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Heilige Orte  Heilige Orte : Israel - Wiege der Religionen

Von andreas burkhardt 22.02.2013, 16:08
Die Grabeskirche zählt zu den größten Heiligtümern des Christentums.
Die Grabeskirche zählt zu den größten Heiligtümern des Christentums. burkhardt Lizenz

Der Weg zum Galgenberg Golgatha (auch: Golgota) führt durch enge und dunkle Gassen. Vorbei an Scharen von Händlern, die lauernd vor ihren Geschäften stehen, sodass man bald im Zickzack geht und lustige Ausweichmanöver fährt, denn die Waren, die feilgeboten werden, sind nicht des Verweilens wert. Schlichte Souvenire, überteuerter Tand. Auch Reliquien sind im Angebot; wie sollte es anders sein in der heiligen Stadt Jerusalem.

Wie das unheilvolle Golgatha in der Antike ausgesehen haben könnte, das illustriert der schwedische Literaturnobelpreisträger Pär Lagerkvist in seinem Roman „Barabbas“: „Alles hier war unrein, voll Befleckung, und betrat man einmal diesen unseligen und mächtigen Ort, dann blieb bestimmt etwas von einem hier zurück, und es konnte geschehen, daß man hierher zurückgezwungen wurde – dann aber, um diesen Ort nie mehr zu verlassen. Schädel und Gebeine lagen überall verstreut, und umgefallene, halb vermoderte Kreuze.“

Den symbolträchtigen Hügel sucht man heute vergeblich. Ein dichtes Häusermeer und Mauern begrenzen die Vorstellungskraft. Dort, wo vor zweitausend Jahren der zu Unrecht verurteilte Rabbi erschöpft am Kreuz zusammen- und in der Stunde des Todes über Jerusalem eine wundersame Finsternis hereinbrach, steht heute die Grabeskirche. Diese im 4. Jahrhundert vom oströmischen Kaiser Konstantin in Auftrag gegebene Basilika ist eines der größten Heiligtümer des Christentums, wenn nicht sogar das größte. Dabei fehlt wie bei so vielem in der Christengeschichte die letzte Gewissheit. War es wirklich hier, wo Jesus starb und auferstand? Hat es Golgatha überhaupt gegeben? Das Lukas-Evangelium zum Beispiel nennt den Ort nicht explizit. Aber es sind eben auch all die Fragen, Zweifel und Mysterien, die die Jesus-Geschichte so interessant machen. Um das zu erfahren, bedarf es keiner tiefen Gläubigkeit, es reicht die natürliche Neugierde, die Lust des Geistes am Erkenntnisgewinn, es reicht ein Besuch Jerusalems, alles andere drängt sich von alleine auf.

Man lasse sich die Prozession der Franziskaner durch die Via Dolorosa nicht entgehen – ein Erlebnis! Täglich um 15 Uhr (im Sommer um 16 Uhr) schreiten Franziskaner-Mönche teils singend, teils rezitierend den Weg ab, den Jesus mit dem schweren Kreuz zu gehen hatte, von der Verurteilung im Hause des Präfekten Pontius Pilatus bis zur Hinrichtungsstätte etwas außerhalb der einstigen Stadtmauer. Der „Way of the Cross“ markiert die letzten Stationen im Leben Jesus. Es sind vierzehn insgesamt, wobei sich die letzten fünf in der Grabeskirche befinden und dort eine beeindruckende Verehrung erfahren, so zum Beispiel der Salbungsstein oder die befremdlich wirkende Ädikula, die Grabungskapelle, im Stile eines türkischen Kiosks errichtet und seit einem Erdbeben durch Stahlstützen vor dem Einstürzen gesichert.

Jerusalem ist ein einzigartiger Schmelztiegel der Religionen. Juden, Christen und Muslime huldigen der Stadt als Wirkungsstelle verschiedener Propheten und Wohnsitz ihres einen, einzigen Gottes. Alles überragend und weithin sichtbar: der im 7. Jahrhundert auf dem Tempelberg erbaute Felsendom mit der Goldkuppel, eines der Hauptheiligtümer des Islams, Symbol für Mohammeds Himmelfahrt.

