Schildkröten Schildkröten: Überwintern im Kühlschrank

Rheinbach/Bonn/dpa. - Egal ob Land- oder Wasserschildkröten:Wer sie halten will, sollte sich klar machen, dass die wechselwarmenPanzerträger sensibler sind, als es zunächst erscheinen mag.
Gerade für Wasserschildkröten endet das Missverhältnis bei vielenHaltern zwischen Erwartung und Wirklichkeit allzu oft in nächstenFeuchtbiotop - lange bevor sie mit 20 bis 30 Zentimetern Größeausgewachsen sind. Zwar sehen die grünen Krötchen am Anfang niedlichaus, wenn sie kaum größer als die alten Fünfmarkstücke sind. DochArten wie die nordamerikanischen Rotwangen-, Gelbwangen- oderCumberland-Schmuckschildkröten sind einem Goldfischglas schnellentwachsen. Dann trüben die Endprodukte ihres Stoffwechsels dasWasser und den Spaß der Besitzer.
Nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbunds in Bonn gehören Wasser- ebenso wie Landschildkröten grundsätzlich nicht in Privathaushalte.«Es ist spezifisches Wissen notwendig, um solche Tiere zu halten»,sagt Sprecher Steffen Seckler. So stellen die wechselwarmen Tierebesondere Anforderungen an das Futter, das Klima und die Ausstattungihres Lebensraumes.
Auch die endgültige Größe der Schildkröten wird laut Seckler oftnicht bedacht. Selbst wer alle Bedürfnisse der Reptilien befriedigt,hat früher oder später ein Problem: das Alter der Tiere: Wer sich fürSchildkröten entscheidet, sollte wissen, dass er sein Leben lang fürsie sorgen muss - und möglicherweise von ihnen überlebt wird.
Andreas Hennig von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie undTerrarienkunde (DGHT) in Rheinbach (Nordrhein-Westfalen)widerspricht: «Natürlich können Schildkröten in Privathaushaltengepflegt werden.» Allerdings sei in der Tat spezifisches Wissen fürdie richtige und artgerechte Pflege nötig.
«Wasserschildkröten werden bei weitem nicht so alt wieLandschildkröten. Bei vielen Arten sollte man von "nur" rund 30Jahren ausgehen», sagt Andreas Hennig. «Anfänger sollten sich dahergenau über die Ansprüche der jeweiligen Art informieren», sagt ThomasVinke, Buchautor und Experte für Landschildkröten. Vinke, der inParaguay lebt, rät Neulingen vor allem zu europäischen Arten wie derGriechischen und der Maurischen Landschildkröte sowie zur Breitrand-und der aus Kasachstan in Zentralasien stammenden Steppenschildkröte.
«Mitbewohner» werden diese Arten aber nicht: Sie brauchen nachtsniedrigere Temperaturen als tagsüber. Das geht in der Wohnung kaum,denn dort ist es nachts in der Regel nicht viel kälter als bei Tag.Vinke rät zur Freilandhaltung im ausbruchsicheren Gehege. Bei derGriechischen Landschildkröte sind rund 40 Quadratmeter Garten nötig,um einem Männchen und seinem Harem aus zwei bis drei Damen eineartgerechte Spielwiese zu bieten. Gruppenhaltung wird generellempfohlen. Das Gehege muss ein Gewächshaus oder ein Frühbeet mitWärmestrahler haben, damit die Schildkröten kalte Tage überstehen.
Bei der Ernährung werden laut Thomas Vinke oft Fehler gemacht: Zuviel Obst ist nicht gesund, Fleisch gehört nicht auf den Speiseplander gepanzerten Reptilien, dafür aber Wiesenkräuter und Salate. Undnach dem Essen sollten sich Schildkröten ein Sonnenbad gönnen können- denn: «Mit Hilfe von Sonnenlicht bauen sie Vitamine auf.»
Freunden von Wasser-Arten empfiehlt Andreas Hennig die GewöhnlicheMoschusschildkröte, die aus den USA stammt. Ihr Vorteil gegenüber derSchmuckschildkröte: Sie wird maximal 14 Zentimeter groß, und sie«verzeiht den einen oder anderen Anfängerfehler.» Ein Aqua-Terrariummit den Maßen 100 mal 40 mal 40 Zentimeter genügt ihr.
Nicht fehlen dürfen darin ein Landteil mit «Sonnenplatz» - einerkünstlichen Wärmequelle und UV-Licht -, wo die Tiere ihren Körper aufBetriebstemperatur bringen können. Auf dem Speisezettel derWasserschildkröten stehen beispielsweise Wasserflöhe, Mückenlarvenund Regenwürmer. «Auf jeden Fall sollte es abwechslungsreich sein»,sagt Andreas Hennig.
Alle genannten Arten fallen in der kalten Jahreszeit in eineWinterstarre. Diese verbringen die Panzerträger am besten in einermit Laub gefüllten Kiste in einem dauerhaft kühlen, ruhigen Raum, wosie nicht gestört werden. Nur einmal in der Woche müssen die dösendenReptilien auf eine Waage: Hat das Gewicht um mehr als 10 Prozentabgenommen, sollte ein Tierarzt zu Rate gezogen werden.
Fehlt ein kalter Keller, was in Neubauten die Regel ist, empfehlenExperten ein Winterquartier, das sich für Laien höchst ungemütlichanhört: ein Kühlschrank. Dieser sei im Prinzip eine Klimabox, erklärtHennig. Bei konstanten 4 bis 6 Grad halten es die Tiere gut bis zumnächsten Frühjahr aus - wenn der Halter regelmäßig lüftet und wiegt.
Informationen: Deutsche Gesellschaft für Herpetologie undTerrarienkunde, Postfach 1421, 53351 Rheinbach (Tel.: 02225/70 33 33, Internet: www.dght.de und www.ag-schildkroeten.de).
SERVICE-KASTEN: Aussetzen verboten
«Das Aussetzen von Wasserschildkröten ist streng verboten», sagtAndreas Hennig von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie undTerrarienkunde (DGHT) in Rheinbach (Nordrhein-Westfalen): Die fremdenReptilien sollen nicht in die heimischen Ökosysteme eindringen. Langeüberleben könnten sie aber ohnehin nicht: «Das Klima in Deutschlandist für nordamerikanische Schildkröten nicht geeignet», sagt Hennig.