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Studenten-Streik: «Weil man uns die Bildung klaut»

Von Yuriko Wahl 17.11.2009, 13:07

Köln/dpa. - Die Studenten gehen auf die Barrikaden. Zu Zehntausenden ziehen sie in vielen Städten durch die Straßen für bessere Studienbedingungen, protestieren lautstark gegen das «desolate Bildungssystem» und besetzen mancherorts die Hörsäle.

«Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut», rufen rund 5000 Studenten und Schüler am Dienstag (17. November) bei einem Demo-Marsch durch die Kölner Innenstadt. Mit Trommeln und Trillerpfeifen fordern die Teilnehmer des «Bildungsstreiks 2009» die Abschaffung der Studiengebühren. Besonderer Dorn im Auge der Studenten in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Berlin, Bonn, Freiburg oder Jena: die Bachelor- und Masterstudiengänge.

«Wir alle fragen uns, ob wir mit dem Bachelor überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben werden», sagt Andreas. «Wir haben in der Erziehungswissenschaft jetzt nur noch fünf Semester Zeit. Das ist unverantwortlich. Ich möchte später beruflich mit behinderten Kindern arbeiten und glaube nicht, dass ich dafür nach so kurzer Studienzeit gut ausgerüstet bin», kritisiert der 23-jährige Kölner. «Die Bildung geht baden», glaubt ein Studienkollege: «Es gibt viele, die mit dem Bachelor und Master hoffnungslos überfordert sind, die Burn-Out bekommen, die sich in dem verschulten Betrieb eingezwängt fühlen. Das sind zu viele Mängel, die nicht mehr hinnehmbar sind. Wir müssen uns jetzt einfach zur Wehr setzen.»

Auch die Studiengebühren empfinden die Demonstranten als falsch und ungerecht: «Ich kenne viele Leute, die die 700 Euro pro Semester nicht zahlen können und deshalb auf eine Ausbildung ausweichen», erzählt der Kölner Fabian Stendtke. «Viele schlaue Köpfe werden durch die Gebühren abgeschreckt, das ist ein immenser Verlust an Potenzial. Das kann sich Deutschland gar nicht leisten», meint der 25-Jährige. Auch Jura-Studentin Charlotte glaubt: «Die Gebühren bedeuten eine Ungleichbehandlung und das Ende der Bildungsfreiheit. Wer nicht zahlen kann, verzichtet.»

Andere Kölner Studenten wollen wissen: «Was machen die eigentlich mit unserem Geld? Wo sind die Studiengebühren denn geblieben? Die Mängel sind verheerend. Die Lampen fallen von den Decken, der Putz bröckelt ab, Mäuse und Ratten laufen durch die Gebäude, die Technik ist uralt», erzählt ein angehender Lehrer. Die Hochschulen seien marode, es gebe noch immer zu wenig Studienplätze, die Arbeitsbedingungen seien katastrophal, bemängelt auch der AStA der Uni Köln, der die Demo in der Domstadt organisiert hat. Die Gebühren wirkten auch «sozial stark selektiv», meint Sprecher Christian Poell.

Am bundesweiten Aktionstag - er ist der bisherige Höhepunkt des studentischen Widerstands und zugleich Auftakt für eine bundesweite Aktionswoche ab dem 30. November - zeigen auch viele Nicht-Studenten Verständnis für den Protest. «Ich kann die jungen Leute sehr gut verstehen. Die Studienbedingungen heute sind eine echte Zumutung», sagt ein Passant, dessen Sohn auch studiert. «Bei den Gebühren bin ich allerdings anderer Meinung, denn sie verdienen ja später wohl ein Vielfaches der Nicht-Akademiker.»

Auch Politik und die Hochschulen-Spitzen senden den Streikenden Sympathie-Signale. Der Chef der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch (CDU), sagt im WDR, er verstehe die Einwände gegen den neuen Bachelor, der kein wirklich berufsqualifizierender Abschluss sei und mit dem die Studenten sich nur «halbfertig» fühlten. In der Verantwortung seien aber die Hochschulen. Die Unis sagen, ihnen fehlen die Mittel. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) räumte handwerkliche Fehler bei der Umsetzung der Hochschulreform ein.

Lippenbekenntnisse reichen aber nicht, betonen die Studenten. Schavan habe schon bei den Bildungsstreiks im Sommer Verbesserungen versprochen, ihr Wort aber nicht gehalten, meint der Kölner AStA. Die protestierende Jugend in Köln fragt - auf Transparenten: «31 Milliarden Euro für Rüstung - aber kein Geld für Bildung?».