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Ostsee Ostsee: Gold aus dem Meer

Von margit Boeckh 25.10.2012, 15:51

Halle (Saale)/MZ. - Da glitzert doch was auf dem Kopfkissen? Golden Braun schimmert das Tröpfchen - Bernstein! Ein netter Gruß vom Hotel. Dazu die Empfehlung: "Suchen Sie doch auch einmal am Strand nach einem Exemplar." Aber klar doch, machen wir! Jetzt ist ja auch die beste Zeit, um tatsächlich solch ein Stückchen Gold der Ostsee zu finden. Die Herbstwinde sind dabei die besten Verbündeten der Schatzsucher, denn sie spülen die Urzeit-Harztropfen an den Strand. Ein bisschen Glück und gute Augen gehören natürlich auch dazu.

Mit Pullover, Anorak, wasserfesten Schuhen den jetzt fast menschenleeren Endlos-Strand von Graal-Müritz entlangzuwandern: Das ist Erholung pur. Die frohe Erwartung, vielleicht doch einen kleinen Bernstein zu finden, gibt den Kick dazu. Die Sonne strahlt vom klarblauen Himmel, die Wellen rauschen herbstwindbewegt, und dann noch diese Luft… Dass die an der See sowieso gesund ist, weiß man ja. Aber in Graal-Müritz kommt noch ein Extra dazu. Ein besonderes Trio quasi als Medizin aus der Luft: Wald trifft Moor trifft Meer.

Zur Landseite ist Graal-Müritz von der Rostocker Heide umgeben. Dieser Küstenwald ist dazu noch das größte geschlossene Waldgebiet in ganz Norddeutschland. Direkt an den Ort grenzt außerdem ein ausgedehntes Hochmoor mit vielen seltenen Tieren und Pflanzen. Das gibt es so nirgendwo sonst.

Dass diese auch landschaftlich so reizvolle Dreieinigkeit ein ganz besonderes Heilklima erzeugt, entdeckte schon 1877 der Leibarzt der Schweriner Herzöge Carl von Mettenheimer. Was prompt den Bade- und Kurbetrieb florieren ließ. Bis heute ist der beschauliche 4 000-Einwohner-Ort geprägt von Hotels und Pensionen im Bäderstil der vorigen Jahrhundertwende und lauschigen Reetdachhäusern. Die einst von Mettenheiner gegründete Kinderklinik gibt es sogar noch, zu ihr gesellten sich inzwischen zahlreiche Kureinrichtungen.

Kein Wunder, dass der Ort auch zahlreiche Promis anzog. Der Kinderschriftsteller Erich Kästner verbrachte hier so manchen Sommer und hat seine Ferienabenteuer in der Erzählung "Emil und die drei Zwillinge" festgehalten. Franz Kafka lernte hier 1923 seine große Liebe Dora Diamant kennen und Kurt Tucholsky verlebte seine Flitterwochen. Auch Hans Fallada schwärmt in seinem Buch "Damals bei uns daheim" von unbeschwerter Sommerfrische in Graal-Müritz.

Doch jetzt ist Herbst. Wir wandern am Strand. Augen am Boden. Vielleicht, ja vielleicht haben wir doch Schatzsucherglück. Die Tricks hat man uns in unserem Hotel "Zum Deichgraf" mit auf den Weg gegeben. Das 4-Sterne-Haus liegt so direkt am Strand, näher geht's gar nicht. Da ist man natürlich auf Bernsteinsucher eingerichtet. Also: Immer da gucken, wo Holz, Muscheln und Seetang zusammen angeschwemmt worden sind. Wenn zuvor auflandiger Wind herrschte, umso besser. Doch heute, leider, leider, geizt das Meer mit seinem Gold. Wir haben auch nicht das kleinste Stückchen gefunden.

Auch nicht so schlimm. Süßen Trost gibt es bei den weithin berühmten Kuchen und Torten nach alten Hausrezepten im Kaffeestübchen Witt. Eine Institution voller Verführungen. Spezialität: der Riesenkirschwindbeutel. Vor dem gemütlichen Reetdach-Café trifft man sich auch zu den beliebten geführten Moorwanderungen. Und kann auf der rund zwei Stunden langen Tour seltene Tiere und Pflanzen in nächster Nähe erleben. Orchideen, den fleischfressenden Sonnentau, Wollgras oder den seltenen Gagelstrauch.

Und der Bernstein? Den kann man auch ohne eigenes Finderglück erleben - in ungeahnter Menge und Vielfalt. Etwa in der Natur-Schatzkammer in Neuheide, östlich von Graal-Müritz. Hier hat der Biologe und Sammler Robby Krasselt eine Erlebniswelt aus den Schätzen rund ums Meer geschaffen. Tiere, Pflanzen, Muscheln, Bernstein - mehr als 60 000 Exponate insgesamt. Ein außergewöhnliches Privatmuseum, das dem Marco-Polo-Reiseführer immerhin einen Insider-Tipp wert ist.

Noch ein paar Kilometer weiter lockt das Deutsche Bernsteinmuseum in Ribnitz-Damgarten mit "der schönsten Bernsteinsammlung Europas" jährlich Zehntausende Besucher an. Im norddeutsch-typischen Backsteinbau eines ehemaligen Klosters wird in modernen Schauräumen alles rund um den Bernstein und seine vieltausendjährige Geschichte lebendig. Und, ach ja, Tipps für potenzielle Bernsteinsucher wie uns gibt es auch. Wie man echten Bernstein erkennt etwa. Nämlich so: Schlagen Sie vorsichtig mit dem Fundstück an Ihre Zähne - wenn es dumpf klingt und nicht unangenehm klirrt, ist es echter Bernstein. Gut zu wissen fürs Sammlerglück. Beim nächsten Mal am herbstlichen Ostseestrand.