Tierwelt Tierwelt: Strategien gegen den Frost
Halle (Saale)/MZ. - Dort, wo Schnee liegt, kommen die Singvögel kaum mehr an Samen und andere auf dem Boden liegende Nahrung heran. Weil Mäuse und Insekten bei diesen Temperaturen kaum mehr herumlaufen, wird auch die Beute für Greifvögel und Insektenfresser knapp.
Einige Vogelarten reagieren auf diese Probleme, indem sie nun doch noch verspätet gen Süden ziehen. Dazu gehören die Kraniche, die wegen des zunächst milden Winters vielfach hiergeblieben sind, wie Vogelexperten der Naturschutzorganisation Nabu berichten. Auch Weißstörche, die verfrüht aus dem Winterquartier im Süden zurück nach Deutschland gekommen sind, nutzen diese Möglichkeit. Sie brechen wieder auf und weichen zeitweilig weiter nach Süden in mildere Regionen aus.
Eine andere Strategie gegen Kälte und Nahrungsmangel nutzen die heimischen Rothirsche, wie Forscher der Universität Wien herausfanden. Sinken die Außentemperaturen, schalten die Hirsche auf Energiesparen: Sie senken ihren Herzschlag und ihre Stoffwechselrate. Möglich werde dies, weil die Tiere ihre Temperaturregulation den äußeren Bedingungen anpassen, erklären die Forscher.
Man habe festgestellt, dass Rothirsche in kalten Winternächten ihre Extremitäten stark abkühlen ließen. Dadurch benötigten die Tiere weniger Energie, um die lebenswichtigen Organe im Körperinneren warm zu halten - und damit auch weniger Nahrung.
"Es scheint, dass diese Abkühlung der Extremitäten für Rothirsche - und vermutlich auch andere große Säugetiere - ein wichtiger Mechanismus ist, um im Winter bei knapper Nahrung Energie zu sparen", sagt Walter Arnold von der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Ein größeres Problem ist die Kälte für Frösche, Insekten und andere wechselwarme Tiere: Im Gegensatz zu Säugetieren und Vögeln können sie ihre Körpertemperatur nicht auf einem Sollwert halten, sondern sind mehr oder weniger von der Umgebungstemperatur abhängig. Wird es eisig kalt, drohen auch ihre Gewebe und Zellen zu gefrieren.
Viele Tiere schützen sich mit einem Frostschutzmittel vor den tödlichen Eiskristallen in ihren Geweben. Am verbreitetsten ist dabei Glycerin - das gleiche Mittel, das auch das Kühlwasser im Auto vor dem Gefrieren schützen soll. Diese chemische Substanz macht Flüssigkeiten zähflüssiger und erschwert das Auskristallisieren des Wassers zu Eis.
Wissenschaftlern zufolge beruht der Erfolg des Glycerins als tierisches Frostschutzmittel darauf, dass es leicht vom Stoffwechsel produziert werden kann und ungiftig ist. Auch bei relativ kurzfristigen Kälteeinbrüchen, wie momentan der Fall, bietet es daher schnellen Schutz.
Wie Forscher in verschiedenen Studien herausfanden, können überwinternde Insektenlarven beispielsweise bis zu 20 Prozent ihres Körpergewichts an Glycerin enthalten, ohne dass es ihnen schadet. Die Puppe des Schwalbenschwanz-Schmetterlings übersteht dank Glycerin sogar Temperaturen bis zu minus 30 Grad problemlos.
Eine noch andere Strategie nutzen sehr kleine Insekten und Spinnentiere wie die Getreideblattlaus: Sie übersteht Temperaturen bis minus 23 Grad völlig ohne Frostschutzmittel. Dies gelingt deshalb, weil sehr kleine Wassermengen noch bis weit unter dem Gefrierpunkt flüssig bleiben können - wenn sie sehr rein sind. Denn Eiskristalle bilden sich erst, wenn kleine Staubpartikel, Kristalle oder Moleküle vorhanden sind, an denen die Wassermoleküle zu Eis kristallisieren können.
Die Getreideblattlaus hat den großen Vorteil, dass ihre Nahrung, der Pflanzensaft, nur sehr wenig solcher Kristallisationskeime enthält. Daher ist die Blattlaus quasi von Natur aus relativ frostresistent.
Andere Tiere, wie beispielsweise Spinnen und Marienkäfer, verbessern aktiv ihre Unterkühlungsfähigkeit, wie Forscher herausfanden: Sie hören bei Kältebeginn auf zu fressen, entleeren ihren Darm und fallen in eine Art Winterstarre. Dadurch werden sie gefährliche Kristallisationskeime los und können noch bis weit unter Null überleben, ohne zu gefrieren.