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Urlaub ohne Abenteuer Urlaub ohne Abenteuer: Wie Tripadvisor Booking und Trivago unser Reisen verändern

Von Rebecca Erken 03.03.2017, 13:00

Wir saßen an einem Strand in der Karibik, der fast perfekt war. Die Betonung liegt auf „fast“. Das war zumindest das Wort, das in unseren Köpfen vorherrschte. Er war eben nur „fast“ genauso wie auf den unzähligen Bildern, die wir gesehen hatten. Bei Tripadvisor, auf Reiseblogs, im Lonely Planet.

Dass jetzt eine Gruppe betrunkener Techno-Anhänger den Strand mit Bumsmusik beschallte, davor hatte Tripadvisor uns nicht gewarnt. Auch die Algenplage, die die Region gerade heimsuchte, war vorher nirgendwo angekündigt worden.

Algen und Bumsmusik: Es hätte alles besser sein sollen

Und so saßen wir an dem fast perfekten Strand und verglichen ihn insgeheim immer wieder mit den Bildern, die wir im Kopf hatten. Und der wahrhaftige Strand mit den Algen und den Techno-Tänzern wurde uns immer verhasster.
Wir fühlten uns unwohl. Und genossen unseren Urlaub nicht. Und entspannten uns nicht. Denn es hätte ja alles noch besser sein können. Sein sollen.

Alltagsoptimierung weitet sich auf den Urlaub aus

Diese Szene zeigt, wie sehr Bewertungs-Apps wie Tripadvisor und Vergleichsportale wie Booking und Trivago unser Reisen verändert haben: Sie steigern nicht nur den Erwartungsdruck an unser Reiseziel enorm, sie weiten auch unseren alltäglichen Drang nach Optimierung und Effizienzsteigerung auf unseren Urlaub aus. Für den schönsten Strand überhaupt hatten wir rund zwei Stunden eingeplant. Jetzt zwei Stunden auf Knopfdruck entspannen, bitte. Und dann war dieser Strand nur fast perfekt – und damit jegliche Entspannung unmöglich.

Wahrscheinlich gab es in der Nähe noch einen besseren Küstenabschnitt? Und wir wussten es nicht? Wir googelten und scrollten und verbrachten die zwei Stunden an dem fast perfekten Strand vor unserem Smartphone, auf der Suche nach einer schöneren Lagune. Dass die Techno-Typen auf einmal weg waren und das Wasser immer klarer wurde, haben wir dann auch nicht mehr gemerkt.

Zugegeben: Tripadvisor, Booking und Trivago bewahren vor Reinfällen

Natürlich haben Bewertungs-Apps auf den ersten Blick viele Vorteile. Tripadvisor, Booking oder Trivago bewahren Urlauber vor echten Reinfällen. Dass der Hotel-Pool eher eine Pfütze ist, dass der lichtdurchflutete Patio eher ein zugemüllter schattiger Innenhof ist, dass das rustikale Häuschen im Grünen eine Bruchbude nahe der A 3 ist – all das erfahren wir auf den von Usern hochgeladenen Bildern eher als durch die Werbefotos der Betreiber.

„Tripadvisor says: it’s bad“

Auch in Touristenfallen werden die meisten Menschen nicht mehr so leicht tappen. Ein aufdringlicher Kellner, der kürzlich auf der Touristen-Meile im berüchtigten Viertel La Boca in Buenos Aires versuchte, einen Amerikaner in seinen Laden zu locken, hätte vor ein paar Jahren vielleicht Erfolg gehabt.

Doch im Jahr 2017 entgegnete der Amerikaner dem Argentinier: „Tripadvisor says: it’s bad“ – ein besseres Argument, um einen Touristenfänger abzuwiegeln, gibt es eigentlich nicht. Da kannst du auch als abgeklärter Kellner in La Boca nicht mehr viel zu sagen. Auch wenn du mit „dem besten argentinischen Steak“ wirbst oder damit, dass Maradona mittwochs bei dir isst – gegen Tripadvisor bist du machtlos. Wenn Tripadvisor das sagt, dann ist das so. Dann haben hunderte oder sogar tausende Menschen so entschieden. Punkt.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Problematisch an den Bewertungsportalen ist aber, dass das, was der Mainstream gut findet, nicht immer unbedingt das ist, was man selbst gut findet. Ich erinnere mich an ein Hotel, in dem das Essen laut der meisten Bewertungen angeblich „exzellent“ war. Es war aber vor allem der kleinste gemeinsame Nenner, der dort serviert wurde, und damit überhaupt nicht originell. Am Buffet war für jeden was dabei – Baked Beans für die Engländer, dunkles Brot für die Deutschen, Croissants für die Franzosen – und das macht in meinen Augen auf gar keinen Fall ein „exzellentes“ Essen aus.

Keine Katastrophen, aber auch keine positiven Überraschungen

Problematisch ist auch, dass wir in einer Blase von Bewertungs-Apps leben, in der wir immer weich fallen. Die moderne Welt bewahrt uns vor Katastrophen, aber auch vor echten überwältigenden Überraschungen.
Wir landen heute nicht mehr in dieser seltsamen dunklen Pension im Süden von Spanien mit den fleckigen Decken oder in dem Hotelzimmer direkt am Eifelturm, dafür ohne Fenster. Aber wir hätten heute wahrscheinlich auch nicht dieses kleine Restaurant eines älteren Ehepaars in Venedig entdeckt, das uns als einzige Gäste bekochte, als gehörten wir zur Familie. Wir streifen nämlich nur noch selten so ziellos umher wie damals.

Wir nehmen unsere Komfortzone mit um die Welt

Heute stellen wir bei Tripadvisor einfach die Umkreissuche ein und gehen in das Lokal, das in der Nähe am besten bewertet ist. Es ist beides: Wir vertrauen weder unserem Bauchgefühl, noch unserer Umgebung. Wir nehmen unsere persönliche Komfortzone mit um die Welt. So ist Reisen kein Abenteuer mehr und manchmal auch nicht viel besser als ein All-Inclusive-Urlaub.

Wir lassen uns nicht mehr auf Neues, Ungewohntes oder sogar vollkommen Unbekanntes ein. Wir scheuen die direkte unvermittelte Konfrontation mit den Menschen, mit ihrer Kultur und ihren Gerichten. Lieber wählen wir das Lokal, bei dem die meisten Touristen anscheinend gut klargekommen sind.

Keine Angst vor Froschschenkeln

Aber vielleicht wäre es ganz gut, auch einmal dorthin zu gehen, wo man das eingerostete Französisch wieder anwenden muss, und sich im Zweifel mit Händen und Füßen verständigen, auch auf die Gefahr hin, dass man am Ende Froschschenkel bestellt hat. Einfach weil das alles dazu gehört, zum Reisen. Wie heißt es noch gleich? „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen.“ Wenn man in ewig gleichen Routinen gefangen ist, wird das allerdings schwierig. Wer wegfährt, sollte etwas erleben. Und wenn schon kein Wunder, dann doch ein Abenteuer.
Auf Kuba aßen wir bei Bauern in einem kleinen Restaurant mitten im Dschungel nahe eines Wasserfalls. Es war die Empfehlung des Taxifahrers, der uns zu dem Wasserfall gebracht hatte. Das Restaurant, das aus einer Steinplatte, einer Feuerstelle, ein paar Stühlen und Tischen bestand, ist nicht auf Tripadvisor zu finden. Und ich bezweifle, dass die Betreiber Tripadvisor kennen – allerdings habe ich in meinem Leben noch nie so guten Fisch gegessen.