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Österreich Kälteschock mit Klosterblick: Eisbaden am Millstätter See

Zwischen stiller Klosteridylle und prickelnder Kälte wird der Sprung ins Eiswasser zum besonderen Erlebnis – mit Tipps für Einsteiger und Sicherheitsregeln.

Von Sabine Glaubitz, dpa 22.12.2025, 00:05
Unter Eiswürfeln: Kaltbaden am Millstätter See.
Unter Eiswürfeln: Kaltbaden am Millstätter See. Michael Stabentheiner/Kärnten Werbung GmbH/dpa-tmn

Millstatt am See (tmn/dpa) - Vor mir liegt der Millstätter See, das Wasser glatt wie Glas, ein leichter, kühler Wind streicht darüber. Es ist Mitte März. Auf knapp 2.000 Metern Höhe kann man wenige Kilometer weiter in den Nockbergen noch Skifahren. Für mich geht es heute jedoch nicht auf die Piste, sondern hinein in eine Wanne voller Eiswürfel.

Noch stehe ich im warmen, lichtdurchfluteten Raum des Hotels Villa Postillion in Millstatt, Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs. Neben Skifahren und Wandern gehört am Millstätter See inzwischen auch das Eintauchen ins eiskalte Wasser zum Freizeitangebot. Hotels bieten entsprechende Programme, und für Fans gibt es frei zugängliche Kaltbadeplätze mit beheizten Umkleiden.

Millstatt, zwischen Klosterstille und Kälteschock 

Für mein erstes Eisbad könnte ich mir keinen friedlicheren Rahmen vorstellen. Millstatt, ein malerischer Ort mit knapp 3.500 Einwohnern und einem alten Benediktinerkloster, strahlt meditative Gelassenheit aus. Trotzdem kribbelt Nervosität in meinem Bauch.

Bernhard Friedrich, der den Workshop „Kalt- und Eisbaden“ leitet, vermittelt Ruhe und Konzentration. Er weiß, warum Menschen sich der Kälte aussetzen: um Stress abzubauen, das Immunsystem zu stärken und körperliche und geistige Widerstandskraft zu trainieren.

Die Grenze zur Kälte

Bevor es ins eiskalte Wasser geht, erklärt Bernhard, wie man den Körper schützt und welche Risiken lauern – von Unterkühlung und Hautreizungen bis hin zu Atemnot oder gar Herzproblemen. Menschen mit Vorerkrankungen, sagt er, sollten vorher ihren Arzt fragen. Vorsichtiges Herantasten ist entscheidend. „Der Körper muss lernen, die Kälte nicht als Feind, sondern als Impuls wahrzunehmen“, sagt er.

Richtig vorbereitet, mit Atemübungen und Aufwärmübungen, ist das Risiko beherrschbar. „Bevor wir überhaupt ans Wasser gehen, bringen wir den Körper in einen Zustand, in dem er mit der Kälte gut umgehen kann“, fügt er hinzu. „Die Kälte soll ein Tool werden, das begleitet.“ Seine Workshops dauern fünf bis sechs Stunden, genug Zeit für Technik, Wissen - und das erste Eisbad. 

Die erste Atemrunde

„Tief einatmen – und loslassen“, sagt Bernhard. Ich liege auf der Matte, die Augen geschlossen, folge seinem Rhythmus: ein, aus, ein, aus. Der Brustkorb hebt sich wie eine Welle, Luft in Bauch, Rippen, Schultern. Dann Ausatmen und: Luft anhalten. Sekunden werden zur Ewigkeit. Die Welt verengt sich auf meinen Atem. Meine Finger kribbeln, Wärme breitet sich aus. Drei Runden wiederholen wir. 

Die Wim-Hof-Methode

Bernhard schwört auf die Wim-Hof-Methode – eine Kombination aus Atemübung und Kältetraining, die weltweit Begeisterung entfacht hat. Namensgeber Wim Hof, besser bekannt als „The Iceman“, stellte spektakuläre Kälterekorde auf: bestieg den Kilimandscharo in Shorts, stand fast zwei Stunden in einer Eistonne, ein Weltrekord, der lange nicht eingestellt wurde. Ich hingegen bin schon froh, wenn ich heute meinen Fuß länger als ein paar Sekunden in die Eiswürfel-Wanne tauchen kann.

