1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. «Schattenhelden»: «Schattenhelden»: Wilde Alpenveilchen sind Lebenskünstler

«Schattenhelden» «Schattenhelden»: Wilde Alpenveilchen sind Lebenskünstler

Von Helga Panten 26.10.2005, 08:03

Bonn/dpa. - Sie wachsen auch an Standorten, an denen andere Pflanzenarten rasch die Köpfe hängen lassen würden. Wo Bäume wie Ahorn, Birke oder Sträucher mit dichtem Blätterdach stehen, ist der Boden im Sommer staubtrocken. Nur starker Regen sorgt hin und wieder kurz für Feuchtigkeit. Gewohnte «Schattenhelden» wie Astilben oder Funkien haben dort keine Chance. Sie wollen kühlfeuchte Standorte. Trockener Schatten verlangt Spezialisten, und zu diesen zählen die zarten Alpenveilchen.

Sie wachsen an solchen Orten fast ohne Pflege. Nur gut durchlässig und kalkhaltig sollte der Boden sein. Auch etwas Humus hin und wieder tut ihnen gut. Das Herbst-Alpenveilchen (Cyclamen hederifolium) erfreut dabei von September bis November mit seinen Blüten, das Vorfrühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum) von Februar bis April.

Ihre natürlichen Standorte rund um das Mittelmeer haben den nur 10 Zentimeter hohen Pflanzen einen Rhythmus aufgezwungen, der optimal zu den Bedingungen unter Bäumen passt. Dort schränkt der heiße, trockene Sommer pflanzliches Leben stark ein - genau zu dieser Zeit halten bei uns Bäume den Regen fern. Erst im Herbst fällt wieder Regen - dann wird auch bei uns das Blätterdach löchrig und fällt schließlich ganz.

Daher ziehen die Pflänzchen sich im Sommer in die Erde zurück. Die Herbstalpenveilchen «erwachen» dann im August: Plötzlich erscheinen Stängel mit spitzen Knöspchen, aus denen zierliche Blüten kommen. Meist sind sie rosafarben mit einem kräftigen roten Ring. Cyclamen coum wartet die kältesten Winterwochen ab. Liegt der Schnee besonders lange, lauern die roten Knospen darunter. Sobald die Temperaturen über dem Nullpunkt liegen, sind die karminrosafarbenen Blüten da.

Hummeln und auch Schwebfliegen freuen sich über den Pollen beider Arten, und bald sind die Blüten bestäubt. Danach fällt der Kranz der Blütenblätter ab. Nur die grüne Blütenhülle mit dem Fruchtknoten sitzt noch am Stängelende. Dieser rollt sich langsam auf, bis er wie eine Spirale die Frucht umschließt und fest an den Boden drückt.

Die Blätter erscheinen bei beiden Arten ein wenig verzögert nach Blühbeginn. Kleine silbrige Flecken schmücken das dunkelgrüne Laub von Cyclamen coum. Cyclamen hederifolium wird nach der Blüte zur Blattschmuckpflanze, wenn die herzförmigen Blätter mit ihrer dunklen und silbernen Marmorierung sich zu dichten runden Polstern wölben. Wird es im Frühjahr warm, ziehen die Blätter beider Arten rasch ein.

Auf der kahlen Fläche sind nun die aufgerollten Spiralen mit den dicken Früchten zu entdecken. Auch sie ruhen, bis das Leben in der Knolle sich erneut zu regen beginnt. Dann platzen sie und entlassen Samenkörner. Stört man sie nicht, wächst mit der Zeit ein ganzer Alpenveilchenteppich heran.