Dominikanische Republik Wo Buckelwale springen, schnauben und mit Menschen spielen
Schon Whale Watching ist exklusiv - aber schnorcheln mit Walen? Noch seltener. Unterwegs mit Maske und Flossen an der Silver Bank, wo auch neugierige Riesenbabys aufkreuzen.

Puerto Plata - Direkt am ersten Tag der Walsafari bringt uns Guide Jeff zur Verzweiflung. Bislang geduldig haben wir alle diesem Moment entgegengefiebert. Über Nacht sind wir von Puerto Plata an der Nordküste der Dominikanischen Republik zur Silver Bank hinausgefahren.
Bereits das Frühstück an Bord der „Sea Hunter“ dauerte lange. Doch endlich im Beiboot taucht schon nach wenigen Minuten eine Mutter mit ihrem Kalb auf. Hektisch streifen alle schnell Schwimmflossen und Neoprenanzüge über. Liz, eine Tierärztin aus Kentucky, hat schon die Tauchermaske auf. Aber Jeff sagt: „Bevor wir ins Wasser gehen, braucht ihr erst einmal einen Einführungskurs.“
Übers Funkgerät gibt er dem zweiten Beiboot Bescheid, damit die bereits gebriefte Gruppe an Bord den Vortritt bekommt. „Das ist Folter“, scherzt Dorsey, ein Biologe aus Oregon. Aber Jeff beruhigt uns: „Wir haben noch eine ganze Woche, um mit den Buckelwalen zu schnorcheln. Wichtig ist, dass wir wissen, wie wir uns verhalten müssen, damit uns nichts passiert und die Tiere nicht gestört werden.“
Gefahr bestehe keine. Buckelwale würden nie Menschen rammen oder angreifen, so Jeff. Doch die neugierigen Kälber könnten uns schon sehr nahe kommen.
Das Baby hält auf uns zu
Jeff Pantukhoff ist ein erfahrener Walexperte und Unterwasserfotograf. Seit vielen Jahren organisiert er mit Gene Flipse, dem Expeditionsleiter und Gründer des Walsafarianbieters Conscious Breath Adventures, die einwöchigen Touren zur Silver Bank.
Der Name des Anbieters bezieht sich sowohl auf das Atmen der Wale als auch auf einen Anspruch: ein achtsames Bewusstsein gegenüber den Tieren, das bei Walbegegnungen oberstes Gebot ist.
„Um die Wale nicht zu verscheuchen, springen wir nicht ins Wasser, sondern lassen uns langsam mit den Flossen voran von der Bootskante ins Wasser gleiten“, erklärt Jeff. Weitere Regeln: dicht zusammenbleiben, nicht zu den Walen abtauchen, sie nicht anfassen.
In der Praxis läuft das in den kommenden Tagen so: Unsere Guides Jeff, Gene und Catherine Cushenan, eine britische Meeresökologin, suchen die Buckelwale. Meistens liegen sie im Halbschlaf am Meeresgrund in 15 Meter Tiefe und kommen alle 15 bis 20 Minuten an die Oberfläche zum Atmen. Das ist der Moment, in dem man mit den sanftmütigen Riesen auf Tuchfühlung kommt.
Endlich ist es soweit. Jeff geht ins Wasser, checkt dort die Lage. Dann eine erhobene Faust, unser Zeichen. Im Wasser auf der Wasseroberfläche treibend, reihen wir uns auf. Wie hypnotisiert starren wir ins tiefe Blau.
Reglos verharrt dort eine Walmutter, während ihr Kalb sich an ihre Flanke kuschelt. Plötzlich taucht es in Pirouetten auf, um Luft zu holen. Offenbar erregen wir die Neugierde des Riesenbabys. Es macht eine akrobatische Drehung und hält auf uns zu.
Mit nur wenigen Flossenschlägen ist das vielleicht vier Monate alte Tier bei uns. Zum Glück macht es eine weitere Wende, ansonsten hätte es Michael und Sybille Gfall, ein deutsch-österreichisches Ehepaar aus München, gerammt. Sonja, eine rüstige 84-jährige Hamburgerin, bekommt fast die Schwanzflosse ab. Es scheint, als mache sich das Walbaby einen Spaß daraus, uns auseinanderzutreiben.
Der Mutter wird's zu bunt
Der Mutter wird das Spiel ihres Kleinen mit uns Erwachsenen wohl zu bunt. Sie taucht auf und drängt ihr Kalb von uns weg. Sie ist riesig, vielleicht um die 14 Meter lang. Dann verschwinden beide wieder in der Tiefe. „Wow, was war das denn? Unglaublich!“ Sybille schreit geradezu vor Freude. „Allein für diesen Moment hat sich die ganze Reise schon gelohnt.“
Solch hautnahe Begegnungen mit den Riesen der Meere sind an der Silver Bank keine Ausnahme. Das flache Unterwasser-Plateau, rund 75 Seemeilen im Norden der Dominikanischen Republik im karibischen Meer gelegen, sei neben Tonga in der pazifischen Südsee einer der wenigen Orte auf der Welt, an dem man mit Buckelwalen schnorcheln könne, sagt Expeditionsleiter Gene Flipse.
