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Überbackenes Überbackenes: Wenn der Käse schmilzt

Von Heidemarie Pütz 20.03.2003, 17:03

Halle/MZ. - Beim Anblick einer goldgelben Käsekruste über dampfend heißen Gerichten läuft vielen das Wasser im Munde zusammen. Gestört wird die Vorfreude nur vom schlechten Gewissen: Überbackenes gilt als ausgewiesener Dickmacker. Dennoch sind Kartoffelgratins oder herzhaft überbackene Aufläufe nicht nur in Kneipenrestaurants beliebt, wo die Kunden Wert legen auf schnelle Zubereitung und garantierte Sättigung.

"Wenn die Käsescheiben zerlaufen, werden sie mit den Brotkrumen knusprig, ohne zum Schluss hart zu sein."Frank Gulewitsch,Küchenmeister

Auch die Gourmetrestaurants haben eine Camenbertkruste oder einen Hauch von gratinierten Schimmelkäse als Gaumenfreude entdeckt. Für Experimentierfreudige am heimischen Herd gilt: Wenn der Fettgehalt stimmt, kann mit jeder Käsesorte überbacken werden.

In Europa stehen die Deutschen beim Käseverzehr mit 21,6 Kilo pro Kopf im Jahr an dritter Stelle. Wie viele Käse sie dabei für die warme Küche verwenden, hat bisher keine Statistik erfasst. Aber Küchenmeister Martin Baumgärtel aus Hohnhorst bei Hannover beobachtet bei den Gästen eine starke Nachfrage nach allem, was eine Käsekruste hat. "Überbackenes wird sehr gern gegessen", sagt Baumgärtel. Die "käsige" Zubereitungsweise erlebt nach Aussage von Axel Rüman, Vizepräsident des Verbandes der Köche Deutschlands, in der Profiküche sogar eine Renaissance. Im Vergleich zum Toast Hawaii der sechziger Jahre sei die Auswahl an Käsesorten und Rezepten inzwischen äußerst vielfältig.

Ob Auflauf oder Gratin ist eine Frage der Schichtarbeit. "Im Gegensatz zum Gratin werden beim Auflauf viele verschiedene Zutaten wie unterschiedliche Gemüsesorten, Fleisch und Gemüse mehrfach geschichtet. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt", erläutert Küchenmeister Frank Gulewitsch aus Reutlingen, Baden-Württemberg. Für den Geschmack sorgt die jeweils gewählte Käsesorte in der Sauce, die beim Backen im Ofen alles zu einem kompakten Auflauf verbindet.

Gratins dagegen bestehen nach Angaben von Gulewitsch aus einer flachen Zutatenschicht wie zum Beispiel Kartoffeln, die mit geriebenem Käse oder einer Käsemischung meist unter dem Grill kurz überbacken werden. Damit auch bei Käsescheiben die Kruste ansehnlich wird, empfiehlt der Koch, Weißbrotkrumen darüber zu streuen. Um zu harten oder zu dunkel gebräunten Käse zu vermeiden, sollten Gratins nicht zu nah unter die Grillschlangen gestellt werden.

Hochstapeln ist weder bei Profis noch zu Hause gefragt. Beim Gratin sollten nicht mehr als zwei und beim Auflauf nicht mehr als vier Schichten in eine zuvor gefettete Form gelegt werden.

Die Wahl des Käses ist vor allem eine Geschmacksfrage. "Außer Sauermilchkäse eignet sich fast jeder Hart- oder Weichkäse zum Überbacken, auch ein Brie oder Schimmelkäse", erklärt Rüman. Jede Sorte schmilzt jedoch auf ihre Weise. "Ideal ist ein reifer Käse, der weder zu alt noch zu jung ist", sagt Gulewitsch. Im Unterschied zu ausgereiftem reagiere junger Käse meist zu schnell auf Hitze. Alter Gouda, aber auch Parmesan, seien dagegen zu trocken und verbrennen schnell. Diese Käsesorten sollten nur kurz vor Backende über das Gericht gestreut werden oder mit Schlagsahne vermengt werden.

"Bei Camenbert, Brie oder Schimmelkäse ist es besser, eine Käsecreme vorzubereiten und damit zu überbacken", empfiehlt der Koch. Die Zugabe von Weißbrotkrumen bringe dann die gewünschte goldgelbe Kruste. "Aber kein Käse sollte den Geschmack des Auflaufs oder Gratins dominieren." Ausgenommen natürlich, es wird ausdrücklich gewünscht.

"Außer Sauermilchkäse eignet sich fast jeder Käse zum Überbacken, auch Brie oder Schimmelkäse"Axel RümanVerband der Köche

Ohne großen Eigengeschmack und deswegen anpassungsfähig - diesen Vorteil besitzt nach Ansicht von Köchen vor allem der neutrale, wasserhaltige Mozzarella aus Kuhmilch. Mit dünnen Scheiben von Mozzarella gratiniert, werde auch eher ungewohntes Gemüse wie Fenchel zum Renner auf der Speisekarte, beobachtet Rüman.