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Dating-App Lovoo Dating-App Lovoo: Flirt mit Singles aus der Umgebung

Von Elisabeth Krafft 10.01.2017, 11:00
MZ-Volontärin Elisabeth Krafft hat sich bei der Online-Dating-App Lovoo angemeldet.
MZ-Volontärin Elisabeth Krafft hat sich bei der Online-Dating-App Lovoo angemeldet. Krafft

Halle (Saale) - Das geht ja gut los. Die erste Nachricht ploppt bereits wenige Minuten nach meiner Anmeldung auf dem Bildschirm des Smartphones auf: „Bin auf der Suche nach nettem Mädel zum Treffen. Treffen finden ausschließlich bei mir statt. Ich bin sehr an BDSM (Fesselspielen, Macht und Unterwerfung) interessiert. Schick mir deine Telefonnummer, dann können wir plaudern“, schreibt Peter (Name geändert), 36, aus Naumburg.

Die erste Nachricht - ein Peitschenschlag, der mich kurz aus der Fassung bringt. Doch viel Zeit zum Durchatmen bleibt nicht. Denn bald schon wird es noch heftiger.

Online-Dating hat sich etabliert: Lovoo und andere Single-Börsen buhlen um Singles

Online-Singlebörsen wie Lovoo sind nicht neu. Wurden sie anfangs jedoch noch von vielen belächelt, haben sie sich mittlerweile fest als Partnerbörsen etabliert. Immer mehr Menschen begeben sich virtuell auf die Suche nach neuen Bekanntschaften.

Denn Online-Dating hat gegenüber dem Kennenlernen im realen Leben einige Vorteile: Es ist zeitlich flexibler und wirtschaftlicher, außerdem hat man eine erheblich größere Auswahl an potenziellen Flirtpartnern. Vor allem aber ist die Hemmschwelle, mit einem anderen Menschen weitgehend anonym in Kontakt zu treten, gering.

Nach Ansicht von Susanne Vollberg, Vertretungsprofessorin für Medien und Kommunikation an der Martin-Luther-Universität in Halle, gibt es dafür vor allem einen Grund: „Im Gegensatz zum Offline-Leben kann man im Internet unabhängig von der Reaktion seines Gegenübers agieren. Normen, an die man sich im realen Leben hält, gelten nicht mehr. So zum Beispiel die Einhaltung des Sicherheitsabstands.“

22 Millionen Nutzer sind bei der kostenlosen Online-Dating-App Lovoo in Deutschland registriert. Allein in Sachsen-Anhalt sind 502 000 Menschen Teil der Gemeinschaft, ein Lovoo-Sprecher sagt.

Über die App können Mitglieder mit Menschen aus ihrer Umgebung schreiben und sich verabreden. Das Prinzip ist einfach: Nutzer registrieren sich und legen ein Profil mit Fotos und persönlichen Angaben an. Die App übernimmt anschließend die Suche nach passenden Usern - zum Beispiel anhand des Alters oder des Geschlechts.

Der Nutzer bekommt mit Hilfe des GPS-Signals seines Smartphones außerdem potenzielle Flirtpartner in seiner näheren Umgebung angezeigt. Wischt man deren Foto zur rechten Seite des Bildschirms, signalisiert man Interesse - wischt man nach links, wird der nächste User angezeigt. Gefällt ein Profil, kann man dem Mitglied eine Nachricht zukommen lassen. Jedem Nutzer wird zudem angezeigt, welche Personen das eigene Profil angesehen und Interesse bekundet haben.

Unterwegs auf der Single-Börse Lovoo: Profilbesuche im Minutentakt

Mein Handy vibriert mittlerweile fast im Minutentakt: 1 138 Profilbesuche innerhalb von nur vier Tagen. Hinzu kommen weit über 50 Nachrichten. Der Großteil ist angenehm, Gespräche kommen unkompliziert und schnell in Gang.

Einige Nutzer versuchen es mit Komplimenten, die meisten mit Smalltalk. Andere verzichten hingegen komplett auf unverfängliche Plaudereien und kommen direkt auf den Punkt. Anzügliche Nachrichten inklusive.

So auch Bastian (Name geändert), 30, aus Merseburg: „Meine Freundin und ich suchen nach einer Frau, die unser Sexleben aufpeppt. Du wirkst, als könnte dir das gefallen.“ Von Zurückhaltung oder vorsichtigem Herantasten keine Spur. Eine Antwort erhält Bastian deshalb nicht. Auch ein Vorteil des Online-Datings - Gespräche können leicht abgebrochen oder pausiert werden.

