Wo der deutschbaltische Landadel schwelgte
Kuksu Muiza - Wer über das knarzende Parkett von Gut Kukschen in Lettland schreitet, kommt aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. Von den mit Stuckreliefs verzierten Decken hängen funkelnde Kronleuchter herab.
An den Wänden finden sich aufwendig freigelegte Malereien und unzählige Gemälde, und die Räume sind fast schon überladen vollgestellt mit antikem Mobiliar. „Meine Gäste sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie der Landadel seinerzeit gelebt und geschwelgt hat”, erzählt Daniel Jahn bei einem Rundgang durch das Anwesen, rund 85 Kilometer westlich der Hauptstadt Riga.
Auf den Spuren deutschbaltischen Adels
, wie das Anwesen auf Lettisch heißt, kurz vor der Jahrtausendwende in desolatem Zustand erworben und wieder zum Leben erweckt. Damit wurde der Rheinland-Pfälzer zu einer Art Trendsetter im Baltikum, wo immer mehr Gutshöfe eine stilvolle Wiedergeburt als Museen, Restaurants oder Hotels erleben.
„Als ich das Haus zum ersten Mal sah, war es eine Ruine”, erinnert sich Jahn. Im Dach klafften große Löcher, die Fenster fehlten, die Wände waren teils eingefallen. Dennoch fand der Endfünfziger Gefallen an dem geschichtsträchtigen Gebäude. Für 18 000 US-Dollar kaufte er das 1530 erstmals schriftlich erwähnte Herrenhaus.
Eine Millionen-Investition
Um das heruntergekommene Anwesen wieder in alter Pracht erstrahlen zu lassen, investierte Jahn mehrere Millionen Euro. Für die weitestgehend originalgetreue Renovierung zog er Denkmalschützer und Historiker hinzu, sammelte auf Grundlage einer alten Inventarliste Stilmöbel und erstand Gemälde. Jährlich beherbergt Jahn bis zu 1200 Gäste, die er selbst mit Gerichten aus regionalen Zutaten bekocht.
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Auch Riin Alatalu von Estnischen Gutshausverband sieht ein zunehmendes Interesse an den Gutshöfen: „Sie sind bei einheimischen und ausländischen Besuchern beliebt.” Rund 1250 davon gab es vor mehr als 100 Jahren noch in Estland, ähnlich viele waren es in Lettland - die meisten davon Renaissance-, Barock- und Jugendstil-Bauten.
Prozess des Umdenkens
bis zur Unabhängigkeit der Länder 1918 geprägt haben. Doch vor einigen Jahren setzte ein Umdenken ein: Heute gelten die Anwesen, deren Blütezeit als repräsentative Herrschaftssitze in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann, als Teil des zu bewahrenden Kulturerbes.
Noch aber suchen viele nach finanzkräftigen Käufern, die die Häuser aus dem Dornröschenschlaf wecken. Hunderte Liegenschaften stehen zum Verkauf. Ein Großteil ist in schlechtem Zustand und steht seit Jahren leer. Die Preise für die oft aus mehreren Gebäuden, Parkanlagen und Gärten bestehenden Gutshöfe reichen von einem Euro bis zu mehreren Millionen, wie die Verbandsvertreter berichten.
„Ein solches Haus muss man lieben, denn wirtschaftlich ist es ein Abenteuer”, sagt Jahn. Nach Abzug aller Personal- und Sachkosten bleibe kaum etwas übrig, ganz zu schweigen von den Kosten für den Unterhalt der Anwesen. „Man muss schon ein Enthusiast sein und ein wenig verrückt, um sich darauf einzulassen.” (dpa/tmn)