Selbstmord in Familie: Kinder nicht alleine lassen
Bayreuth/dpa. - Suizid ist noch immer ein Tabu-Thema. Angehörige sind oft nicht in der Lage, ihren Kindern die Wahrheit zu sagen. Zum Welt-Suizid- Präventionstag fordert die Organisation «Angehörige um Suizid» einen offeneren Umgang mit dem sensiblen Thema.
Kinder brauchen bei einer Selbsttötung in ihrem familiären Umfeld ganz besondere Unterstützung. «Es ist besser, Kindern die Umstände eines Suizids nicht zu verheimlichen», sagte Elisabeth Brockmann von der Organisation «Angehörige um Suizid» (AGUS). «Es ist wichtig, Kinder nicht alleine zu lassen, sondern sie in ihrer Trauer zu begleiten», betonte die Bundesgeschäftsführerin vor dem Welt-Suizid-Präventionstag am 10. September. Kindern müsse die Gelegenheit gegeben werden, offen ihre Gefühle, Gedanken und Fragen zu äußern.
In Deutschland sterben jährlich rund 10 000 Menschen durch Suizid. Das sind doppelt so viele wie durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass jeder Suizidtote fünf bis sieben Angehörige hinterlässt.
«Die Trauer von Kindern wird erst seit wenigen Jahren wahrgenommen, die speziellen Probleme nach einem Suizid sind fast noch Neuland», sagte die Diplom-Sozialpädagogin in Bayreuth. Ursache dafür sei, dass Erwachsene auf eine Selbsttötung mit Fassungslosigkeit reagieren. «Trotz unserer Lebenserfahrung können wir diesen Tod nicht einordnen, es fehlen uns die Worte.» Deshalb seien Erwachsene oft hilflos und unsicher, Kindern die Hintergründe des Geschehens altersgerecht zu erklären.
Oft verheimlichen Eltern und Verwandte Kindern die wahre Todesursache nach einem Selbstmord. «Es ist nachvollziehbar, Kinder vor dem Entsetzlichen schützen zu wollen, aber das Entsetzliche ist schon passiert und die Kinder spüren das.»
Am schlimmsten ist es der Expertin zufolge, wenn Kinder ausgeschlossen und belogen werden. Das führe ebenso zu einem Vertrauensverlust wie wenn sie von Außenstehenden - zum Beispiel Schulkameraden - angesprochen würden etwa mit der Frage «Dein Vater hat sich doch erhängt, oder?». Brockmann: «Kinder vom Thema Suizid auszuschließen heißt, dass man sie damit alleine lässt.» Angenehme Erinnerungen zu behalten und liebevoll über einen Verstorbenen zu sprechen, trage dazu bei, den Toten in seiner Gesamtheit zu sehen. So könne eine langfristige Trauerverarbeitung eingeleitet werden.
Den Welt-Suizid-Präventionstag hat die Weltgesundheitsorganisation 2003 ins Leben gerufen und weltweit auf den 10. September gelegt. Das diesjährige Motto lautet «Viele Gesichter, viele Plätze: Suizidprävention weltweit». In der Hauptkirche St. Jakobi in Hamburg findet am 10. September eine zentrale Gedenkfeier für die durch Suizid Verstorbenen statt. Veranstaltungen sind unter anderem auch in Berlin, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, München und Münster geplant.