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Tätowierungen Tätowierungen: Auch Tattoos unterliegen der Mode

Von Thilo Mischke 05.06.2007, 07:43
In den neunziger Jahren war das «Arschgeweih» - ein Tribal auf dem Steiß - die Trend-Tätowierung schlechthin. (Foto: dpa)
In den neunziger Jahren war das «Arschgeweih» - ein Tribal auf dem Steiß - die Trend-Tätowierung schlechthin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/Mannheim/dpa. - Dennochfällt die Entscheidung nicht leicht - modern soll das Tattoo sein,etwas aussagen sollte es auch, und natürlich soll es für einpersönliches, unverwechselbares Lebensgefühl stehen. Doch was ist,wenn der frisch Tätowierte nach dem Besuch im Studio feststellt, dassdieses ungewöhnliche Motiv gar nicht so ungewöhnlich ist? Schließlichunterliegen auch Tattoos Trends.

Gerit Pfütz aus Berlin zum Beispiel hat sich eine stilisierteLilie in den Nacken tätowieren lassen, wie sie auf der Flagge derkanadischen Provinz Quebec zu finden ist. «Ich war ein Jahr dort undwollte eine Erinnerung haben - für immer», sagt die 20-Jährige. Dassdas Symbol zugleich für die Freimaurerpfadfinder steht, war ihrvorher nicht bewusst. Es beschreibt aber sehr genau die Schwierigkeithinter symbolhaften Tattoos. «Es ist mein zweites Tattoo - das ersteist ein Stern auf dem Knöchel, aber das hat ja mittlerweile jeder»,erzählt die angehende Studentin.

Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kommenTattoos zwar langsam aus der Mode und scheinen eher ein Phänomen derachtziger und neunziger Jahre zu sein. 41 Prozent der Deutschensagten im vergangenen Jahr, Tattoos seien out. Drei Jahre davor warenes nur 29 Prozent gewesen. Und selbst bei den unter 30-Jährigenfindet nur noch die Hälfte Tätowierungen in. Vor allem prominenteVorbilder wecken aber immer wieder den Wunsch nach Körperschmuck.

Unter weiblichen Jugendlichen sollen mehr als 40 Prozent eineTätowierung oder ein Piercing haben, hieß es im Frühjahr in derAusstellung «Unter die Haut» im Museum für Kommunikation inFrankfurt/Main. Gerit Pfütz sagt, sie hätte sich für den Sternunabhängig von Trends oder Vorbildern wie Sarah Kuttner entschieden -die Moderatorin hat den Stern am Arm tätowiert und über ihreTV-Präsenz in ihrer Zielgruppe populär gemacht. Und schon gar nichtwolle sie sich mit dem Stern einer sozialen Gruppe zuordnen.

Es gebe Trends, die immer mal wieder aufkommen, sagt TätowiererStefan Schulz aus Berlin. In den achtziger Jahren sei das der Delfingewesen, in den Neunzigern das Steißtribal - auch «Arschgeweih»genannt. Und jetzt gerade sei es der Stern, den dieFernsehmoderatorin Sarah Kuttner so populär gemacht hat.

Dass Tattoos keine Aussage über die soziale Zugehörigkeit machenkönnen, glaubt Boris Rödel, Chefredakteur des größten deutschenFachorgans «Tätowier-Magazin», das in Mannheim erscheint. «DasArschgeweih ist kein Unterschichtenstempel. Das hat sich damals dochjeder stechen lassen», erinnert sich der 38-Jährige. Viel mehr seiein Tattoo ein Modetrend wie jeder andere - den jeder mitmachen oderlassen könnte.

«Modetattoos sind meist kleine Bilder, ohne konkrete Bedeutung undoffen für Interpretationen», sagt Rödel. Deswegen könne man dieseTattoos ja dann auch so oft sehen, weil sie theoretisch zu jedempassen. «Das ist der Grund, warum zur Zeit die Sternchen auch so gutlaufen.» Sie seien klein, leicht zu verstecken, und jeder könne seineeigene Bedeutung hineinlegen.

«Wer jetzt kein voll tätowierter Profi ist und einfach nur einBild haben möchte, der sollte möglichst eines ohne Bedeutung wählen.»Denn schnell kann es sein, dass die Lilie im Nacken dann doch mehraussagt, als es dem Träger lieb ist - wie im Fall von Gerit.

Doch die Mode vergeht. Was soll man daher tun, wenn das Tattoo nach zwei oder drei Jahren nicht mehr gefällt? «Es gibt genau zweiMöglichkeiten: Wer sich zum ersten Mal tätowieren lässt, der wirdentweder mit dem Tattoo-Virus angesteckt - und möchte mehr. Oder erbereut es hinterher», sagt Schulz. Wer mit seinem ersten Tattoo nichtmehr zufrieden ist, kann es dann in ein anderes Tattoo verwandeln, esvergrößern, oder das Motiv übertätowieren. «Das aber nur, wenn erSpaß am Tätowieren gefunden hat.»

Die Alternative ist, sich das ungeliebte Bild weglasern zu lassen.«Das ist aber sehr schmerzhaft und kann, bei schlechter Anwendung zuhässlichen Narben führen», erklärt Rödel. Als Kostenpunkt müsse manungefähr den Preis, den man auch für das Tattoo bezahlt hat,einkalkulieren. «Um solchen Situationen aus dem Weg zu gehen, solltedie Entscheidung ein Tattoo zu wollen, wohl überdacht sein.»

Der Kunde sollte sich die Frage stellen: «Mag ich mein Motiv auchnoch in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren?» Sonst werden aus demjapanischen Zeichen im Nacken schnell ein Tattoo für den gesamtenRücken - oder eben eine unansehnliche Narbe.

«Wer sich für ein Tattoo entschieden hat, sollte auch dazustehen», sagt Rödel. Auch für den Szenekenner, der selbst 45 Bilderam Körper hat, gibt es aber bestimmte Motive, die er nicht unbedingtschön findet. «Das ist wie mit einer krummen Nase oder einemKarl-Dall-Auge - das gehört zu meinem Körper und stellt für mich undandere ein individuelles Merkmal dar.»