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Die Prignitz Die Prignitz: Eine entschleunigte Landschaft

Von andreas heimann 19.04.2013, 16:32
Paddeln ohne Stress - auf der Löcknitz lässt sich die Landschaft der Prignitz entspannt per Kajak entdecken.
Paddeln ohne Stress - auf der Löcknitz lässt sich die Landschaft der Prignitz entspannt per Kajak entdecken. dpa Lizenz

Hier gehen die Uhren noch anders - in der Prignitz im Nordwesten von Brandenburg. Jürgen Herper könnte das bestätigen, wenn er eine Uhr hätte. Hat er aber nicht. Braucht er auch nicht. Der Ranger von der Naturwacht Flusslandschaft Elbe stapft die Böschung hinunter. Auch auf sein Fernglas kann er jetzt verzichten. Herper steht direkt vor einem Biberbau: „Da ist ne ganz starke Truppe drin“, sagt er, „sechs Tiere insgesamt.“ Die Ausmaße des Baus sind von außen kaum zu erkennen: „Die Biberburg ist riesig, zehn Meter lang und drei Meter hoch.“

Herper ist mit den Elbebibern quasi per du. „Hier im brandenburgischen Teil des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe gibt es jetzt gut 150 Tiere“, erzählt er. „Auf dem Tiefpunkt waren es nur noch 50.“ Mittlerweile fühlen sich die Tiere in der Prignitz wieder richtig wohl. „Ein Grund dafür ist der Mais auf den Feldern“, erklärt der Naturschützer. „Mais ist für Biber, was Schokolade für uns ist.“ Ausgewachsene Biber bringen problemlos 45 Kilo auf die Waage.

Herper schwingt sich aufs Fahrrad. Damit ist er hier zwischen den Elbdörfern am liebsten unterwegs und zeigt Besuchern der Prignitz die Landschaft, in der er groß geworden ist. Graugänse rasten hier jedes Jahr, Saatgänse auch. „Die sind etwas kleiner“, sagt Herper. „Und rufen auch anders. Ich wohne an der Elbe und höre das morgens gleich.“ Scharfgarbe und Löwenzahn blühen am Wegesrand, Sonnenblumen in den Gärten. In den Dörfern gibt es noch riesige Obstgärten und Streuobstwiesen. „Die Bäume sind oft über 100 Jahre alt“, erzählt Herper.

Der Ranger ist in Rühstädt, dem Europäischen Storchendorf, zur Schule gegangen und heute dort Bürgermeister. Storchennester sieht man hier auf etlichen Häusern, Rühstädt hat die größte Weißstorchpopulation Europas. Letztes Jahr haben 24 Paare dort gebrütet - und noch einmal 30 Paare in den Dörfern der Umgebung.

Natur entdecken lässt sich aber auch in Lenzen, wo der BUND in Burg Lenzen ein Besucherzentrum hat. Hinter der Burganlage spiegelt sich die Sonne auf der Löcknitz, einem Nebenfluss der Elbe. Ihr Wasser fließt träge, in der sanften Strömung wiegen sich Wasserpflanzen. An einem Steg liegt die „Biber 2“ und ein weiterer Kanadier, mit denen sich die Flusslandschaft erkunden lässt. Susanne Gerstner, die Leiterin des Umweltbildungszentrums auf Burg Lenzen, ist schon eingestiegen.

Seerosen und Teichrosen blühen an der Wasseroberfläche. Am Ufer steht Schilfrohr, darüber spielen Libellen in der Luft Fangen. „Die Auwälder sind hier noch so ursprünglich wie früher entlang der ganzen Elbe“, sagt Gerstner. „Fischotter und Eisvögel sind hier heimisch.“ Die Boote gleiten ruhig übers Wasser, das Paddeln mit der Strömung erfordert keine Höchstleistungen und trägt zur Entschleunigung bei.

Am nächsten Tag steht Gerstners Kollegin Birgit Fehlinks schon vor Sonnenaufgang am Burgtor, bereit zu einem Ausflug ins Rambower Moor. Dort ist nie viel los, aber um diese Uhrzeit ist buchstäblich niemand unterwegs. Fehlinks stapft zwischen Birken und Buchen auf dem Waldweg voran. Über den Weiden liegt noch Nebel, kein Vogelzwitschern ist zu hören, aber Kühe brüllen so laut, dass es fast unheimlich wirkt. Die Dexter-Rinder, die als besonders robust gelten, sind allerdings Nebensache. Fehlinks hat ihre Gäste hierher geführt, weil das Moor bei Rambow einer der größten Sammelplätze für Kraniche in Brandenburg ist. Und die lassen sich am besten am frühen Morgen beobachten.

„Tagsüber suchen sie Futter auf den Äckern“, erzählt die Biologin. Von einem Beobachtungsturm hat man einen guten Blick auf die Moorlandschaft. Mehrere tausend Kraniche sind dort versammelt. Fehlinks reicht ihr Fernglas weiter. Immer mehr Kraniche steigen jetzt in die Luft. Wenn die Sonne aufgegangen ist, sind die meisten von ihnen schon weg. Birgit Fehlinks hat vorgeschlagen, einen Kaffee in der „Moorscheune“ in Boberow zu trinken. Im ersten Stock sitzt man mit Blick durch ein riesiges Panoramafenster auf Wiesen und Wald: „Hier gibt’s Kuhkino“, sagt der Inhaber Christian Ebner, als er „Moorhappen“ zum Frühstück serviert: Mettwurst- und Käsebrot. Von den Biokühen ist aber noch keine zu sehen. Dafür streicht ein Fuchs am Waldrand entlang.

Wer sich mit Moorhappen gestärkt hat, kann problemlos wieder Rad fahren. Birgit Fehlinks steigt schwungvoll in den Sattel und startet Richtung Elbdeich. Kurz darauf zeigt sie auf die Altaue hinter dem Deich und auf die Elbe davor: „Der längste noch frei fließende Strom in Deutschland, das macht ihn zu etwas ganz Besonderem.“ Wie um ihr recht zu geben, zieht ein Seeadler seine Kreise. Seeadler sind in der Prignitz so alltäglich wie Spatzen anderswo. „Sie brüten im Auenwald“, sagt die Biologin.

Oben auf dem Deich stehen Schafe so dekorativ, als lasse ein Landschaftsmaler sie dort posieren - viel weiße Wolle auf grünem Gras unter blauem Himmel. Aber sie sind nicht einfach nur Hingucker. „Das sind unsere Deichpfleger“, erklärt Fehlinks. Wenige Kilometer weiter ist vom Elbdeich aus eine Herde Wildpferde zu beobachten. Die Zeit scheint stillzustehen.

Anreise

Die Flusslandschaft erreicht man von Haldensleben kommend auf der Bundesstraße 71 über Gardelegen, Salzwedel und Lüchow. Eine weitere Möglichkeit ist die Anfahrt über die B 189, die von Magdeburg über Stendal und Osterburg nach Wittenberge führt.

Informationen im Netz: www.dieprignitz.de

Telefon: Tourismusverband Prignitz: Tel. 03876/30 74 19 20

Das Rambower Moor ist Sammelplatz für Kraniche
Das Rambower Moor ist Sammelplatz für Kraniche
dpa Lizenz