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Ungarn Ungarn: Königliche Weihnacht

Von Margit Boeckh 29.11.2012, 15:57

Halle (Saale)/MZ. - Wie Sissi fühlten sie sich, strahlten die deutschen Olympioniken in die Fernsehkameras, als sie nach den Sommerspielen mit der MS Deutschland in Hamburg landeten und von Zehntausenden Fans so überschäumend bejubelt wurden. Ja, was denn? Wie kommen die denn ausgerechnet auf eine längst verblichene Regentin? Die meisten in einem Alter, als die Romy-Schneider-Schnulzen vom Leben und Leiden der sagenhaften österreichischen Kaiserin allenfalls noch im Weihnachts-Fernsehprogramm liefen. Sissi? Ja, schon gut, wir wissen natürlich, dass sie eigentlich nur mit einem "s" in der Mitte geschrieben wird. Doch in welcher Schreibweise auch immer: Sie bleibt eben ein Mythos. Umso mehr in diesem Jahr, wo am 24. Dezember, just Heiligabend, ihr 175. Geburtstag begangen wird.

Allerdings: Wären die Romy-Filme nicht, wer weiß, dann wäre die als schönste Frau ihrer Zeit gerühmte Monarchin vielleicht eher nur ein Stück deutsch-österreichische Geschichte. Nicht zu vergessen: ungarische Historie! Denn das Leben der bayerischen Herzogstochter, die zur Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn aufstieg, war eng mit dem Land der Magyaren verbunden. Und die beharren bis heute fest darauf, dass "ihre" Elisabeth oder Erzsebet nirgendwo sonst so verehrt wird wie bei ihnen (wo übrigens die "Sissi"-Filme nie gelaufen sein sollen!); nicht mal in Wien oder in ihrer Heimat.

Tatsächlich: Die vom Wiener Hof und seinen Zwängen verstörte Elisabeth suchte Wärme und Heimat nur allzu gerne bei ihren "geliebten Ungarn", von denen sie immer wieder schwärmte. Sie lernte ihre Sprache und wirkte als Vermittlerin zur Wiener Hofpolitik. Entsprechend vielfältig sind ihre ungarischen Spuren. In Budapest etwa die Matthiaskirche, Ort der Krönung zur ungarischen Königin, und die eindrucksvolle Elisabethbrücke über die Donau. Vor allem aber: Gödöllö! Sisis absolutes Lieblingsschloss. Knappe 30 Kilometer vor der ungarischen Hauptstadt liegt das prächtige Anwesen, das als größtes Barockschloss nach Versailles gepriesen wird.

136 Räume auf rund 1 700 Quadratmetern. Kein Klotz, sondern ein eleganter Bau mit zierlichen Kuppeln und Türmchen, umgeben von einem romantischen Park. Für Sisi ein Landidyll. Refugium abseits höfischer Zwänge. Gerne auch genutzt von der kaiserlich-königlichen Familie. Der verehrten Elisabeth aber vor allem. Stolz listen die Ungarn auf, dass ihre Königin insgesamt 2 663 Tage (7,3 Jahre) in ihrem Land verbracht hat, davon etwa 2 000 in Gödöllö. "Mehr als in der Wiener Hofburg", beteuert der Führer beim Rundgang durch das Schloss. Er erzählt von der wechselvollen Geschichte des 1735 von Graf Antal Grassalkovich erbauten Schlosses: Der berüchtigte Reichsverweser Miklos Horty jagte hier. Nach 45 war es Russenkaserne, Altersheim, schließlich lange Jahre dem Verfall preisgegeben. Seit Mitte der neunziger Jahre wird es wieder nach und nach sorgfältig restauriert. Der charmante Schlossführer vergisst nicht zu erwähnen, dass im wunderschönen Landschaftspark die erste für die so hochverehrte Königin / Kaiserin errichtete Statue zu besichtigen sei. Nebst den Grabstätten für zwei von Elisabeths Lieblingshunden.

Der Park zeigt sich auch im Winter - schneeüberzuckert - wunderschön. Doch mehr noch das Schloss. Denn in dessen Räumen kann man sich besonders rund um die Weihnachtszeit der legendären Sisi so nah fühlen wie vielleicht nirgends sonst. Besonders gerne verbrachte sie nämlich die Wintermonate hier. Den 19. November mit ihrem Namenstag und Weihnachten mit ihrem Geburtstag am Heiligabend. Wie der Alltag verliefen auch die Festtage entspannter als im höfischen Wien. Oft blieb die Familie bis Neujahr in Gödöllö.

"Hier hat man seine Ruhe, keine Verwandten, niemand sekkiert dich, im Gegensatz zu Wien, wo die ganze kaiserliche Bagage ist", schrieb Sisi begeistert an ihre Mutter. Noch wenn man heute durch die Räume, den weitflächigen Park geht, ist spürbar, wie wunderbar dieser Ort für die eigenwillige, ja exzentrische Kaiserin / Königin gewesen sein muss. Hier hatte sie Zeit und Raum für all ihre Vorlieben. Sie las, lernte Sprachen, schrieb, ließ ganze Zigeunerkapellen aufspielen. Im Park ging sie stundenlang spazieren. Wenn ihr der Sinn nach Gesellschaft stand, gab es Jagden, Windhundrennen, fürs Reiten eine eigene Reitbahn. Kurz: Gödöllö, das 1867 von den Ungarn zur Krönung übereignete Geschenk, wurde rasch zum immer wieder aufgesuchten und genossenen Idyll.

In den bislang rekonstruierten und für Besucher zugänglichen mehr als 30 Räumen erlebt man die intime Atmosphäre des Schlosses fast wie zu k & k-Zeiten. Zwar sind die zierlichen Möbel aus Rokoko und Neobarock wegen diverser Plünderungen, denen das Schloss anheimfiel, nicht alle aus Originalbesitz. Jedoch schaffen sie im Verein mit Gemälden, Porzellan und Familienbildern insbesondere in den Appartements von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth eine nahezu familiäre Umgebung. Im Speisezimmer ist mit dem sogenannten Franz-Josephs-Geschirr eingedeckt, in dem von ihm bevorzugten Rotton aus der berühmten ungarischen Herend-Manufaktur. Ein gigantisches Gemälde zeigt die Krönungszeremonie in der Budapester Matthiaskirche.

Besonders stimmungsvoll ist Gödöllö im Advent zu erleben. Dann wird in den geschmückten Räumen zur königlichen Weihnacht geladen. An den Tagen unmittelbar vor dem Fest öffnet das Schloss seine Türen zu historischen Spielen und Konzerten, Weihnachtskrippe und Chormusik inklusive. Im Schlosscafé genießt man zum "Braunen" nach Wiener Art mit Schlagobers weihnachtliche Gebäck-Leckereien. Gleich nebenan gibt es Sisi-Devotionalien in Fülle, von der Replik ihres berühmten Schmuckes bis zur Veilchenseife mit ihrem Porträt.

Und dann ist da noch diese geheimnisvolle Kleiderkammer, in der es nur so raschelt und knistert von Seide, Taft und Spitzen. Dutzende der allerschönsten Roben im Sisi-Stil hängen hier. Die weiblichen Fans dürfen sie anprobieren und sich darin fotografieren lassen - und sich dann tatsächlich wenigstens ein bisschen so fühlen "wie Sisi"!