Studie zum Verhalten von Kindern im Internet Studie zum Verhalten von Kindern im Internet: "Mediennutzung birgt Chancen wie Risiken"

Berlin - Laut der an diesem Dienstag vorgestellten Studie „Kinder in der digitalen Welt“ nutzt mehr als die Hälfte der Achtjährigen in Deutschland und einer von zehn Dreijährigen digitale Medien. Ist das ein toller Vorsprung oder Grund zur Sorge?
Weder allein das eine, noch nur das andere. Jede Mediennutzung birgt Chancen wie Risiken, auch für Kinder. Was die Studie aber zeigt, ist: Eltern sollten sich heutzutage intensiv mit Medienerziehung befassen. Handy, Computer, Fernsehen – Medien sind allgegenwärtig, auch unterwegs. Dadurch wird es immer schwieriger, seinen Kindern den Umgang damit ganz zu verbieten. Aber wer sich mit dem Medienverhalten seiner Kinder beschäftigt und Einfluss darauf nimmt, muss sich weniger Sorgen machen.
Kristin Langer ist Mediencoach bei der Initiative „Schau hin! – was dein Kind mit Medien macht“. Das gemeinsame Projekt von Bundesfamilienministerium, den öffentlich-rechtlichen Sendern, eines Telekommunikationsunternehmens sowie einer Programmzeitschrift versteht sich als „Medienratgeber für Familien“ und kooperiert dabei mit mehr als 60 Einrichtungen und Organisationen aus Pädagogik, Wohlfahrt und Prävention.
Welche Risiken bestehen, wenn Eltern ihre Kinder einfach mal machen lassen?
Ziel muss es sein, dass mein Kind nicht in Situationen gelangt, die es noch nicht meistern kann. Wenn ich nicht weiß, auf welchen Seiten und bei welchen Angeboten es unterwegs ist, kann ich es auch nicht darauf vorbereiten, wie es im Zweifel damit umgehen sollte. Das betrifft klassischen Jugendschutz – denn natürlich kann es auf Sites stoßen, die nur für Erwachsene gedacht sind. Und es gilt für Chats, bei denen Kinder in Kontakt mit Gleichaltrigen treten wollen, aber an deutlich Ältere mit falschen Absichten geraten können. Es geht aber auch darum, dass Kinder Medien sinnvoll nutzen und sich nicht in digitalen Welten verlieren und alles andere vernachlässigen. Und nicht zuletzt drohen technische und finanzielle Risiken, wenn Kinder versehentlich Abos abschließen oder illegale Downloads tätigen.
Totalverbot nicht durchsetzbar
Das klingt, als sei das Sicherste doch ein Totalverbot. Bei jüngeren Kindern könnten Eltern das sicherlich hinbekommen. Was spricht dagegen?
Spätestens in der Schule wird so ein Totalverbot kaum durchzusetzen sein, zumindest nicht, ohne das Kind in unangenehme Situationen zu bringen. Etwa, wenn Lehrer bestimmte Aufgaben stellen, die eine Internetrecherche erfordern. Immerhin lernen Kinder, die Medienerfahrung haben, auch, sich Wissen selbst anzueignen.
Laut der neuen Studie macht das Kind auch schnell die Erfahrung, dass viele Gleichaltrige ganz selbstverständlich Smartphones und Tablets nutzen.
Ja, und wenn Eltern erst dann anfangen, mit ihren Kindern über deren Mediennutzung zu sprechen, haben sie womöglich die Chance verpasst, mit ihnen eine gute Grundlage für ihren Umgang mit digitalen Medien gemeinsam aufzubauen. Deshalb raten wir dazu, eher mit Verstehen und Vertrauen zu arbeiten als mit Verboten.
Gemeinsame Einführung am sinnvollsten
Wie steigen Eltern und Großeltern denn mit den Jüngsten am besten in die Mediennutzung ein?
Viele Experten, die sich seit langem Gedanken darüber machen, wie digitale Medien sinnvoll für Kinder einsetzen lassen, haben eine Menge altersgerechte Seiten und Programme erstellt, die altersgerecht aufgebaut sind. Es gibt viele Linksammlungen solcher Kinder- und Einsteigerseiten, auch auf www.schau-hin.info. Grundsätzlich gilt ganz einfach: Geräte gut sichern und Kinder nicht allein surfen lassen, sondern sich die Inhalte mit ihnen gemeinsam ansehen. Und wenn sie Medien dann allein nutzen: nicht mit Strafen drohen oder schimpfen, wenn doch mal etwas schief läuft, sondern als Ansprechpartner da sein.
Von welchem Alter an sollten Kinder denn selbstständig digitale Medien nutzen?
Ganz unkontrolliert frühestens mit neun oder zehn Jahren, wenn sie auch tatsächlich ein Verständnis darüber haben, wo sie sich bewegen und was ihre Handlungsoptionen sind. Bis dahin sollten sie ihre üblichen Zugangswege gelernt haben und wissen, wie sie sich im Zweifel schützen. Das heißt aber nicht, dass man Jüngeren nicht auch mal das Tablet mit einer Bilderbuch-App überlassen kann.
Also ist die Angst, Kinder verlernen dadurch den Umgang mit klassischen Medien und versuchen dann nur noch hilflos durch Wischen zu blättern …
… übertrieben. Kinder sind nicht dumm, sie können ein digitales Gerät erkennen und von einem Buch unterscheiden. Die Kunst ist es, ihnen viele Erlebniswelten zu erschließen und Abwechslung zu bieten, damit sie sich nicht nur mit Tablets beschäftigen können.
Das Interview führte Steven Geyer