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Analog statt digital Sechs Brettspiele für Videogames-Zocker

Die Wahl zum „Spiel des Jahres“ zeigt einen Trend auf: Video- und Brettspiele kommen sich immer näher. Neben „Dorfromantik“ locken auch andere analoge Spiele Bildschirm-Zocker an den Tisch.

Von Benjamin Siebert und Florian Lütticke, dpa Aktualisiert: 22.01.2024, 17:00
Das Legespiel „Dorfromantik“ gab es zunächst als PC-Spiel und wurde dann erfolgreich als Brettspiel veröffentlicht.
Das Legespiel „Dorfromantik“ gab es zunächst als PC-Spiel und wurde dann erfolgreich als Brettspiel veröffentlicht. Pegasus Spiele/dpa-tmn

Berlin - Was auf dem Bildschirm fasziniert, funktioniert oft auch auf dem Tisch: Beliebte Computerspiele werden immer häufiger zu erfolgreichen Brettspielen. In „Dorfromantik“ und „Challengers!“ gewannen in diesem Jahr gleich zwei Titel mit digitalen Vorbildern die begehrten Preise „Spiel des Jahres“ (Dorfromantik) und „Kennerspiel des Jahres“ (Challengers).

Für Jens Junge ist das kein Zufall. „Ein gutes Spiel im Digitalen ist auch leicht zu transferieren, wenn man den Geist, den Spirit mit rübernimmt“, sagt der Leiter des Instituts für Ludologie (Spielwissenschaft) in Berlin. „Wir merken, wie beide Welten immer weiter zusammenwachsen.“

Zwei Tendenzen, die verschwimmen

Waren Videospiele vor einigen Jahren noch eher für eine oder zwei Personen und Brettspiele tendenziell auf gesellige Runden ausgelegt, so verschwimmen diese Tendenzen in Zeiten von Online-Gaming und Solo-Brettspielen immer mehr. Auch die Vielfalt der unterschiedlichen Genres innerhalb der Welten ist ähnlich. Es gibt jeweils Belohnungen für Fortschritte im Spiel und selbst freizuschaltende Inhalte sind bei Brettspielen keine Seltenheit mehr.

„Ich denke schon, dass sich die verschiedenen Games auch gegenseitig immer wieder beeinflussen können“, prophezeit auch Zwi Zausch von Toukana Interactive. Das Berliner Studio entwickelte „Dorfromantik“ zunächst als PC-Spiel. Und schon digital sah das erfolgreiche Spiel wie ein klassisches Legespiel aus. Das prämierte Brettspiel transferierte das Spielerlebnis dann später auf den Tisch.

„Wenn eine Mechanik aus einem Spiel übertragbar in die analoge Welt ist, dann hat es immer Potenzial“, sagt Spieleentwickler Zausch. „Ich glaube, das wird auch mehr und mehr gemacht. Das sehen wir bestimmt noch öfter.“

Sechs empfehlenswerte Brettspiele für Videospiel-Fans - sortiert nach Komplexität:

Für Tetris-Fans: „Project L“

Das Videospiel „Tetris“ lässt grüßen: Die bunten, hochwertigen Polyomino-Steine, die hier zu möglichst vielen Puzzlen geschickt zusammengesetzt werden müssen, erinnern an den bekannten Klassiker aus den 80er-Jahren. Für jede erfüllte Form gibt es als Belohnung ein neues, meist größeres Puzzleteil und normalerweise auch Siegpunkte. Zudem können die Steine im Spielzug auch aufgewertet werden.

Bei „Project L“ müssen alle am Tisch zwar leicht vorausplanen, aber die Regeln und der Einstieg sind absolut leichtgängig. Auch wenn es kaum Interaktion gibt, besticht das Spiel durch Kurzweiligkeit und das schlicht-schicke Spielmaterial.

Für Kombinierer: „Unlock! Game Adventures“

Die seit einigen Jahren erhältliche „Unlock!“-Reihe kombiniert auf clevere Weise Elemente aus klassischen Point-and-Click-Adventures wie „Monkey Island“ und Escape-Räumen. Dabei werden Karten miteinander kombiniert und vereinzelt müssen auch versteckte Zahlen gesucht werden. Eine kostenlose App ist Voraussetzung. Das technische Hilfsmittel wird sinnvoll und mit überraschenden Interaktionen eingesetzt.

Die neueste Box der „Game Adventures“ macht eine witzige Meta-Ebene auf: Die drei Abenteuer orientieren sich inhaltlich an den modernen Brettspiel-Klassikern „Zug um Zug“, „Mysterium“ und „Pandemic“. Starke Geschichten, knackige aber lösbare Rätsel.

