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Schleswig-Holstein wird Weinbauland

20.05.2009, 09:42

Grebin/dpa. - Mosel, Rheingau - Schleswig-Holstein: Die Liste der deutschen Weinbaugebiete ist um das nördlichste Bundesland reicher. 25 Kilometer vom Ostseestrand entfernt hat ein Winzer die ersten Rebstöcke für professionellen Weinanbau pflanzen lassen.

In Grebin bei Plön, ließ Winzer Steffen Montigny am Dienstag (20.5.) 5300 der Pflanzen setzen. Bislang gab es im Land zwischen den Meeren nur einige Mini-Hobby-Winzer. Wenn alles klappt, soll in der Holsteinischen Schweiz 2011 der erste «Nordwein» abgefüllt werden. Die Verschiebung der Anbaugrenze geht damit in Deutschland weiter, nachdem das Stargarder Land in Mecklenburg-Vorpommern und ein kleiner Weinbauer an der Elbe in Hamburg bislang als nördlichste Exoten galten. Der nördliche Nachbar Dänemark ist noch weiter, nämlich von der EU als Qualitätswein-Land anerkannt.

Möglich machte den Aufstieg Schleswig-Holsteins zum Weinland Rheinland-Pfalz, das Pflanzrechte für 10 Hektar abtrat. Zum Vergleich: Rheinhessen als Nr.1 in Deutschland hat mehr als 26 000 Hektar. «Schleswig-Holsteinischer Landwein» kommt künftig aus dem Norden, das ist immerhin eine Qualitätsstufe höher als Tafelwein. Alle Anforderungen an Temperatur, Sonnenscheindauer (wie im Rheingau) und Regenmenge sind erfüllt. Folglich ist der Anspruch der Winzer-Pioniere aus dem Norden durchaus hoch: Kein billiges «Ackergold» wollen wie erzeugen, sondern Wein beachtlicher Qualität.

Weder Riesling noch Gutedel oder Grauburgunder sollen zwischen Ostseeküste und Plöner See gedeihen - Solaris, Johanniter, Felicia und Muscaris heißen die Exoten, die Winzer Montigny aus der mehr als 100 Rebsorten umfassenden deutschen Weißwein-Liste für sein zwei Hektar großes Mini-Gut ausgewählt hat. «Das sind pilzresistente Sorten, eher frühreif und gut geeignet für den Standort», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. «Mit Sicherheit kann man dort Weine von gutem Niveau produzieren.» Wenn es im Norden zu Scholle, Dorsch oder Zander also ein heimisches Getränk sein soll, muss es nicht mehr nur Bier aus Flensburg oder Dithmarschen sein.

Schon vor über einem halben Jahrtausend hatte eine Wärmeperiode Weinanbau im Ostseeraum ermöglicht, bevor es zu kalt wurde. «Wir haben heute in Deutschland 100 000 Hektar, einst waren es dreimal so viel», sagt Büscher. Nun lässt die globale Erwärmung wieder mehr zu. «In den letzten 20 Jahren ist es in den deutschen Weinbaugebieten um 1 Grad wärmer geworden», sagt Büscher. Aus weinbaulicher Sicht sei Deutschland zumindest derzeit ein Gewinner des Klimawandels.

«Terra Altmühlen» soll der Tropfen heißen, den Montigny (49) - er baut seit 25 Jahren an der Nahe Wein an - über eine norddeutsche Kellerei vermarkten will. Wo auf einem Hektar Rebstöcke stehen, wuchsen vorher Gras und Obstbäume. «Wir haben leicht erwärmbaren Sandboden», schildert Montigny. Er hofft auf eine Produktion von 7000 bis 8000 Flaschen je Hektar. «Das ist eine echte Herausforderung, auf unbekanntem Boden guten Wein zu machen. Wir werden die Skeptiker im Süden mit unseren Qualitäten überraschen.»

Im nächsten Jahr will der Winzer auch mit Rotwein loslegen. Dies wagt wenige Kilometer weiter, in Malkwitz bei Malente, auch Kooperationspartner Frank Thiedemann, der bisher vor allem Erdbeeren anbaut. Er betreibt mit drei Hektar das größte Weingut im Norden und begann ebenfalls am Dienstag mit dem Pflanzen. Weißen Solaris sowie roten Regent und Cabernet Cortis hat er im Programm.

Noch sind die Anbau-Genehmigungen vorläufig, endgültig werden sie Ende des Monats mit Veröffentlichung im Gesetzblatt. Die Zahl der Genehmigungen kann sich noch auf sieben erhöhen. Erst vor einem Monat hatte das Kabinett von Ministerpräsident und Württemberger-Liebhaber Peter Harry Carstensen (CDU) eine Weinbauverordnung abgesegnet.

Dass Weinbau hier funktioniert, wissen zwei Pioniere schon. Am Westensee bei Kiel experimentieren auf Gut Deutsch-Nienhof Gutsbesitzer Sven von Hedemann-Heespen und Unternehmer Dieter Profitlich seit 2001 auf einer Mini-Fläche. Sie warten jetzt auf eine offizielle Genehmigung für zwei Hektar und wollen spätestens 2010 die ersten Flaschen präsentieren. Profitlich ist zuversichtlich: «Es besteht hier die Chance, auch ökologischen Anbau zu machen.»