1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Reisen
  6. >
  7. Segel-Abenteuer Fünfmaster: Mit der „Royal Clipper“ durch das Mittelmeer

Segel-Abenteuer Fünfmaster Mit der „Royal Clipper“ durch das Mittelmeer

Kreuzfahrt Auf den Spuren von Filmfestspielen, Formel 1 und Carrara-Marmor

Von Axel Ehrlich Aktualisiert: 05.09.2025, 14:40
Die nächtliche Kulisse von Monaco.
Die nächtliche Kulisse von Monaco. Foto: Axel Ehrlich

Um vor der Kulisse von Cannes aufzufallen, braucht es schon etwas wirklich Besonderes. Der Hafen quillt, auch wenn geradxe keine Filmfestspiele sind, zuweilen fast über von luxuriösen, sehr luxuriösen und wirklich luxuriösen Segelyachten. Superreich kann hier fast jeder.

Einen unbestreitbaren Hingucker gibt es diesmal aber doch: Fünf Masten, die bis zu 54 Meter in den Himmel ragen, 42 Segel mit insgesamt 5200 Quadratmetern Fläche (ja, fast so groß wie ein Fußballfeld). So gleitet der Großsegler „Royal Clipper“ vor der Küste von Cannes durchs Panorama. Segel-Kreuzfahrt durch das Mittelmeer Cannes, Monaco, Portofino… Küstenstädte mit Namen, die nach Sommer klingen, auch wenn in Nordmitteleuropa schon der Herbst grüßt. Nach Champagner oder Prosecco, nach Schirmchengetränk und Limoneneis auf kopfsteingepflasterten Altstadtstraßen vor azurblauen Wellen.

Der eigentliche Star einer solchen Reise, sorry, Ihr berühmten Touristenorte mit Euren klingenden Namen, ist jedoch die Lady mit den weißen Segeln. Die “„Royal Clipper“„, Baujahr 2000 hat alles, was ein Kreuzfahrtschiff so braucht: mehrere Pools und Bars an Deck, Spa und Fitnesscenter, am Heck eine Marina für alle möglichen Wassersportaktivitäten. Was es hier nicht gibt: Massengedränge am Buffet (das Schiff ist mit maximal 227 Gästen unterwegs).

ZeitloseSeefahrtromantik

Okay, mit modernen Kreuzfahrt-Annehmlichkeiten und ein bisschen maritimem Bling bling. Unter Deck trifft man sich vorwiegend im Atrium: ein offener Raum über drei Stockwerke, getragen von vier Riesen-Säulen. Überall Verzierungen, geschwungene Treppen. Von oben dringt flirrendes Tageslicht, gefiltert durch das Wasser im semitransparenten Glasboden-Pool. Am weißen Flügel spielt der Pianist leise Johann Strauß-Melodien, die vom sanften Klirren der Gläser beim Aperitif begleitet werden.

BeeindruckendeAblege-Show

Punkt 22 Uhr positionieren sich die Matrosen an Deck. Jeder hat seine Aufgabe, alles zig Mal geübt. Zuerst werden die vorderen Segel, die Klüver gehisst. Falle, so nennt der Seemann die Seile,Taue,Strippen, die man dafür braucht, werden nach einer festgelegten Dramaturgie so lange gezogen, bis das jeweilige Segel in Position ist - und dann wieder richtig belegt, also seemännisch festgemacht.Ein leises Rauschen begleitet uns, die lichterglänzende Kulisse von Cannes verschiebt sich erst langsam, dann immer schneller. Wir! Segeln!

Graziös, anmutig sieht das aus. Egal, ob man selbst an Bord ist, oder aus der Zuschauerperspektive. Zuweilen launenhaft verhält sich die “Royal Clipper„ im seemännischen Umgang, sagt die Besatzung. Oder wie ein früherer Kapitän des Schiffes gern stolz, aber immer auch einen Hauch von genervt verkündete: She is a Lady (siehe oben). Sie, also das Schiff, ist eine echte Dame.

Einer der schönsten Momente an Bord: morgens, wenn die anderen Gäste noch schlafen, mit einer Tasse Kaffee ganz nach vorn schlendern und zuschauen, wie der schnittige Bug die Wellen teilt. Allein mit dem neuen Tag, dem alten Schiff und dem seit Jahrmillionen immer gleichen und doch jedesmal anderen Meer.

Nächster Halt: Monaco.

Am Mini-Stadtstrand unterhalb des Felsens, auf dem das Fürstentum thront, schwimmen mit Aussicht. Glasklares Wasser, draußen liegen die Kreuzfahrtschiffe auf Reede. Vom Hafen geht es mit dem Fahrstuhl rauf in die höhergelegene Altstadt. Am engen Steilhang drängen sich die Gebäude - viel Haus auf wenig Grund. Darunter zahlreiche Zweit- und Dritt-Immobilien, stehen deshalb oft viele Tage im Jahr leer. Das gleichen die Touristen (weit über 300.000 pro Jahr) locker wieder aus.

Wir sehen pittoreske Altstadt-Plätze mit lauschigen Cafes und Souvenir-Kitsch, prächtige historische Paläste und Bürohochhäuser von protzig-hässlich bis architektonisch überraschend. Zu Fuß geht es die legendäre Formel-1-Strecke rauf auf den Monte Carlo. Ein kleines Dosenbier am Straßenrand kostet hier oben um die 7 Euro. Dafür ist der unglaubliche Ausblick auf Hafen mit Mega-Yachten und “Royal Clipper„ inkludiert. Gut angelegtes Geld also.

