Bluthochdruck ist Bewegung möglich, zum Beispiel Walken, Schwimmen oder Radfahren. Vorher sollte der Arzt aber einen Check-up machen.

Entscheidend ist, dass die Bewegung ins eigene Leben passt und Spaß macht. Bewegungsmuffel tröstet Mühlenfeld: „Auch kleine Veränderungen können etwas bewirken, etwa der Spaziergang mit dem Hund oder wenn man eine Station früher aus dem Bus aussteigt und geht.“ Gesund abzunehmen funktioniert in kleinen Schritten: „250 bis 500 Gramm Abnahme pro Woche sind ideal“, so Amberg-Dünne. Aus medizinischer Sicht ist eine Gewichtsreduktion laut Mühlenfeld geboten, wenn das Übergewicht die Gesundheit bedroht - etwa bei Diabetes oder Bluthochdruck und den Folgeerkrankungen wie koronarer Herzerkrankungen. Das Gewicht alleine ist aber nicht entscheidend: „Viele, die dick sind, sind fit. Es geht letztlich darum, sich wohlzufühlen.“

Auch Untergewicht problematisch

Nicht nur Übergewicht kann für Senioren folgenreich sein - auch Untergewicht sollte nicht unterschätzt werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wiegen rund drei Prozent der Frauen zu wenig, bei Männern sind es ein Prozent. Oft sind die Abwehrkräfte infolge der mit dem Untergewicht verbundenen Mangelernährung geschwächt, der Körper ist anfälliger für Infektionskrankheiten. Zudem kann es zu Kreislaufproblemen und zunehmenden Verwirrt- heitszuständen kommen. Das Risiko von Stürzen steigt. Bei Senioren gilt deshalb ein leichtes Übergewicht als gesund. „Ab einem Alter von 64 Jahren sollte der BMI-Wert idealerweise zwischen 24 und 29 liegen“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Christine Langer von der Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention. Das wichtigste Ziel beim Zunehmen besteht darin, dem Körper mehr Nährstoffe und damit Energie zuzuführen.