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«Ritters Weinstuben» in Merseburg «Ritters Weinstuben» in Merseburg: Eisbein im Säckchen

Von MICHAEL FALGOWSKI 15.04.2011, 17:07

Halle (Saale)/MZ. -

Die "Weinstuben" haben namentlich Tradition in Merseburg, doch Bau, Hotel und Küche haben nicht mehr viel gemein mit dem früheren Lokal. Vor über zehn Jahren schon wurde das alte Haus abgerissen, in seinem Stil ein neues erbaut. Der jetzige Chef des Hauses, Steffen Warias, begann vor drei Jahren behutsam mit einer Umstrukturierung der Küche. Es sei nicht ganz einfach gewesen, sei es auch im Moment noch nicht, erzählt er, obwohl das Gourmetrestaurant inzwischen seine Klientel gefunden habe. Die Küche neu aufzubauen nach seinen Vorstellungen sei damals die Bedingung gewesen für seinen Einstieg in die "Weinstuben", der gleichzeitig eine Heimkehr war.

Der 43-Jährige stammt aus Merseburg, im "Ratskeller" hat er die Grundlagen seines Berufes erlernt. Nach der Wende stellte er fest, dass es noch jede Menge Neues zu lernen gebe. "Schließlich bin ich noch mal losgegangen und habe im Fünf-Sterne-Restaurant im Schloss Reinhardtshausen angefangen - natürlich entsprechend der Küchenhierarchie." Steffen Warias' Karriere im Rheingau begann als Gemüseposten und endete als zweiter Küchenchef! Es folgten Stationen in einem Gourmetrestaurant in Storkow (15 Punkte im Gault Millau) und in Leipzig (14 Punkte).

Alles, was die Küche hergibt

Und nun also Merseburg. Es sei für ihn nicht ganz einfach gewesen, hier ein passendes Restaurant zu finden. Seine Ansprüche an sich und seine Küche hat Warias zwar nicht heruntergefahren, aber er hat sich bemüht, sie anzupassen an die hiesigen Gegebenheiten: "Ich habe erst sehr tief gestapelt und mich dann langsam gesteigert. In Mitteldeutschland ist das nicht ganz so einfach, weil die Strukturen noch nicht da sind. Aber ich möchte, dass die Leute extra wegen des Essens herkommen. Ich will Qualität anbieten, und ich möchte erklären, was ich mache. Ich glaube, das ist wichtig, wenn man ein solches Haus führt." Kommunikation ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Philosophie der "Weinstuben". Der Gast kann alles fragen. Und der Chef verspricht, alles möglich zu machen, was die Küche hergibt.

Auch bei Kindergerichten ist das so, die gar nicht eigens auf der Karte stehen. Unser Kind freilich ist mit wenig zufrieden. Die ausgesprochen nette und kompetente Bedienung bot mehrere Pastavarianten an: mit Käse, ohne Käse, mit Fleisch, ohne Fleisch - auch Nudeln pur wären möglich gewesen, wenn wir nicht schnell noch den Appetit des Kindes in Richtung Tomate gelenkt hätten. Glücklicherweise, denn eine so gute Sauce wurde uns vermutlich höchstens mal in Italiener serviert. Gutes Öl, gute Tomaten, Kräuter, Spaghetti al dente - das Kind konnte sich bei uns für die Auswahl bedanken. Überhaupt: Das Essen war köstlich, um es vorwegzunehmen. Es begann schon mit den "Grüßen des Hauses": Eine Thunfischcreme zu warmem Weißbrot, gebratenes Seelachsfilet mit Bärlauchschaum, der auf der Zunge zerging und nur zart nach dem kräftigen Kraut schmeckte. Da die Portionen nicht riesig sind, empfehlen sich mehrere Gänge. Als Entree unterscheidet die Karte zwischen Vorspeisen (etwas größere wie Tatar vom Hereford Prime Beef und Jakobsmuschel) und Anhaltiner-Tapas (eher kleine Portionen mit regionalen Zutaten, wie Mousse von der Müchelner Rauchforelle mit Thymian-Bisquit), derzeit kann außerdem zwischen zwei Suppen gewählt werden.

Wir entscheiden uns für Eisbeinstrudel mit Koriander und Erbspürree. Magere Eisbeinwürfel in einem Säckchen aus gebackenem Frühlingsrollenteig - obwohl das Fleisch geschmacklich noch zu erkennen war, hatte es nichts mit der landläufigen Zubereitung zu tun und schmeckte umwerfend; sechs Euro. Außerdem für Kaninchen und Kalbskopf, hauchdünn geschnitten, an Schwarzwurzelsalat für zehn Euro. Schwarzwurzeln haben saisonal ihre Berechtigung, geben freilich ansonsten nicht so viel her. Dazu eine kräftige Kalbsjus. Und wir genossen eine wunderbare Topinambur-Schaumsuppe mit einem mit Entenfleisch gefüllten Ravioli. Alsdann mussten wir uns entscheiden zwischen jeweils drei Fisch- und Fleischgerichten. Filet und Backe vom irischen Hereford Prime Beef (24 Euro) - butterweiches und perfekt medium gebratenes Fleisch, angerichtet mit Trüffeljus, Karotten, knackig gebackenen Kartoffelstreifen - waren eine Offenbarung. Die Perlhuhnbrust - wunderbar zart, vielleicht einen Hauch zu wenig gewürzt, aber dennoch sehr wohlschmeckend - wurde serviert mit einer aus kleinstgeschnittenen Zutaten bestehenden Ratatouille ("Wie macht er das nur", fragt sich der Hobbykoch bei diesem Anblick), gebackenen Ofentomaten und knusprigen Knoblauchkrapfen.

Karte wechselt alle drei Monate

Da die Superlative langsam ausgehen, sei lediglich bemerkt, dass das Dessert (Creme Brulèe von Ingwer und Limette mit Schokoladeneis) sich ebenbürtig einreihte. Drei süße Nachspeisen sowie eine französische Käseauswahl werden angeboten. Die Karte wechselt ungefähr aller drei Monate.

Das Weinangebot ist für eine "Weinstube" klein, aber gut. Es sind auch einige regionale Winzer im Angebot, zu denen jeweils ein kurzer Abriss in der Karte zu lesen ist. Unser Gutedel vom Weingut Böhme aus Gleina sowie der Cotes du Ventoux aus der Provence rundeten das Essen gut ab.

Natürlich haben Speisen, die so kreativ, aufwendig und hochwertig eingekauft und zubereitet werden, ihren Preis. "Ich versuche schon, nicht so weit hoch zu gehen", sagt Steffen Warias, verweist dabei aber auf den Zeitaufwand bei immer frischer Zubereitung der Speisen. Deren Zutaten kauft er wenn möglich in der Region, Fleisch und Fisch kommen meist von einem Spezialitätenhändler aus Berlin.

Aber man schmecke das Besondere dann eben auch: "Zum Beispiel beim Havelländer Apfelschwein. Es wird mit Apfeltrester gefüttert, welcher wiederum für eine Enzymbildung im Fleisch sorgt, die dieses besonders locker werden lassen." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ritters Weinstuben

Adresse: 06217 Merseburg, Große Ritterstraße 22
Telefon: 03461/33660
E-Mail: [email protected]

Öffnungszeiten: Montags Ruhetag, Dienstag bis Freitag 11.30 - 14.00 und 17.00 - 22.00 Uhr, Samstag 17.00 - 22.00 Uhr, Sonntag 11.30 - 14.00 und 17.00 - 22.00 Uhr