MLU-Vertretungsprofessorin Susanne Vollberg sagt, dass Nutzer ihre Kommunikation bei Interaktionen in der virtuellen Realität seltener reflektieren und mitunter Dinge sagen, die sie sich sonst nicht trauen würden. User könnten jederzeit aus Unterhaltungen aussteigen, müssten nicht reagieren, wenn das Gegenüber wütend oder enttäuscht ist. „Online-Dating ist unverfänglich und bietet Sicherheit, weil man sich vieles erlauben kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.“

Nichtsdestotrotz gelten auch für Singlebörsen Regeln, an die sich User halten müssen. In den Richtlinien der Dating-App-Lovoo ist beispielsweise festgelegt, dass pornografische Inhalte ebenso verboten sind wie Drohungen, Belästigung, Mobbing oder Spam.

Verstöße können über ein Meldesystem an die Betreiber der App weitergeleitet werden, wo sie von einem technischen System überprüft werden. Verstößt ein Nutzer gegen die Richtlinien, wird sein Profil automatisch gelöscht. User haben zudem die Möglichkeit, unangenehme Kontakte selbst zu blockieren, so dass diese nicht mehr mit ihnen in Kontakt treten können.

Auch ich entscheide mich zwei Wochen nach Start meines Selbsttests dazu, einen User für mein Profil zu sperren. Da ich mich weigere, ihm meine Handynummer zu schicken, gipfeln seine Nachrichten bald in Beleidigungen und sogar Drohungen: „Vergangene Woche habe ich dich in diesem Club gesehen - vielleicht laufen wir uns bald ja nochmal über den Weg.“

Zu viel für mich. Ich verzichte zwar darauf, ihn zu melden, blockiere aber jeden weiteren Kontaktversuch des Nutzers.

Anzügliche Nachrichten sind die Ausnahme, aber vor allem Frauen werden auf Lovoo damit konfrontiert

Anzügliche Nachrichten und Fotos, oder gar Beleidigungen - Einzelfälle im Dating-Kosmos von Lovoo. Im Gespräch mit anderen Nutzern fällt jedoch auf, dass vor allem Frauen ähnliche Erfahrungen machen.

Männliche und weibliche Mitglieder agieren innerhalb der Community ohnehin unterschiedlich. Während ich täglich bis zu 20 Nachrichten erhalte, obwohl ich selbst kein anderes Mitglied anschreibe, ergreifen Männer häufiger die Initiative.

„Meiner Erfahrung nach wird erwartet, dass Männer den ersten Schritt machen. In den meisten Fällen erhalte ich dafür auch ein gutes Feedback. Aber man merkt schon, dass einige Frauen von der Flut der Nachrichten überfordert sind“, sagt Mark (Name geändert), 28, aus Halle. Zweifelhafte Angebote oder anzügliche Fotos habe er nicht erhalten.

Dass Männer beim Online-Dating für den Erstkontakt verantwortlich sind, bestätigt auch Chris Pleines, Pressesprecher der Internetseite zu-zweit.de Für eine Online-Dating-Studie des Test- und Vergleichportals von 2016 wurden mehr als 10 000 Facebook-Profile analysiert und 4,2 Millionen Datensätze verglichen.

Die Auswertung zeigte unter anderem, dass Männer online vor allem auf unverbindlichen Sex aus sind, während Frauen nach langfristigen Beziehungen suchen. Für schüchterne Personen sei Online-Dating darüber hinaus eine Möglichkeit, über den eigenen Schatten zu springen.

Gleichzeitig führe der beidseitige Konsens der Partnersuche generell auch dazu, ungehemmter zu flirten. „Wo wir in der Realität stets einem Redezwang unterliegen und uns schneller in einer unangenehmen Drucksituation befinden, sind wir online viel freier, aber auch enthemmter. Wir werden ja schließlich nicht direkt beobachtet“, sagt Pleines.

Mein Selbstversuch ist nach drei Wochen beendet, die App von meinem Smartphone gelöscht. Annähernd 300 Nachrichten habe ich in dieser Zeit erhalten. Getroffen habe ich mich im realen Leben mit keiner meiner Lovoo-Bekanntschaften.

Am Ende waren Skepsis und Vorsicht doch größer als die Neugierde. Zwar kann man online nette Menschen kennenlernen, nichtsdestotrotz geht es in der Welt des digitalen Flirtens mitunter derber zu. Lovoo ist  nichts für zart Besaitete. (mz)

Die App schlägt passende Singles nach unterschiedlichen Kategorien vor.
Die App schlägt passende Singles nach unterschiedlichen Kategorien vor.
Krafft