Für Aufbau-Strategen: „Anno 1800“

Bei der Brettspielumsetzung der beliebten Computerspielreihe Anno geht es darum, die Bedürfnisse der Bevölkerung nach erst einfachen und später ausgefalleneren Gütern zu befriedigen. Der Schwerpunkt der komplexeren Wirtschafts-Simulation liegt auf den Produktionsketten: Industrien produzieren mit Hilfe von Arbeitern Ressourcen, womit neue Industrien geschaffen werden.

Wie im PC-Spiel kann auch die eigene Insel vergrößert und neue Inseln entdeckt werden - dieser Aspekt steht analog jedoch weniger im Mittelpunkt als digital. Auch Konflikte und das Thema Kolonialismus werden ausgespart. Am Ende ist es ein Wettrennen, um die eigene Insel als Zentrum der Industrialisierung zu etablieren.

Für Erwachsene: „This War of Mine - Das Brettspiel“

Nicht immer schaffen es Brettspiel-Ableger von Videospielen das Gefühl des Originals auch an den Tisch zu bringen. „This War of Mine - Das Brettspiel“ vermittelt den Spielenden jedoch die gleiche Beklemmung der Anti-Kriegs-Simulation.

Im Fokus steht keine besondere neue Mechanik, sondern die Geschichte: Das gemeinsame Überleben von Zivilisten im Krieg. In einzelnen Episoden eines Storybuchs stehen die Spielenden vor teils drastischen Entscheidungen - kein Spiel für jeden Abend oder jede Stimmung. Daher ist es auch erst für Erwachsene empfohlen.

Für Fußball-Manager: „Eleven“

Den eigenen Verein zu Ruhm und Titeln führen - in „Anstoss“ oder der „Fussball Manager“-Reihe konnten Fans dies vor dem Bildschirm schon lange. Auch in „Eleven“ wird das beste Team zusammengestellt, das Stadion ausgebaut, Werbefläche verkauft und am Wochenende eine Partie absolviert.

Auch ohne offizielle Lizenz und damit ohne originale Spieler- und Vereinsnamen kommt echtes Managergefühl auf. Nicht nur der Tabellenplatz entscheidet dabei über den Sieg, sondern beispielsweise auch ein ausgebautes Stadion und erfolgreiche Jugendarbeit. Die Interaktion mit den Mitspielenden ist relativ gering, so dass „Eleven“ auch sehr gut solo gespielt werden kann.

Für Zivilisations-Gründer: „Through the Ages“

Rundenbasierte Zivilisationsspiele sind seit mehr als 30 Jahren ein absoluter Klassiker der Computerspiel-Geschichte. Unter den Brettspielen ist „Through the Ages“ ein herausragender Vertreter dieses Genres. Die Spielenden entwickeln ihre Zivilisation über bis zu drei Zeitalter von der Antike bis in die Gegenwart.

Das sehr komplexe Spiel richtet sich an Experten und wird über Karten gesteuert. Sogenannte Wunder können gebaut werden, historische Anführer verleihen den Spielenden besondere Fähigkeiten und Vorteile. Ein komplettes Spiel mit mehreren Spielenden kann auch schon mal über sechs Stunden und mehr gehen, es gibt aber auch kürzere Varianten.

Service:

„Project L“: Autoren Jan Soukal, Michal Mikeš und Adam Španěl, Boardcubator/Asmodee, ab 8 Jahren, für 1-4 Spielende, Spieldauer ca. 30 Minuten, Preis ca. 29 Euro

„Unlock! Game Adventures“: Autoren Thomas Cauët, Mathieu Casnin und Jeremy Koch, Space Cowboys/Asmodee, ab 10 Jahren, für 1-6 Spielende, Spieldauer ca. 60 Minuten, Preis ca. 32 Euro

„Anno 1800“: Autor Martin Wallace, Kosmos, für 2 bis 4 Spieler, ab 12 Jahren, Spieldauer 120 Minuten, Preis ca. 40 Euro

„This War of Mine - Das Brettspiel“: Autoren Jakub Wiśniewski und Michał Oracz, Galakta/Heidelbär Games, ab 18 Jahren, für 1-4 Spielende, Spieldauer 45 bis 120 Minuten, Preis ca. 50 Euro

„Eleven“: Autor Thomas Jansen, Portal Games, ab 14 Jahren, für 1-4 Spielende, Spieldauer 90 bis 180 Minuten, Preis ca. 45 Euro

„Through the Ages“: Autor Vlaada Chvátil, Czech Games Edition/Heidelbär Games, ab 14 Jahren, für 2-4 Spielende, Spieldauer 120 bis 360 Minuten, Preis ca. 55 Euro