Rioja Rioja: Im Land der tausend Weine
Halle (Saale)/MZ. - Reisen in die Rioja beginnen oft in Bilbao, das von Deutschland aus in zwei Flugstunden erreichbar ist. Dort ist der Besuch des vom Star-Architekten Frank O. Gehry entworfenen Guggenheim-Museums ein Muss. Das spektakuläre Gebäude, selbst ein Kunstwerk aus Titan, Stein und Glas, bietet von jeder Seite eine neue Ansicht. Im Inneren ist die Avantgarde spanischer und internationaler Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts vertreten, von Chillida bis Warhol, von Miro bis Rothko, von Gris bis Baselitz. Dem Gehry-Stil wird der Reisende später wiederbegegnen, in Elciego, dem Ort mit der ältesten Bodega der Rioja. Noch aber trennen ihn anderthalb Autostunden von einem der größten Weinbaugebiete Europas.
Das verdankt seinen Namen einem der sieben Nebenflüsse des Ebro, dem Rio Oja. Hört man Rioja, denkt man an Wein. Nicht von ungefähr, fast 60 000 Hektar des hügeligen Landes im Norden Spaniens sind mit den typisch niedrigen Rebstöcken bepflanzt. Der Rote, dessen Tempranillo-Traube im Tal des Ebro heranwächst, eingebettet zwischen dem Cantabria-Gebirge im Norden und der Sierra de la Demanda im Süden, ist zum Aushängeschild für spanische Rotweine geworden. In die ganze Welt werden sie exportiert, Deutschland ist nach Großbritannien der zweitgrößte Abnehmer.
Stundenlang fährt man an Weinfeldern vorbei, das geschützte Anbaugebiet D.O.Ca Rioja reicht bis nach Navarra und ins Baskenland hinein, gliedert sich in die Lagen Rioja Alavesa, Alta und Baja. Überall findet sich das Symbol der Rioja, das Signet mit der üppigen Weintraube. An Kreuzungen und auf Plätzen weist es den Weg zur nächsten Wein-Attraktion, mag es eines der zahlreichen Museen oder eine der rund 500 Bodegas sein. Der Tourismus steht hier noch am Anfang, doch öffnen fast alle gern ihre Keller für Gäste, führen sie stolz durch Räume mit riesigen Stahltanks und zigtausend Eichenfässern, erläutern den Gärungsprozess und die Vorzüge von französischer oder amerikanischer Eiche.
Und dann geht es ans Kosten. Den Vino Joven, den jungen Wein, lässt man schnell hinter sich. Der Crianza, mindestens zwei Jahre gereift, davon eins im Eichenfass, ist schon süffiger. Aber dann, wenn die Reservas (mindestens drei Jahre in Fass und Flasche gereift) und Gran Reservas (nur außergewöhnliche Jahrgänge, haben mindestens zwei Jahre Fass- und drei Jahre Flaschen-Lagerung hinter sich) auf den Probiertisch kommen, dann möchte man eigentlich gar nichts mehr wieder hergeben. Doch die Winzer zelebrieren nach Glasschwenken, Riechen, Schauen und Schlucken mit scheinbar gleichem Genuss das Ausspucken in die bereitgestellten Krüge, und die Gäste tun es ihnen nach.
In Logrono, der Hauptstadt der Autonomen Region La Rioja, hält das Tourismusbüro Pläne und Karten bereit, auf denen die Ruta del Vino eingezeichnet ist. Doch bevor man sich auf diese begibt, ist in Logrono selbst allerhand zu entdecken. Die majestätische Kathedrale mit ihren Zwillingstürmen zum Beispiel, die Einkaufs-Gassen und Arkaden in der Altstadt und die Tapasmeile Calle Laurel, in der ein Restaurant am anderen mit kleinen Köstlichkeiten - den Tapas - und einem Glas Wein aufwartet. Logrono ist ein wichtiger Ort am Jakobsweg, die gewaltige steinerne Brücke über den Fluss mit ihren eingelassenen Jakobsmuscheln, die Jakobskirche, Pilgerbrunnen und Pilgertor sind Zeugnisse dafür. Von Logrono bis Granón führen 65 Kilometer des wohl berühmtesten europäischen Weges durch riojanisches Gebiet. Wanderer, die Logrono bereits passiert haben, tragen mitunter eine lederne Weinflasche am Rucksack. Die Bota de Vino, ein Souvenir von hier und mit Geschmack dazu.
Nützlich ist die Bota auch auf der Weinroute, die man zum Beispiel im Campo Viejo starten kann. Europas größtes Weingut wurde 1959 gegründet, liegt unweit von Logrono, beschäftigt 450 Mitarbeiter und produziert 30 Millionen Flaschen im Jahr, davon 18 Millionen für den Export. Zur Jahrtausendwende hat sich das Gut eine gläserne Weinkathedrale spendiert, sie wächst an einem Hang empor. Produziert wird unterirdisch. Oben ist eine Art Museum, ein Labor zur Qualitätskontrolle, ein Verkostungssaal und ein Kino eingerichtet, in dem ein Film über die Weinherstellung informiert. Die Massenproduktion erlaubt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Individueller geht es in der 1998 gegründeten Bodega Altanza in Fuenmayor zu. Die junge Kellerei produziert fast nur Reservas und verwendet zu 100 Prozent Tempranillo-Trauben. Ein Hingucker sind die Künstler-Etiketten auf den Flaschen, die besondere Jahrgänge zieren: Miro den 2001er (er ist schon ausverkauft), Dali den 2004er und Gaudi den von 2005. In Elciego schließlich sollte man sich die Bodega Valdelana nicht entgehen lassen. Ein Wein-Museum spricht alle Sinne an, führt in Dufträume, spielt mit Geruch, Gehör und Geschmack. Nicht weit davon ragt aus der 1858 gegründeten Bodega des Marqués de Riscal, der ältesten der Rioja, ein futuristisches Gebäude auf. Es ist nicht schwer, Frank O. Gehry als Architekten des Luxushotels samt Vinotherapie-Spa auszumachen. Dach und Fassade - riesige gerollte und gedrehte Flächen aus Titan - schwingen bronzefarben im Sonnenlicht. Welch Kontrast zum Grün der Weinblätter, die in endlosen Reihen bis zum Horizont reichen.