Riesling schreibt 2007 Geschichte: Lange Vegetationszeit
Wiltingen/dpa. - Der Riesling an der Mosel wird 2007 in die Weinbaugeschichte eingehen: Seit mehr als einem Jahrhundert reiften die Trauben nicht mehr so lange an den Rebstöcken wie in diesem Jahr.
«Es ist eine der längsten Vegetationszeiten, die es bisher gab», sagt Mosel-Weinbaupräsident Adolf Schmitt in Wiltingen (Rheinland-Pfalz). In der Regel rechneten die Winzer nach der Blüte bis zur Ernte mit 100 Tagen. «Weil die Blüte in diesem Jahr so früh war, waren die 100 Tage Anfang September schon um.» Und da die Lese der Rieslingtrauben im fünftgrößten deutschen Weinanbaugebiet wegen des trockenen und sonnigen Herbstwetters in den Steillagen erst Anfang bis Mitte Oktober starte, «hängen die Trauben vier bis sechs Wochen länger als sonst», sagt Schmitt.
Die Freude darüber bei den Winzern ist groß, denn je länger die Trauben im Weinberg hängen, desto mehr Zeit haben sie, Mineralstoffe aus den meist schieferhaltigen Böden einzulagern. «Das ergibt eine Intensität der Aromen, wie ich sie noch nie erfahren haben», sagt Winzer Roman Niewodniczanski vom Weingut «Van Volxem» in Wiltingen an der Saar. Die einzelnen Weinbergslagen könnten 2007 noch stärker herausgearbeitet werden, «weil die Rebe mehr Zeit hat, sich selbst zu reflektieren». Über ihre teils zehn Meter tiefen Wurzeln ziehen die Reben Salze aus Böden und Gesteinen, lagern sie ein - und verleihen dem Wein einen besonderen mineralischen Geschmack.
Das Wetter 2007 sei «wie ein Sechser im Lotto für den Steillagenwinzer gewesen», sagt der Winzer. Der frühe Austrieb und die Blüte Ende Mai, ein nasser Sommer und schließlich kalte Nächte in einem trockenen Herbst. Niewodniczanski, der 33 Hektar Top-Lagen an der Saar bewirtschaftet und dessen Rieslingweine unter anderem im Berliner Hotel «Adlon» und im Hamburger «Vier Jahreszeiten» auf der Karte stehen, ist sich sicher: «Das wird das beste Jahr der letzten 20 bis 30 Jahre.»
Der Geschmack der Lage, der 2007 Weinkenner an der Mosel jubeln lässt, spielt der «Terroirbewegung» in die Hände, die seit etwa fünf Jahren im ältesten deutschen Anbaugebiet erstarkt. «Terroir ist die Summe der geschmacksbildenden Faktoren, die sich aus Boden und Weinklima ergeben», sagt Niewodniczanski, der seit diesem Jahr Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist. Und genau auf diesen eigenen Geschmack des Bodens besinnen sich die Winzer an Mosel, Saar und Ruwer wieder. «Es gilt wieder, den eigenen Charakter der Region herauszuarbeiten und nicht irgendwelche Weine zu kopieren.»
Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel, der Moselwein e.V. und das Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland- Pfalz haben die Weine auf den verschiedenen Böden an Mosel, Saar und Ruwer charakterisiert. Demnach gedeihen auf dunklen Tonschieferböden des Devon (Erdaltertum) «feinfruchtige Rieslingweine mit Aromen nach Pfirsich und Aprikose» mit bisweilen exotischen Mango- und Maracuja- Noten. Auf steinigen Böden mit harten Quarziten und Sandsteinen weisen die Weine «eine mineralische Komponente» auf, heißt es in der 2007 erschienenen Broschüre. Und auf den roten Devonschieferböden wachsen Weine, deren Aromen «an gelbe beziehungsweise gelb-rote Äpfel und reife Birnen» erinnern.
Nach Angaben des Geschäftsführers der Moselwein e.V., Ansgar Schmitz, zählt der Riesling mit dem Spätburgunder bundesweit zu den Rebsorten, die «das Terroir» am besten ausdrücken. Und anders als andere Rebsorten könne der Riesling in den Steillagen länger reifen. «Bei anderen Sorten wie etwa Müller-Thurgau ist der Reifevorsprung durch die frühe Blüte nicht verlängert worden, sondern die Ernte wurde vorgezogen», sagt Schmitz.
Saar-Winzer Niewodniczanski spricht von einer «Wiederentdeckung der Weinbergslagen» an Mosel, Saar und Ruwer, die sich auch in einer wachsenden Nachfrage nach Steillagen-Rieslingen ausdrücke. «Die Nachfrage ist so verrückt. Und sie wird noch mehr werden.» Er jedenfalls hat seinen gesamten 2006er Jahrgang Anfang September - rund 150 000 Flaschen - innerhalb von nur neun Tagen verkauft.