Interview zu Cloud-Computing Interview zu Cloud-Computing: "In der Cloud sind die Daten sicherer als auf dem Rechner im Keller"

Hannover - Cloud-Computing zählt zu den wichtigsten Themen auf der weltgrößten Computermesse Cebit. Einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung PwC zufolge, haben 70 Prozent aller Firmen ihre Daten zumindest teilweise in einer virtuellen Wolke gespeichert. Kostensenkung ist der Hauptgrund, um Daten und Programme auszulagern. Doch die Rechenwolke hat auch ein Reputationsproblem. Vizekanzler Sigmar Gabriel hat bei seinem Messerundgang denn auch darauf hingewiesen, dass gerade kleine Unternehmen aus Angst vor Sicherungslücken sich scheuen, ihre Daten auszulagern. Dabei sind sie in einem Rechenzentrum viel besser ausgehoben als im Keller der Firma, sagt Kurt Rindle, Cloud-Experte beim IT-Riesen IBM. Aus seiner Sicht wird die Computerwolke für Unternehmen aber auch immer wichtiger, weil sie massiv Innovationen forciert.
Herr Rindle, können Sie Cloud-Dienste nach diversen Datenskandalen und den NSA-Enthüllungen noch guten Gewissens anbieten?
Natürlich, und zwar mehr denn je. Cloud-Computing ist im Prinzip die Weiterentwicklung der Rechenzentren, ergänzt durch Internetzugänge, die das schnelle und zuverlässige Abrufen von Daten ermöglichen. Die NSA-Enthüllungen haben dazu geführt, dass die Menschen darüber nachdenken, wie verlässlich die Cloud ist. Dabei sind Daten in der überwiegenden Mehrheit der Fälle bei einem professionell gemanagten Cloud-Anbieter sicherer als auf dem eigenen Rechner im Keller eines Mittelständlers. Denn es stellt sich die Frage, wie gut die Absicherung dieses Computers ist. Profi-Rechenzentren werden von Dutzenden von Profis rund um die Uhr überwacht.
Ist die Cloud vor allem ein Werkzeug, um Kosten zu senken?
Auch. Kunden können sich enorme Rechenleistung stundenweise für ein paar Euro mieten. Viel wichtiger ist: Es entstehen neue Möglichkeiten, vor allem für kleine Unternehmen. Nehmen Sie ein Start-Up, das Bio-Fastfood-Restaurants eröffnen will. Die Gründer können Tausende von Texten und Dokumenten aus dem Internet über gesunde Ernährung und die Essgewohnheiten verschiedener Altersgruppen mit Textanalyse-Software durchforsten beispielsweise mit IBM-Lösungen aus der Cloud, um Konzepte für gesunde Ernährung zu entwickeln. In einem nächsten Schritt könnten mit Clouddiensten Geodaten analysiert werden, um Standorte zu finden, wo Menschen leben und arbeiten, die auf schmackhafte, vegane Bio-Burger warten. Eine Firma, die wenig Geld, aber gute Ideen hat, verfügt nun über Werkzeuge, die früher nur Großkonzerne hatten.
Kurt Rindle ist Diplom-Informatiker und Master of Business Administration. Seine Manager-Laufbahn begann 1989 bei der deutschen Tochter des Computerkonzerns Apple. Inzwischen hat er bei US-Computerkonzern IBM den Posten eines „Cloud-Evangelisten“. Er ist verantwortlich für den Ausbau und die Weiterentwicklung von Cloud-Lösungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz für Unternehmen aller Branchen und Größen.
Verschärfen Clouddienste also den Wettbewerb?
Sie passen zur Start-up-Mentalität. Für Rechenzeit auf einen Server und die Nutzung von Software zahlen Sie wenige Cent pro Stunde. Das finanzielle Risiko, das Sie eingehen, um etwas Neues auszuprobieren, ist enorm gering. Man kann sich Fehlschläge erlauben, das ist eine wichtige Voraussetzung für Neues.
Ist die Wolke nur etwas für Newcomer?
Nein, sie beschleunigen überall Innovationen. Das ist eine neue Qualität, die sich ganz einfach aus der technischen Entwicklung der IT-Welt ergibt: Wer nicht anfängt, Clouddienste auszuprobieren, wird immer langsamer sein als der Wettbewerb.
Eine neue Form des Turbo-Kapitalismus?
Ich weiß nicht, ob man es so bezeichnen muss. Nur: Fähigkeit in kurzer Zeit neue Produkte zu entwickeln, wird immer wichtiger. Ob es ein Bäcker ist, der ein neues hochwertiges Vollkornbrot entwickelt, oder ein Pharmakonzern, der ein neues Schmerzmittel auf den Markt bringt.
Aber sind die Verbraucher heute nicht sehr zurückhaltend, wenn sie das Schlagwort Cloud hören, weil sie Angst haben Angst ausspioniert zu werden ?
Das kann ein Faktor sein. Eine Heizung mit Sensoren etwa, die Daten über eine Cloud-Lösung an den Werkskundendienst eines Heizungsbauers übermittelt, darf mit Sicherheit nicht dauernd senden. Die Nutzung der Daten muss transparent sein. So könnte beispielsweise die Heizung mit einer App verknüpft sein, die dem Nutzer sagt: Wir haben einen Bericht, in dem steht, dass der Brenner nicht mehr richtig arbeitet und den schicken wir jetzt an Viessmann. Der Bericht wird nur abgeschickt, wenn der Nutzer seine Zustimmung gibt.