Tourismus Tourismus: Gutschein gegen Frust

Potsdam/dpa. - Meckern kann nerven - aber auch seinen Sinnhaben. Urlauber zum Beispiel, die sich über schlechte Erfahrungenbeschweren, gehen den Veranstaltern zwar möglicherweise auf denWecker. Doch die Beschwerden finden in der Regel nicht nur Gehör,sondern werden zumindest bei renommierten Veranstaltern auchprofessionell bearbeitet. Wenn es gut läuft, haben beide Seiten etwasdavon: Der Urlauber wird seinen Frust los und bekommt vielleichtsogar einen Gutschein für die nächste Reise - und der Veranstaltererhält wertvolle Informationen darüber, was den Kunden nicht passt.
Zu meckern haben Urlauber viel - über rutschige Fliesen am Pool,fettige Scampis am Büfett, Kakerlaken im Bad oder lärmende Nachbarnim Zimmer nebenan. Die Hartnäckigen zieht es vor Gericht, was vielenauf Reiserecht spezialisierten Juristen ihre Arbeitsplätze sichert.«Urlauber, die klagen, sind allerdings nur ein sehr kleiner Teil, beiuns gerade ein Prozent derjenigen, die sich beschweren», sagt Jomiquede Vries, Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement bei TUIDeutschland in Hannover. «Wir setzen auf Kulanz und lassen es nur zumProzess kommen, wenn wir sicher sind, dass wir gewinnen.»
Ähnlich sind die Erfahrungen bei anderen Veranstaltern:«Vergangenes Jahr hatten wir bei 1,2 Millionen Reisenden rund 8500Beschwerden, aber nur 25 Prozesse», erläutert Kathrin Rüter-Pantzke,Sprecherin des Reiseveranstalters Öger in Hamburg. Den allergrößtenTeil der Beschwerden regeln die Veranstalter ohne Anwalt. «Wenn es umobjektive Mängel wie zu kleine Zimmer geht, ist die Sache einfach»,sagt de Vries. «Dann gibt's Geld zurück.» Die Kunst sei, auf solcheUrlauber zu reagieren, die zum Beispiel über ungünstige Flugzeitenoder lauwarmes Essen klagen - Beschwerden also, die sich nichtobjektiv prüfen lassen.
Kritik von Pauschalreisenden bezieht sich fast immer auf das Hotelim weitesten Sinn. «Da sind die Kunden einfach die längste Zeit»,sagt Colette Rückert-Hennen, Leiterin des Kundenmanagements für diedeutschen Veranstalter der Thomas Cook AG wie Neckermann, Thomas CookReisen und Aldiana. Doch egal, ob Gäste über ölige Salate, dieZimmerausstattung oder den Pool klagen: «Der Reiseleiter muss derSache nachgehen», sagt sie. «Üblicherweise wird der dann versuchen, den Grund der Klage zubeseitigen», erläutert Hartmut Müller, Leiter der Rechtsabteilung beider Verbraucherzentrale Brandenburg in Potsdam. «Auf den Mangelhinzuweisen, ist jedenfalls richtig und auch notwendig, um hinterherAnsprüche stellen zu können.» Am besten sei es, sich zunächst beimHotelpersonal zu beschweren und - falls sich nichts ändert - beimnächsten Treffen dem Reiseleiter Bescheid zu sagen. «Der ist ja nichtjeden Tag in jedem Hotel präsent.»
«Unzufriedene Urlauber wenden sich auch meistens an dieReiseleitung», sagt Öger-Sprecherin Kathrin Rüter-Pantzke. «DieReiseleiter weisen beim Empfangscocktail darauf hin, dass dasausdrücklich erwünscht ist.» Häufig gelingt es der Reiseleitung amUrlaubsort, das Problem zu beheben. «Bei uns in 70 Prozent derFälle», sagt TUI-Qualitätsmanager de Vries.
Idealerweise lässt sich der Grund der Beschwerde beseitigen -falls nicht, gibt es für getrübte Urlaubsfreuden zumindest einekleine Wiedergutmachung in Form eines Gratisausflugs oder kostenlosenMietwagens. Jeden Beschwerdefall muss die Reiseleitung bei der TUIaußerdem in einem so genannten ZAK-Bogen dokumentieren - Grundlagefür die Auswertung der Beschwerdefälle in der Konzernzentrale inHannover. Dort werden auch sämtliche Beschwerdebriefe eingescannt undals elektronische Akte gespeichert. Insgesamt ist der Anteilunzufriedener Gäste zwar gering - bei der TUI gerade zwei Prozent.Aufs Jahr gesehen kommen aber bei der großen Zahl der Gäste bis zu 50 000 Beschwerden zusammen.
Ähnlich akribisch werden solche Daten auch bei denThomas-Cook-Veranstaltern erhoben: «Jede Beschwerde wird eingescannt,selbst wenn sie auf einem Bierdeckel geschickt wird», sagt ColetteRückert-Hennen. «Unsere Mitarbeiter können darauf zurückgreifen undbeispielsweise herausfinden, ob der Kunde schon einmal mit unsgereist ist oder ob es über das betreffende Hotel schon einmalBeschwerden gab.»
Solche Statistiken bieten eine Vielzahl von Informationen:«Besonders viele Beschwerden gibt es in Regionen, die sehr schnellwachsen, wie zuletzt zum Beispiel Bulgarien, Kroatien oder Ägypten»,sagt de Vries. «Und wenn in einem Gebiet viel los ist, steigt auchdie Reklamationsquote.»
Auch bei Öger wird über die Beschwerden Buch geführt. «DieReklamations-Statistik steht allen Mitarbeitern zur Verfügung», sagtRüter-Pantzke. «Das ist auch ein Instrument für die nächstenVerhandlungen mit den Hoteliers.» Bei wiederholten massivenBeschwerden seien aber auch andere Konsequenzen denkbar: «Wir habenuns in solchen Fällen auch schon von einzelnen Hotels getrennt.» Manchmal profitiert der Veranstalter durch kritische Hinweise auchim Blick auf Verbesserungsmöglichkeiten: «Wir hatten zum Beispielmehrfach Beschwerden, es gebe in der Türkei nicht genügendfamilienfreundliche Ausflugsangebote», sagt Colette Rückert-Hennen.«Das haben wir aufgegriffen, entsprechende Angebote für Familienaufgestockt - und seitdem haben wir solche Klagen nicht mehr gehört.»
Völlig uneigennützig ist die Rücksicht auf Meckerer nicht: «DieUnternehmen haben festgestellt, dass Beschwerdemanagement eine Chanceist, unzufriedene Kunden wieder zurück zu gewinnen», sagtRückert-Hennen. Wenn das gelingt, ist die nächste Reise so gut wiegebucht: «Solche Kunden sind sogar loyaler als andere, die sich nochnie beschwert haben.»
Andersherum sind unzufriedene Urlauber nicht nur unerfreulich,weil sie selbst womöglich beim nächsten Mal lieber bei der Konkurrenzbuchen: Unzufriedene Kunden erzählen nach Kathrin Rüter-PantzkesEinschätzung ihre Erfahrungen häufig weiter - und sei es nur, umihren Frust loszuwerden: «Unzufriedene Kunden geben nach KathrinRüter-Pantzkes Einschätzung ihre Erfahrungen gern weiter - und sei esnur, um ihren Frust loszuwerden. «Kundenzufriedenheit hat deshalb beiuns oberste Priorität.»