Zweifellos ist die Silver Bank auch einer der Orte, an dem man die meisten Buckelwale überhaupt sehen kann. Jedes Jahr zwischen Januar und April versammeln sich bis zu 5.000 Exemplare aus dem gesamten Nordatlantik. „Sie kommen aus Grönland, Island, Neufundland und aus Norwegen, um sich in den warmen und geschützten Gewässern zu paaren, zu gebären und ihre Kälber aufzuziehen“, so Gene.
So erklärte die Unesco diese über 20.000 Quadratkilometer große Kinderstube der Buckelwale, die ihre natürlichen Feinde wie Orcas und weiße Haie meiden, 1986 zum Meeressäugetier-Schutzgebiet. Der Name Silver Bank kommt von den spanischen Galeeren und Piratenschiffen, die hier in der zerklüfteten Welt aus Korallen und Sandbänken nicht selten kenterten und ihre Schätze verloren. Neben Conscious Breath Adventures und seiner „Sea Hunter“ haben nur noch zwei weitere Expeditionsschiffe Lizenzen, im Schutzgebiet Walsafaris durchzuführen.
Ein Bulle, so groß wie ein Flugzeug
Am nächsten Morgen läutet Jeff um 8:30 Uhr die Schiffsglocke. Unser Signal, uns startklar zu machen. Es ist windig, die Wellen sind hoch. Keine leichten Bedingungen. Catherine, die heute unser Guide ist, hält Ausschau nach den Fontänen, die Wale beim Atem meterhoch in die Luft wirbeln. Rund 30 Minuten folgen wir einer Mutter und ihrem Kalb, die von männlichen Tieren begleitet werden. Doch sie verweilen nicht, wechseln immer wieder die Richtung.
Catherine entdeckt eine Kuh und einen Bullen, stoppt ihre Ruhezeiten. Zwölf Minuten verweilen sie bereits unten. In wenigen Minuten werden die Tiere wieder auftauchen. Wir positionieren uns an der Wasseroberfläche. Der Bulle ist groß wie ein Flugzeug.
Dann kommen die Tiere neben uns an die Wasseroberfläche. Man kann sie fast berühren, hört ihre Atmung, sieht ihre geriffelten, weißen Bäuche, Narben ausgefochtener Kämpfe und die winzig wirkenden Augen, die eigentlich so groß wie Tennisbälle sind. Fische säubern ihre Mäuler. Majestätisch gleiten sie an uns vorbei.
Fast eineinhalb Stunden dürfen wir mit den Walen verbringen. Wir schwimmen ihnen hinterher, doch stoppen dann ehrfürchtig: Denn der Bulle schlägt mit seiner gewaltigen Schwanzflosse kräftig aufs Wasser, und noch einmal, und noch einmal. Er will dem Weibchen imponieren. „Einfach unbeschreiblich. Man fühlt sich wie in einer "National Geographic"-Tier-Dokumentation“, sagt Michael Gfall, während er über die Treppe wieder ins Boot klettert.
An den Abenden halten die Guides wissenschaftliche Vorträge über die Buckelwale, die bis zu 18 Meter lang und 35 Tonnen schwer werden können. Schon bei der Geburt messen die Jungen vier Meter, wiegen rund eine Tonne und benötigen bis zu 80 Liter Muttermilch täglich.
Letzte Sprünge zum Sundowner
Am nächsten Tag ist der Atlantik glatt wie ein Teller. Doch es sind keine Buckelwale zu sehen. Unbarmherzig scheint die Karibiksonne auf uns herunter. Die Crew hält uns mit Wassermelonen und Mango bei Laune. Immer wieder lassen Jeff und Gene Mikrofone ins Wasser, um sogenannte „Sänger“ aufzuspüren. Ihre Minnegesänge sollen mystisch sein. Doch wir haben kein Glück.
Aber ein anderes großes Finale hält die Meeressafari für uns bereit: eine Gruppe junger Bullen, die immer wieder hoch aus dem Wasser springen. „Es könnte ein Balzverhalten sein, oder es macht ihnen einfach nur Spaß“, sagt Gene Flipse.
Ein unvergessliches Naturschauspiel ist die hautnahe Begegnung mit den Buckelwalen in jedem Fall. Darüber sind sich beim abendlichen Sundowner auf dem Oberdeck alle einig. Blutrot versinkt die Sonne im Meer. Ein letztes Mal schauen wir zu, wie die Giganten am Horizont ihre akrobatischen Sprünge vollführen, als wollten sie uns gebührend verabschieden.
Links, Tipps, Praktisches:
Anreise: Condor bietet von Frankfurt Nonstop-Flüge nach Puerto Plata an. Mit unter anderem Lufthansa, Iberia oder Air France muss ein Zwischenstopp eingeplant werden.
Einreise: Für die Einreise in die Dominikanische Republik braucht man einen mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass
Reisezeit: Die Walsaison an der Silver Bank geht von Januar bis April.
Walsafaris: Einwöchige Walsafari-Expeditionen zur Silver Bank können über mehrere Veranstalter gebucht werden, darunter Wirodive, AS Tauchreisen oder Schöner Tauchen, die neben Conscious Breath Adventures auch mit den beiden anderen Tourunternehmen Aggressor Adventures und Explorer Ventures zusammenarbeiten.
Weitere Informationen: godominicanrepublic.com