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Steakliebhaber Steakliebhaber: Gereift bis zum Genuss

Von MICHAEL RITTER 14.01.2011, 23:23

Halle (Saale)/MZ. - Neu ist die Methode nicht. Früher ließen Metzger Rinderhälften immer einige Zeit am Knochen reifen, bevor sie verkauft wurden. Nicht ohne Grund: Nach der Schlachtung kommt es im Muskelfleisch zu einem Mangel am Stoffwechselprodukt Adenosintriphosphat, der die Proteine erstarren lässt. Zäh wie altes Schuhleder sei es dann, sagt Ned Bell. "Erst mit der Zeit wird das Fleisch zart", erklärt der Fernsehkoch, der so etwas wie die kanadische Version von Tim Mälzer ist. Enzyme machen in zwei bis drei Wochen aus zähem nach und nach zartes Fleisch mit intensiverem Geschmack und anderer Textur.

Der smarte Enddreißiger ist kulinarischer Reiseführer im Beef Country in der Provinz Alberta: Die Region ist ein Paradies für Steakliebhaber. Dort wird aus Angus- und Hereford-Rindern durch Zucht und ausgefeiltes Futter bestes Prime Beef. Nur gut zwei Prozent der geschlachteten Tiere erreichen die Topqualität, die sich hervorragend zur traditionellen Reifung am Knochen eignet.

Sein deutscher Kollege Hendrik Maas lässt dem Fleisch noch mehr Zeit. Der 27-Jährige flog in die USA, besuchte Metzger und Steakhäuser, die Prime Beef selbst reifen lassen, um das Geheimnis der traditionellen Methode kennenzulernen. Für das "Side Hotel" in Hamburg entwickelte er mit dem "[m]eatery" ein spezielles Steakhaus. Für 60 000 Euro entstand hier eine pflegeleichte Reifekammer. Bis zu acht Wochen reift das Fleisch bei konstant 1 Grad Celsius und 93 Prozent Luftfeuchtigkeit. Getönte Scheiben halten Licht fern - "damit das Fleisch nicht schimmelt".

Der Aufwand hat seinen Preis. 58 Euro kostet bei Maas ein 700 Gramm starkes T-Bone-Steak. "Dabei gehen zuvor rund 40 Prozent durch Feuchtigkeitsverlust und Parieren verloren", sagt er. Im Infrarot-Ofen wird das Steak bei 800 Grad schockerhitzt, um die Proteine der äußeren Zellen blitzschnell zu karamellisieren. Die sogenannte Maillard-Reaktion sorgt für die wohlschmeckende Kruste. Viele Beilagen braucht es nicht: "Selleriepüree passt mit seiner nussigen Note gut dazu oder ausgebackene krosse Zwiebelringe", sagt Maas.

Acht Wochen Lagerung: Das klappt nicht mit jedem Rind, sagt Heinrich Höper von Delta Fleisch in Hamburg. Das Unternehmen beliefert deutschlandweit Restaurants mit am Knochen gereiftem Rind. Meist werden Färsen vom Husumer Weiderind geschlachtet. "Nur eines von 300 Tieren hat die Größe, die Marmorierung und den richtigen Fettanteil, der eine so lange Lagerung zulässt."

Am Knochen gereiftes Rind bleibt so trotz wachsender Nachfrage ein Nischenprodukt. "Viele Verbraucher kennen nicht mehr den intensiven, nussigen Geschmack und die zarte Struktur von am Knochen gereiftem Rindfleisch", sagt Maas. "Man merkt den Unterschied nicht nur an der Farbe. Wenn man das Fleisch schneidet, hält es den Saft, und auch beim Salzen passiert nichts." So komme es saftig auf den Tisch.

Wer es probiert, kann da nur zustimmen und freut sich über die Tradition.