Soziale Berufe Soziale Berufe: Ergotherapeuten machen Patienten wieder selbstständig

Hamburg/Düren/dpa. - Es die Aufgabevon Ergotherapeutin Baumgarten, Thomas fit für die Schule zu machen.Ergotherapeuten versuchen, ihren Patienten die Selbständigkeit imAlltag zurückzugeben.
Simone Baumgarten behandelt Thomas mit einem Spiel - einemeinzigen wohlgemerkt. «Ich muss seine Aufmerksamkeit darauf lenken,weil er Reize nicht filtern und nicht deuten kann, was wichtig istund was nicht.» Sie arbeitet in einer Praxis für Ergotherapie und istVorsitzende der Landesgruppe Hamburg des Deutschen Verbands derErgotherapeuten (DVE).
Berufsanfänger sollten sich darüber im Klaren sein, dassErgotherapie an die Substanz geht - beispielsweise bei der Behandlungvon Behinderten, Unfallopfern oder Schlaganfallpatienten, dieGrundlegendes wie Essen oder Waschen mühsam neu erlernen müssen. «Der Beruf kostet sehr viel Kraft und ist wie alle therapeutischen Berufeauch für die Seele sehr anstrengend», sagt Baumgarten.
Großes Durchhaltevermögen betrachtet auch Peter Lindner als einefür Ergotherapeuten unentbehrliche Eigenschaft. «Wer aber die erstendrei bis fünf Jahre übersteht, der bleibt auch in dem Beruf», sagtder Leiter der Ergotherapieschule an den Rheinischen Kliniken inDüren (Nordrhein-Westfalen).
Ergotherapeuten arbeiten in Krankenhäusern, Reha-Kliniken,Pflegeheimen, bei mobilen sozialen Diensten oder in Praxen.Orthopädie, Unfallheilkunde, Rheumatologie, Psychosomatik, Geriatrieoder Pädiatrie sind nur einige Beispiele der vielen medizinischenArbeitsbereiche. «Mindestens vier Pflichtpraktika müssen die Schülerin diesen funktionellen Bereichen absolvieren», sagt Lindner.
Nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der möglichen Aufgaben dauertdie Ausbildung an einer der rund 130 privaten und 40 staatlichenErgotherapieschulen in Deutschland drei Jahre. An den meisten Schulenmüssen die Azubis bis zum staatlich anerkannten Abschluss monatlichein Schulgeld zahlen. «Das kann von 30 Euro Materialgeld bis zu 600Euro und mehr gehen», sagt Baumgarten. «An den Schulen, die wenigoder nichts kosten, ist es schwierig, einen Platz zu bekommen.»
Als öffentliche Einrichtung erhebt beispielsweise das Institut inDüren kein Schulgeld. «Wir haben bis zu 800 Bewerbungen für 20Plätze, weil wir nichts kosten», sagt Lindner. Formal reicht dieRealschule oder ein Hauptschulabschluss und eine abgeschlossenezweijährige Berufsausbildung, um an einer Berufsfachschuleaufgenommen zu werden. Fachliche Erfahrung ist aber ein Pluspunkt -sei es die Pflege von behinderten Verwandten oder der Kontakt mitalten Menschen im Zivildienst.
«Wir schauen uns sehr gründlich an, wie der Bewerber seinenBerufswunsch begründet», erklärt Lindner. Auch gute Noten in sozial-und naturwissenschaftlichen Fächern können von Vorteil sein. NebenEinzelgesprächen sind in Düren ein Intelligenz- sowie einPersönlichkeitstest und Gruppengespräche Teil des Auswahlverfahrens.«Standardisiert für alle Schulen ist das allerdings nicht.»
Ein Standard, der bei der Schulauswahl eine Rolle spielen sollte,ist das Zertifikat der World Federation of Occupational Therapists(WFOT). «Clevererweise achten diejenigen auf das Zertifikat, diespäter einmal im Ausland arbeiten wollen», rät Lindner. Für dieQualität der Lehre bürgt laut Baumgarten sonst auch dasDVE-Zertifikat.
Die Ausbildung an sich ist bundesweit einheitlich geregelt. Nichtnur ureigene ergotherapeutische Behandlungsverfahren werdenvermittelt. Als erstes stehen neben medizinischen Grundlagen wieGesundheits- oder Arzneimittellehre auch Pädagogik oder Psychologieauf dem Lehrplan.
Nach der Ausbildung können sich Ergotherapeuten perFachhochschulstudium zum Beispiel zum Diplom-Ergotherapeutenfortbilden. Wer Abitur hat, kann den FH-Abschluss auch zeitgleich mitder Schulausbildung machen. Master-Studiengänge werden häufig imbenachbarten Ausland angeboten. «Beim Studium geht es Ergotherapeutenvor allem darum, die Wirkungsweise der Behandlungsmethodenwissenschaftlich zu belegen», sagt Baumgarten.
Die meisten Ergotherapeuten arbeiten als Angestellte. IhrEinkommen richtet sich häufig nach dem Tarifvertrag für denöffentlichen Dienst (TVöD). Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeitverdient ein Berufsanfänger in der Entgeltgruppe 6 monatlichmindestens 1764 Euro brutto, 1658 Euro in Ostdeutschland. In dieserGruppe bieten sich Entwicklungsmöglichkeiten bis rund 2300 Euro.Einkommen werden aber auch unabhängig von Tarifverträgen vereinbart -vor allem in Praxen. Dort werden laut DVE trotz Budgetierungen imGesundheitsbereich immer noch neue Arbeitsplätze geschaffen.
Thomas kommt seinem Ziel immer näher: Bis zu seiner Einschulungwill er es schaffen, 45 Minuten aufmerksam zu bleiben. Nach 30Sitzungen kann er sich nun bereits 20 Minuten am Stück konzentrieren.«Ganz ohne Medikamente», sagt Simone Baumgarten.