"Habt Mut" Reisebloggerin Katja Hentschel erklärt: Warum Frauen auch mal alleine verreisen sollten

Reisen ist nicht nur ihre Leidenschaft, sondern ihr Leben: Katja Hentschel ist Gründerin eines der meistgelesenen Reiseblogs der Welt: travelettes. Die Erfahrungen der Fotografin kann man auch in ihrem Buch „In High Heels um die Welt“ nachlesen, das 2012 erschien. Sogar als alleinerziehende Mutter reist sie weiter – ihr Sohn Atlas habe ihr „Reisegen“ geerbt, so Hentschel. Mit wem, wenn nicht mit ihr sollten wir über das Reisen allein als Frau sprechen?
Katja, Reisen ist dein Leben. Thailand, Brasilien, Malediven. Du warst schon an so vielen Orten. Findest du, jede Frau sollte auch mal allein reisen?
Ich denke nicht, dass jeder mal allein gereist sein sollte, aber: Jeder sollte gereist sein – das finde ich wichtig. In der Realität sieht es so aus, dass viele Menschen viel weniger und anders reisen, als sie das gerne tun würden, weil sie niemanden kennen, der die Zeit, das Geld oder die Lust hat, mit ihnen zu reisen. Diesen Menschen würde ich gerne Mut machen, es doch mal alleine zu versuchen. Ich bin ziemlich sicher, dass man nur die allerweinigsten Trips bereut und allein zu fahren ist vielleicht anders, aber kann eben auch sehr schön sein. Obwohl ich mich auch schon oft allein gefühlt habe auf Reisen, so nehme ich doch mein Umfeld viel bewusster wahr, wenn niemand dabei ist, mit dem man sich ständig unterhält. Der Blick auf die Dinge ist ein anderer. Ich habe auf Reisen erst gelernt, allein zu sein und es gerne zu sein.
Es ist doch immer schön, seine Erlebnisse mit jemandem zu teilen, wem erzählst du am Abend von einem schönen Tag?
Ja es ist schön und wichtig, seine Erlebnisse zu teilen. Vielleicht blogge ich deshalb auch über meine Reisen. Ein Foto oder ein Video von einem tollen Erlebnis erlaubt es einem auch dies später mit Freunden und Bekannten oder eben Lesern zu teilen. Dank Instagram, Snapchat und Facebook macht das ja heutzutage ohnehin fast jeder. Es ist nicht dasselbe, aber auch schön. Vielleicht sitze ich am Abend nicht immer mit einer Freundin in einer Bar und bespreche das Erlebte, aber oft sitze ich bei einem Glas Wein auf einem Balkon, genieße den Sonnenuntergang und erinnere mich daran, wieviel Glück ich habe, dort zu sein, wo ich gerade bin.
Wie lernst du auf Reisen Leute kennen?
Das kommt immer auf meine Lebenssituation an. Als ich mit 25 ein Jahr mit dem Rucksack um die Welt getingelt bin, habe ich immer versucht, auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel jemanden kennenzulernen. In Bussen, Booten, Fliegern und Taxen gibt es doch immer auch andere, die alleine reisen und von denen freuen sich in der Regel neunzig Prozent, wenn sie dich kennenlernen. So wisst ihr beide, mit wem ihr am Abend eurer Ankunft im neuen Ort die lokalen Restaurants auscheckt. Später habe ich zum Beispiel öfter Tagestouren gebucht, in der Hoffnung, dort auf Gleichgesinnte zu treffen.
Jetzt, wo ich ein 2-jähriges Kind habe geht viel über Spielplätze, oder man setzt sich im Restaurant in die Nähe von anderen Familien mit Kindern ähnlichen Alters. Das ist deswegen so gut, weil man durch die Kids mit absolut jedem gleich ein Thema hat, über das man bonden kann.
Was unterscheidet das Alleinreisen von Reisen mit Freunden, Partner oder Familie?
Wenn ich mit jemandem reise, erlebe ich in erster Linie das Zwischenmenschliche mit meinem Reisepartner und was um uns herum passiert ist eigentlich nur Dekor. Es macht immer auch Spaß mit einem Partner zu reisen, man ist ein Team und tauscht sich über alles aus. Alleine taucht man anders in die neue Welt ein, lässt sich auf sie ein, entdeckt Nuancen und kleine Wunder an jeder Ecke. Man kommt eher mit neuen Leuten ins Gespräch und öffnet sich so auch eher die Tür für ungeplante Abenteuer.
Warst du nie einsam, abends im Hotelzimmer, wenn vielleicht noch komische Geräusche und Gerüche von außen in Dein Zimmer drangen?