Dann die Klagemauer: als Überrest des Herodes-Tempels heiligster Punkt des Judentums. Täglich versammeln sich hier Tausende zum Gebet. Auch Reisende werden vorgelassen zur Mauer, sofern sie eine Kopfbedeckung tragen und die Gebete nicht stören. Am Eingang liegen Kippots bereit, die kleinen kreisförmigen Stoffmützen, die man sich als Ausdruck der Demut über den Hinterkopf zieht. Für Frauen gibt es einen eigenen, separaten Bereich.

In Reichweite der Klagemauer, am Fuße der Fahne Israels, gibt es regelmäßig auch noch anderes zu bestaunen: die Vereidigung junger israelischer Rekruten. Verblüfft folgt man der Zeremonie, bei der auch Soldatinnen das Kommando führen.

Armee und Polizei gehören zum Alltag Israels. Die Sicherheitsvorkehrungen sind speziell und die Präsenz an Waffen ist gewöhnungsbedürftig. Überall im Land und in der Stadt stößt man auf Soldaten mit Sturmgewehren. Der Nahe Osten bleibt ein Hot Spot. Im benachbarten Syrien herrscht Bürgerkrieg, in Ägypten der Ausnahmezustand, und wieder einmal rasselt der Iran mit den Säbeln und droht dem im Januar wiedergewählten Regierungschef Netanjahu und dem Staat mit seinen annähernd acht Millionen Einwohnern.

Anreise: Flüge von Leipzig nach Tel Aviv sind bei frühzeitiger Buchung ab 430 Euro (Hin- und Rückflug) möglich.

Übernachtung: Jerusalem hält eine Vielzahl von Möglichkeiten mit verschiedenen Ausstattungen, von Hotel bis Jugendherberge, bereit. Im Vergleich zu anderen Städten Israels muss man tiefer in die Tasche greifen.

Weitere Informationen:www.goisrael.dewww.iyha.org.il

Macht all das Israel zu einem Reiseland, das man besser meiden sollte? Deutsche, die in Israel leben oder studieren, schütteln den Kopf. Das lässt sich schnell nachvollziehen. Wer sich durchs Land bewegt, spürt nichts, was er in anderen Ländern nicht auch spüren würde. Nur Gaza, für das eine Reisewarnung vorliegt vom Auswärtigen Amt, sollte besser nicht besucht werden.

Jerusalem ist immer wieder gut für Überraschungen. Erst 2004 entdeckten Archäologen den Teich von Siloah in der Nähe des Gartens von Gethsemane. Der Teich ist über ein antikes Tunnelsystem, das man unbedingt besichtigen sollte, mit der Stadt verbunden und sollte die Wasserversorgung sicherstellen. Und vor zwei Monaten wurde der Fund eines rund 3 000 Jahre alten Tempels gemeldet. Die Überreste des Tempels aus der Zeit des Königreichs Judäa kamen bei Bauarbeiten eines neuen Teilstücks der Autobahn im Norden Jerusalems zum Vorschein.

Das an Sehenswürdigkeiten so reiche Jerusalem, das im Februar bereits mit frühlingshaften Temperaturen lockt, macht hungrig. Ein Insider-Tip: der Mahane Yehuda. Vom Damaskus-Tor der Altstadt sind es rund zehn Minuten mit dem Taxi. Umgerechnet acht Euro kostet die Fahrt. Saftige Erdbeeren, Obst und Gemüse aller Art, Brot- und Teigwaren, Fisch und Fleisch – der betriebsame Markt mit seinen alten Hallen steckt voller Genuss und Gaumenfreuden. Empfehlenswert: die zahlreichen Imbisse mit ihren orientalischen Speisen, Falafel etwa oder Foul, das sind Saubohnen, verfeinert mit Zitrone und Tahina. Eigentlich ein Arme-Leute-Essen. Für Liebhaber des Orients aber eine wahre Köstlichkeit.