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Streitfall Vorname: «Dior» erlaubt, «Cezanne» verboten

Von Jörn Perske 14.11.2008, 15:21

Bad Salzschlirf/Wiesbaden/dpa. - Bob Geldof mochte es ungewöhnlich. Der weltberühmte, irische Musiker nannte seine Töchter Fifi Trixibelle (1983 geboren), Peaches (1990) und Pixie (1991).

Doch auch Normalbürger verspüren immer öfter den Wunsch, ihren Sprösslingen womöglich unverwechselbare Markenzeichen in Form extravaganter Vornamen zu verleihen. Birkenfeld oder Lütke als männlicher, Oleander und Sunshine als weiblicher Vorname - (fast) alles scheint möglich. Standesbeamte, die den Namen eintragen müssen, fragen angesichts des Strebens nach Individualität immer öfter: Ist das zulässig?

Es gibt in Deutschland zwar kein Namensgebungsgesetz, aber Verwaltungsvorschriften mit Dienstanweisungen und Rechtsprechungen. Daran können sich die Beamten im Zweifel entlang hangeln. «Paare lassen sich immer häufiger skurrilere Namen einfallen», sagt Joachim Tryba. Er ist Fachberater beim hessischen Landesverband der Standesbeamten. Der übergeordnete Bundesverband der Deutschen Standesbeamten beschäftigte sich am Freitag bei einer Tagung im osthessischen Bad Salzschlirf mit der Namensgebung.

«Die Vielfalt an Vornamen hat sich in den vergangenen Jahren enorm erhöht», beobachtet Gerhard Müller von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Während man sich vor etwa 50 Jahren noch aus einem Vorrat von bis zu 1000 traditionellen Vornamen bediente, seien mittlerweile weit mehr als 10 000 Rufnamen im Umlauf.

«Viele Eltern machen sich offenbar keinen Kopf darüber, was sie ihren Kindern mit Namen antun können. Viele denken offenbar: je ungewöhnlicher, desto besser», vermutet Tryba. Doch Deutschland ist im Vergleich zu den USA nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. «Es dürfen keine lächerlich wirkenden Namen sein oder welche, die sich wahrscheinlich als lebenslange Belastung erweisen», erläutert Tryba. Andererseits fragten sich einige Eltern, was der Staat bei der Namensgebung mitzureden habe, sagt Müller und bemerkt wachsenden Widerstand.

Der Name oder zumindest ein zweiter ergänzender, muss das Geschlecht des Kindes erkennen lassen. Er darf kein Titel (zum Beispiel «Prinzessin»), Orts- oder Markenname (wie «Escada») sein. Auch die Zahl der Vornamen ist begrenzt. Faustformel: Sieben «normale» Vornamen oder fünf selten gebrauchte sind laut Tryba erlaubt. Zuweilen müssen die Differenzen bei der Vornamensgebung vor Gericht gelöst werden. So wurde vor einigen Jahren entschieden, dass der Vorname «Frieden-Mit-Gott-Allein-Durch-Jesus-Christus» bei allem Respekt vor der Religiosität nicht geht.

In Deutschland werden pro Jahr Dutzende Gerichtsverfahren im Streit um Vornamen geführt. Vom Amtsgericht aufwärts kann der Weg theoretisch bis in höchste Instanzen führen. Damit es nicht zum Äußersten kommt, appellierte der Präsident der Standesbeamten, Jürgen Büssow, an seine Kollegen: Sie müssen «viel Fingerspitzengefühl und umfassende Rechtskenntnisse haben», um befriedigende und abgesicherte Lösungen zu finden.

Im Ausland wird bei den Vornamen liberaler verfahren. Das scheinen besonders Promis zu schätzen. Der Einfallsreichtum scheint schier grenzenlos. Die Schauspieler Angelina Jolie und Brad Pitt entschieden sich beim ersten Töchterchen 2006 für Shiloh Nouvel. Im Juli dieses Jahres erblickten die Zwillinge namens Vivienne Marcheline und Knox Léon das Licht der Welt. Popstar Madonna nannte eines ihrer Kinder Lourdes Maria. Michael Jackson nummerierte seine Söhne durch: Auf Prince Michael I. folgte Prince Michael II. Der Sohn von Tennis-Königin Steffi Graf heißt Jaden Gil, die Tochter Jaz.

Hierzulande hilft die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden, wenn die Standesbeamten nicht weiter wissen. Die Wissenschaftler und Experten geben Auskünfte und erstellen Gutachten. «Unsere Beamten wissen manchmal schlichtweg nicht, ob der gewünschte Rufname nun männlich oder weiblich ist», sagt Tryba. Der Germanist und Namensforscher Müller schaut in zahlreiche Vornamensbücher (mehr als 300 internationale) und lange Listen der eigenen Dokumentation, in denen mehr als hunderttausend Namen verzeichnet sind. Müller und seine Kollegen können sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. «Wir haben pro Jahr etwa 2000 Anfragen.» Noch vor 15 Jahren wurden die Experten im Jahr nur einmal in 100 Fällen schriftlich zurate gezogen.

Müller wünscht sich von den Standesbeamten, dass sie jeden eingetragenen Namen nach Wiesbaden melden - für den Aufbau einer Namensdatenbank. Bislang erhält er nur Statistiken der am häufigsten vergebenen Namen. Die Datenbank hätte Vorteile. Dann würde es nicht mehr vorkommen, dass in der einen Stadt ein seltener Name akzeptiert wird und in der anderen nicht. «Wer weiß schon, dass 'Dior' nicht nur ein Markenname ist, der nicht akzeptiert würde, sondern auch ein albanischer Jungenname.»

Gesellschaft für deutsche Sprache: www.gfds.de

In Deutschland nicht zugelassene Vornamen:

- Borussia (wie der Namen eines Sportvereins)

- Cezanne (wie der französische Maler Paul Cézanne)

- Heydrich (wie der SS-Chef in der NS-Zeit)

- Lindbergh (wie der Nachname des Piloten und Fotografen)

- Grammophon (wie Schallplattenspieler)

- Moewe (wie der Vogel Möwe)

- Pfefferminze (wie die Pflanze)

- Tom Tom (wie die Marke eines Navigationsgerätes)

- Verleihnix (wie der Name des Fischhändlers aus dem Comic Asterix)

- Woodstock (wie das Musikfestival)

Zulässige Vornamen in Deutschland:

- Birkenfeld (männlich)

- Cosma-Shiva (weiblich)

- Dior (männlich und weiblich)

- Fanta (weiblich)

- Galaxina (weiblich)

- Kolle (männlich)

- Lafayette (männlich)

- November (männlich und weiblich)

- Pumuckel (männlich)

- Windsbraut (weiblich)

Quellen: Bundesverband der Deutschen Standesbeamten & Gesellschaft für deutsche Sprache