Bernhard, Grinberg-Praktiker und Entspannungstrainer, weiß genau, wie man mit Angst, Schmerz und Anspannung umgeht. Seit 2018 steigt er selbst regelmäßig ins Eiswasser, 2021 ließ er sich zum zertifizierten Wim-Hof-Instruktor ausbilden.

Die Stunde der Wahrheit

Der See liegt still wie am Morgen, die Berge spiegeln sich im Wasser. Auf dem Steg wartet die Wanne – halbvoll mit Wasser und Eiswürfeln. Ein Thermometer in Entenform zeigt sechs bis sieben Grad Celsius – so kühl wie in der Mitte des Kühlschranks. 

Bernhard gießt noch Wasser nach und prüft das Eis. „Eis ist nicht gleich Eis“, sagt er. „Crushed Ice kühlt sofort, löst sich aber schnell auf. Und ob die Würfel bei minus 18 oder nur bei null Grad gelagert wurden, macht einen großen Unterschied.“ Für meinen Eisbade-Wannen-Trip hat er 30 Kilo bestellt – sorgfältig ausgewählt.

Ich beuge mich vor, sehe die kleinen Kristalle auf der Wasseroberfläche, spüre die Kälte schon aufsteigen. „Warum die Wanne und nicht der See?“, frage ich. „Kalt ist kalt. Für den Körper spielt das keine Rolle“, sagt Bernhard schmunzelnd. Die Wanne bleibt seine Wahl – vor allem für Anfänger. „Sicherheit geht vor. Am See kann jemand ausrutschen oder untertauchen, in der Wanne bin ich in unmittelbarer Nähe.“

Die Haut prickelt

„Bist du bereit?“, fragt er. Mehr als eine Routinefrage - ein Ritual, das Klarheit schafft. Atemtechnik noch einmal kurz ins Gedächtnis gerufen: tief ein, lang aus. Dann steige ich langsam in die Wanne. Mein Ziel: zwei Minuten - wie für Anfänger empfohlen, nicht länger.

Erst bis zu den Knien. Herz rast, Atem stockt. Tief einatmen, langsam hinsetzen, lang ausatmen – durchatmen, beruhigen. Nach zwei, drei Atemzügen ist der erste Schock vorbei. Die Haut prickelt.

Kleine Wanne, riesiges Erlebnis

Nach anderthalb Minuten stehe ich auf – langsam und kontrolliert, wie Bernhard es erklärt hat. Statt mich in Handtuch oder heiße Dusche zu flüchten, beginne ich mit Aufwärmübungen: Schattenboxen, kleine Schritte auf der Stelle, tiefe Atemzüge. 

So lässt sich der „Afterdrop“ vermeiden – das Nachsinken der Körperkerntemperatur beim Aufwärmen, wenn kaltes Blut aus Armen und Beinen zu schnell zurückströmt. Ein Moment, der unangenehm, manchmal sogar gefährlich sein kann.

Nach dem Umziehen treffe ich Bernard wieder. „Was nimmst du mit?“ fragt er. „Einen kleinen Sieg“, sage ich – spürbar, auch wenn kaum messbar, denke ich schmunzelnd. Ein Moment, der nachhallt, lange nachdem die letzten Eiswürfel geschmolzen sind. Seitdem gehört zumindest das Kaltduschen zu meinem Alltag. 

Links, Tipps, Praktisches:

Das Reiseziel: Der Millstätter See liegt in Kärnten.

Anreise: Mit dem Auto ist Millstatt am See ab München in rund vier Stunden zu erreichen, ab Stuttgart sind es etwa fünf bis sechs Stunden über A10 (Tauern-Autobahn) Richtung Villach; mit der Bahn ab München rund sechs Stunden (Umstieg in Salzburg oder Villach). Nächster Flughafen ist in Klagenfurt, etwa eine Stunde mit dem Auto vom Ziel entfernt.

Reiszeit: Die Workshops finden von November bis März statt. Zahlreiche Hotels rund um den Millstätter See bieten mittlerweile eigene Eisbade-Workshops oder Pakete inklusive Unterbringung an, darunter das „Hotel Hochschober“, das „Werzers“ oder der „Trattlerhof“.

Weiterführende Informationen: kaernten.at