Besuch beim Kapitän

Die Brücke ist das Reich von Kapitän Brunon Borowka. Er liebt das Meer - und sein Segelschiff. „Schon in der Grundschule wusste ich, ich werde mal Seemann“. Immer wieder schaute er beim Unterricht in seinem polnischen Heimatdorf die letzte Seite seines Lesebuchs an, auf der ein Großsegler im Hafen abgebildet war.

Er machte später seine Marineausbildung auf dem Schulschiff Dar Pomorza (“Geschenk Pommerns“), arbeitete später dort selbst als Ausbilder. Um die nötigen Seemeilen für das Kapitänspatent zu sammeln, schipperte Brunon zusätzlich im Winter vergleichsweise schnöde auf diversen Frachtern um die Welt. “Mein Herz gehört jedoch den Segelschiffen„, sagt Brunon. “Ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen.“

Eigner Eric Krafft, dessen Familie neben der „Royal Clipper“ noch die Viermast-Schwesterschiffe Star Clipper und Star Flyer über die Weltmeere schickt, sagt: “Das alles ist für uns Leidenschaft.Und das Wichtigste sind die Menschen. Unsere Passagiere und die Crew. Nur wenn das Team stimmt, sind die Gäste zufrieden.“

(Vorsicht Wortspiel) an Bord: Mastklettern am Großmast. Auf einer Seil-Leiter 30 Stufen nach oben. Mit Bergsteiger-Geschirr wie auf einem alpinen Klettersteig, nur zur Sicherheit. Oben erwartet uns: Lauwarmer Wind, perfekte Aussicht auf das famose Sonnendeck der „Royal Clipper“ genau unter uns. Mit Pool, Pool-Liegen, auf Pool-Liegen liegenden Urlaubern, alles aus Spielzeug-Perspektive.

Limoneneis und Jimi Hendrix

Die pittoreske Stadt schmiegt sich an den Hügel und schaut auf das Meer. Portofino ist ein äußerst beliebtes Urlaubsziel. Entsprechend voll und meist auch teuer sind die zahlreichen Restaurants in der ersten Reihe. Nur ein paar Gassen landwärts sind die Preise wieder eher normal. Geheimtipp: Die Gelateria Gepi mit dem vielleicht besten Eis weit und breit. Limone mit Joghurt ist kurz vor göttlich. Aus einem halb geöffneten Garagentor gleich nebenan dringen ziemlich professionelle Gitarrenklänge. Zwischen Autoreifen und halb auseinander geschraubten Vespas sitzt der Jimi Hendrix von Portofino. Schätzungsweise hoch in den 70ern, zupft er auf seiner schneeweißen Fender versunken magische Melodien. Er blickt kurz auf, als er unsere nach oben gereckten Daumen sieht und bedankt sich mit einem Lächeln.

Von Statuen und Zahnpasta

Die „“Royal Clipper„“ liegt auf Reede vor Lerici, das Tenderboot bringt uns in 20 Minuten zum Hafen. Hier wartet schon der betagte, aber sehr robuste Landrover Defender, ein englischer Allrad-Jeep, den man sonst oft in Safari-Filmen sieht. Ziel: Der Stoff, der die Region wohlhabend und berühmt gemacht hat. Der Landrover brettert Serpentinen bergauf. Links und rechts, eigentlich überall, ackern riesige Radlader, Muldenkipper, Sattelschlepper. Hier wird Carrara-Marmor geschürft. Die bis zu 1400 Meter hohen Berge hier bestehen nahezu komplett aus dem begehrten Gestein. Ein ganzes Gebirge aus künftigen Tischplatten, Grabplatten oder Vorgarten-Statuen.

Idealerweise ist der Marmor schneeweiß, hat möglichst wenige Adern. “Die sehen zwar toll aus, sind eigentlich aber Verunreinigungen durch andere Minerale wie Eisen“, erklärt Guide Michele. Die Adern beeinträchtigen die Stabilität des Gesteins, sorgen dafür, dass 60 Prozent des geschürften Materials nicht für große Blöcke und Platten taugen. Sondern nur zu Vorgarten-Kies - oder Zahnpasta: Fein gemahlenes Calziumcarbonat, auch aus Carrara- Marmor, übernimmt die Schmirgel-Funktion beim Zähneputzen. Ob das auch die alten Römer wussten, die hier bereits vor mehr als 2000 Jahren den Ausgangsstoff für ihre Statuen abgebaut haben?

Die Reise vergeht trotz vergleichsweise gemächlicher Segel-Geschwindigkeit viel zu rasant. Portoferraio, Civitavecchia noch, dann geht es wieder von Bord. Ein letzter Blick auf die stolze Lady. Ciao und Ahoi. Vielleicht bis zum nächsten Mal im Mittelmeer im kommenden Frühjahr. Oder schon jetzt im Winter in der Karibik.

Was für eine Schönheit:Die “Royal Clipper” unter vollen Segeln.
Was für eine Schönheit:Die “Royal Clipper” unter vollen Segeln.
Foto: Star Clippers
Badespaß an der Marina am Heck.
Badespaß an der Marina am Heck.
Foto: Axel Ehrlich

Info

Star Clippers betreibt drei der größten Passagier-Segelschiffe der Welt: die „Royal Clipper“, die Star Clipper und die Star Flyer. Die Schiffe bieten eine Kombination aus Segelromantik und modernem Komfort, wobei sie oft Ziele abseits der Routen größerer Kreuzfahrtschiffe ansteuern. Preisbeispiel Ligurische See: sieben Nächte Nizza, Frankreich – Lerici, Italien – Elba – Sant“ Amanza, Korsika – Bonifacio, Korsika – Alghero, Sardinien – Porticcio Strand, Korsika – Ajaccio, Korsika – Monaco – Nizza b 2.840 Euro in einer Doppel-Außenkabine inkl. Vollpension und Hafengebühren. Anreise geht extra. Infos unter www-star-clippers.de