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Späte Kinder Späte Kinder: Wenn Papa und Mama für die Großeltern gehalten werden

Von Lisa Harmann 08.12.2015, 12:35
„Ist das deine Mama oder deine Oma?“
„Ist das deine Mama oder deine Oma?“ imago/Westend61 Lizenz

Wenn sich Paare erst spät für Kinder entscheiden, dann  kann das neben dem biologischen Risiko auch im Alltag zur Herausforderung werden – es birgt aber in manchen Familien auch Chancen. In seinem Buch Späte Kinder – Vom Aufwachsen mit älteren Eltern porträtiert Autor Eric Breitinger die Kinder später Eltern.

Fünf von ihnen stellen wir hier vor:

Paul wurde von seinen Geschwistern groß gezogen

Pauls Eltern hatten kaum Kraft, sich um ihn, den jüngsten Nachzügler, zu kümmern. Seine drei älteren Geschwister mussten darum öfter für sie einspringen. Zu seinen Eltern fand Paul nie einen Draht. „Vielleicht waren sie schon zu alt  und zu müde.“

Paul dufte nie jemanden zum Spielen mitbringen. Die Mutter wurde depressiv, die Kinder rückten näher zusammen. Sein Bruder half ihm beim Anziehen, brachte ihn zum Kindergarten. Paul sagt: „Ich habe vieles nicht bekommen, was ein Kind braucht.“

Susanna wurde von ihrem Vater gerettet

„Sein Alter hat mich gerettet.“ Die 22-jährige Susanna* hätte ohne die Gelassenheit und Fürsorge ihres Vaters eine Krise nicht überstanden. Sechs Jahre war diese nun her. Sie hätte sich nur leicht abstoßen müssen, als sie auf der Autobahnbrücke saß. Sie fühlte sich von der Mutter nicht verstanden. Doch dann kam eine Freundin, die sagte: „Ich springe auch, wenn du springst.“ Sie sprangen nicht.

Nach dieser Krise zog Susanna zu ihrem 51-jährigen Vater, die Eltern waren getrennt. „Er war meine Rettung, sonst wäre ich nicht mehr da“, sagt sie. Susanna glaubt, dass er wegen seines Alters Fähigkeiten hatte, die den jungen Vätern ihrer Freundinnen abgingen. Seine älteren Kinder schilderten ihn strenger. „Das Alter hat ihn gelassener gemacht.“

Mit neun Jahren verlor Johannes seinen Vater

„Der Verlust prägt mich bis heute.“ Johannes verlor seinen Lebensmut, als sein Vater mit 76 Jahren starb. Sein letzter Wunsch an den Sohn: „Kümmer' dich um deine Mutter“. Da war Johannes neun.

Seine Mutter fiel in eine Art Schockstarre. Auch sie war ab da nicht mehr erreichbar für ihn. Erst nach dem Tod der Mutter fühlt er sich frei. Jetzt konnte er beginnen, sein eigenes Leben zu leben.

Nadine musste neben dem Baby die Eltern pflegen

„Ich fühle mich für meine Eltern verantwortlich“, sagt Nadine. In ein paar Wochen würde ihr erstes Baby kommen. Als jüngste von drei Geschwistern kümmerte sich die 31-jährige aber vor allem um die Pflege der betagten Eltern, die beide auf Hilfe angewiesen waren.

Sie war die einzige, die noch in ihrer Nähe wohnte. Als Nachzüglerin lebte sie im Spagat zwischen eigenem Kind und der Betreuung der Eltern.

Günther hat viel Unterstützung von den Eltern erfahren

„Meine Eltern hielten immer zu mir.“ Günthers Mutter war bei seiner Geburt 40, der Vater 45. Die Tochter bereits 19 Jahre alt. Heute ist er selbst 66 und sagt, seine Eltern hätten ihn als politisch aufmüpfigen, unkonventionellen Sohn stets unterstützt. Der Vater sagte : „Was kann ein Kind durch Hiebe lernen, was es durch Liebe nicht begreift?“

Seine Eltern hielten immer zu ihm, auch als er sagte,dass er mal Männer und mal Frauen mit nach Hause bringen werde, weil er sich in beide Geschlechter verliebe. Sie standen hinter ihm. Seine Mutter wurde 99.

*Einige Namen wurden vom Autor verfremdet