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EU-Urteil zu kino.to & Co. EU-Urteil zu kino.to & Co.: Netzsperren für Raubkopie-Webseiten

27.03.2014, 10:22
Archivbild der Website www.Kino.to
Archivbild der Website www.Kino.to dpa Lizenz

Luxemburg - Sperren von Internetseiten sind in der Europäischen Union in bestimmten Fällen erlaubt. Internetanbieter können dazu verpflichtet werden, Webseiten zu sperren, über die illegal urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet wird. Das europäische Recht lasse solche Blockaden zu, urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.

Konkret ging es um die Seite kino.to und den österreichischen Internetanbieter UPC Telekabel. Das deutsche Filmstudio Constantin Film und die Filmproduktionsgesellschaft Wega hatten geklagt, weil auf der Webseite Kopien ihrer Filme ohne ihre Zustimmung verbreitet wurden. Kino.to stellte 2011 den Betrieb ein; der Betreiber und mehrere Mitarbeiter wurden verurteilt, einige von ihnen zu Gefängnisstrafen. Vor dem Europäischen Gerichtshof ging es nun vor allem um die Frage, ob Netzsperren in ähnlichen Fällen zulässig sind.

Filme und Videos aus dem Netz direkt im Browser schauen - das ist unkompliziert und populär, hat aber einen Haken. Teilweise weiß der Nutzer nicht, ob das Material auf der Streaming-Seite legal oder illegal angeboten wird. Denn so bekannt und offensichtlich rechtswidrig wie Kino.to sind die wenigsten Quellen. Doch ob Streaming überhaupt Urheberrechte verletzen kann, ist umstritten. „Es gibt noch keine höchstrichterliche Klärung“, erklärt Thorsten Feldmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Berlin. „Man kann derzeit beide Meinungen vertreten.“

Die Frage ist, ob das Streaming schlicht einen sogenannten Werkgenuss darstellt, weil die dabei technisch stattfindenden Vervielfältigungshandlungen nur flüchtig sind. „Außerdem könnte die temporäre Vervielfältigung im Arbeitsspeicher des Rechners durch das Recht auf Privatkopie gedeckt sein“, sagt Feldmann. Das sei aber nicht der Fall, wenn die Rechtswidrigkeit des gestreamten Materials für den Nutzer offensichtlich ist, schränkt der Anwalt ein. Bei Kino.to sei das wohl der Fall gewesen, bei anderen Angeboten müsse man dies vielleicht anders beurteilen.

„Meiner Meinung nach sollte man sich als bloßer Zuschauer nicht allzu viele Sorgen machen, zumal es technisch schwieriger ist, einen Streamer als einen Up- oder Downloader zu ermitteln“, sagt der Experte. Abmahnungen wegen Streamings hätten nach Feldmanns juristischer Überzeugung vor Gericht am Ende wahrscheinlich keinen Bestand: „Ich kann mir vorstellen, dass dagegenhalten etwas bringt.“ Schließlich seien selbst auf Portalen wie YouTube viele Inhalte urheberrechtswidrig eingestellt, nennt der Anwalt ein Beispiel. „Aber will man wirklich alle YouTube-Nutzer kriminalisieren?“

Die Luxemburger Richter bejahen dies. Für sie ist ein Internetanbieter in diesem Fall ein „Vermittler, dessen Dienste zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden“. Dabei müsse nicht nachgewiesen werden, dass dessen Kunden tatsächlich auf die geschützten Filme zugreifen. Allerdings ermahnte der Europäische Gerichtshof die nationalen Gerichte, bei Netzsperren ein „angemessenes Gleichgewicht“ zwischen dem Schutz von Urheberrechten und der unternehmerischen Freiheit des Internetanbieters zu beachten. Auch die Informationsfreiheit der Nutzer sei zu berücksichtigen. Diese müssten ebenso wie die Internetanbieter gegen eine Sperre klagen können.

Filmfirmen müssten sich zunächst unmittelbar an die Betreiber der rechtswidrigen Webseite wenden. Doch nicht immer sind die Website-Betreiber oder deren Internetanbieter greifbar, oft sitzen die Anbieter außerhalb Europas. Bei einer Sperre gilt: Tippen Kunden diese Webadresse in ihren Browser ein, dürfen Internetanbieter sie nicht auf die Seite weiterleiten. Allerdings lassen sich die Sperren mit technischen Mitteln umgehen. Ein ähnlicher Vorschlag für das Sperren von Webseiten mit Kinderpornografie hatte in Deutschland scharfe Diskussionen ausgelöst und wurde schließlich verworfen.

Internetaktivisten kritisierten das Urteil. Netzsperren würden die Meinungsfreiheit gefährden und taugten wenig zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen, erklärte Alexander Sander von dem Verein Digitale Gesellschaft. Er plädierte dafür, Webseiten mit illegalen Inhalten zu löschen anstatt zu sperren. (dpa)