Haha, ehrlich, nein. Wenn ich mich je einsam gefühlt habe, dann wirklich vor allem in Momenten, die einfach so überragend sind, dass man sie eben gern teilen möchte. Ein absurd kitschig-romantischer Sonnenuntergang auf einer Malediveninsel, zum Beispiel, oder ein wahnsinnig gutes Essen. In Wahrheit ist man als Alleinreisender letztlich gar nicht so oft komplett alleine, meistens trifft man Leute, ob es nun Locals oder andere Reisende sind. Alleine zu reisen ist eine Schule wie sonst kaum etwas, man lernt einfach sehr viel über sich selbst und die Welt.
Sind Dir auch schon unschöne Dinge passiert, wenn du allein unterwegs warst?
In Indien habe ich mir mal den Fuß gebrochen, zu Beginn einer neunstündigen Nachtfahrt im Zug nach Delhi. Das wäre mit Freunden sicherlich wesentlich weniger blöd gewesen. Aber ich hatte Glück und Bekannte holten mich vom Bahnhof ab, es war also letztlich kein großes Drama. Die richtig schlimmen Sachen, wo es auch schon mal gefährlich wurde, sind mir meistens passiert, wenn ich mit einer Freundin gereist war. Ganz klar ist hier geteiltes Leid auch halbes Leid.
Nächste Seite: Wie sorgt man alleine auf Reisen für ein sicheres Gefühl?
Wie sorgst du für deine Sicherheit?
Wer alleine reist, sollte sich wirklich genau sein Reiseziel überlegen. Man sollte nicht pauschalisieren, aber in Südamerika ist man hier etwas weniger sicher als in Asien, zum Beispiel. Auch in Afrika sollte man Vorsicht walten lassen, sich mit anderen Alleinreisenden zusammentun und sich vorher gut informieren, wo mögliche Gefahrenquellen lauern könnten. Ich lese an dieser Stelle immer die Gefahrenseite in den Lonely Planet Reisebüchern, die helfen schon viel. Ansonsten gilt: Selbstbewusstsein siegt. Ich schaue immer, dass man mir mein Touri-Dasein nicht sofort ansieht, damit ich mich nicht unwissend zur Beute von Taschendieben mache.
Welches Land empfiehlst du für die erste alleinige Reise als Frau?
Ich empfehle meistens Thailand, da hier einfach sehr viele Leute alleine reisen und es einfach ist, Anschluss zu finden. Thailand ist zudem einfach ein ganz wunderbares Land mit viel natürlicher Schönheit, lieben Menschen, sehr leckerem Essen und guten Preisen. Für sehr junge Frauen ist sicher auch Australien ganz spannend.
Würdest Du sagen: lieber vorab buchen, einen Yogaretreat, ein Hotel, was auch immer, oder lieber treiben lassen, spontan bleiben, alles auf sich zukommen lassen?
Ich denke die Mischung macht es. Man sollte möglichst die ersten 2-7 Nächte vorgebucht haben, dann hat man etwas Puffer und kann flexibel aussuchen, was man danach macht. Ich hab es eigentlich immer bereut, wenn ich mehr als ein paar Tage irgendwo im Vorraus gebucht habe.
Was nimmst du immer mit, wenn Du alleine reist?
Bücher! Ich habe nur selten wirklich die Zeit und innere Ruhe zu lesen, ich empfinde es also als Luxus mehrmals am Tag einfach auszuschalten und sich in Urlaubslektüre zu vergraben.
Nächste Seite: Wie man als Alleinerziehende mit Kind auf Reisen Abenteuer erlebt
Du reist ja nun nicht mehr alleine, seit du alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes bist. Ihr reist nun zusammen. Was hat sich verändert?
Ich hatte schon etwas Angst vorm Alleinerziehend-Sein, vorm einsam sein, weil man das immer wieder hört und liest. Aus eigener Erfahrung kann ich das bislang aber absolut nicht bestätigen. Mein Sohn hat zum Glück mein Reisegen geerbt und reist supergerne und gut. Er liebt es, Leute kennenzulernen, spricht alles und jeden an und überhaupt macht er einfach Spaß. Nachdem ich nun öfter mit Freundinnen und ihm, aber auch mal nur mit ihm alleine verreist bin, muss ich sagen, dass beides seine Vorteile hat, ich bevorzuge nicht eines dem anderen.
Welche deiner Erfahrungen aus den vielen Reisen wünschst du deinem Sohn für sein Leben?
Ich bin nicht nur viel gereist, ich habe auch viele Jahre im Ausland gelebt, unter anderem in San Francisco, London, Paris, Bangkok, Sao Paulo oder Buenos Aires. Aus jeder Kultur habe ich mir Dinge abgeschaut und für mich angewandt, mit jeder neuen Stadt habe ich mich ein Stück weit neu erfunden. Ich hoffe, dass die vielen Reisen sein Bewusstsein für die Welt öffnen werden und er besser verstehen wird, warum Menschen so sind wie sie sind. Ich hoffe sie werden ihm auch helfen besser zu verstehen oder gar zu entscheiden, wer er ist, denn das ist, denke ich, eine der größten Herausforderungen, die wir in einem Menschenleben erfüllen.