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Volle Kraft auf vollen Seen Braucht der Bootstourismus mehr Grenzen?

Urlaub auf dem Hausboot, Wochenendtörn auf dem Bodensee: Während der Corona-Pandemie hat es viele Menschen aufs Wasser gezogen. Auf die Folgen für Natur und Umwelt wird beim Bootsverkehr bisher wenig geblickt.

Von Frederick Mersi, dpa Aktualisiert: 01.11.2022, 11:01
Mehrere Segel- und Motorboote liegen im Yachthafen am Bodensee.
Mehrere Segel- und Motorboote liegen im Yachthafen am Bodensee. Felix Kästle/dpa

Konstanz - Geld zahlen, Pfand hinterlegen und schon geht's mit dem Motorboot auf den Bodensee, ganz ohne Führerschein oder Schifferpatent. An sonnigen Sommertagen wird es nicht nur auf dem Gewässer zwischen Deutschland, Schweiz und Österreich schnell voll. Dazu trägt auch der Corona-Boom beim Geschäft mit Segelbooten und Jachten bei. Aber welche Folgen hat das für Umwelt und Natur?

Ein Forscherteam um den Umweltphysiker Frank Peeters an der Universität Konstanz untersucht das in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Brandenburg beim Projekt „SuBoLakes“. „Hintergrund ist, dass die Freizeitschifffahrt in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat“, sagt Peeters. „Dabei standen bisher die ökologischen Fragen zu sehr im Hintergrund.“

Milliardengeschäft

Der Tourismus auf dem Wasser ist in Deutschland ein Milliardengeschäft. Einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge sorgt er für Bruttoumsätze von mehr als vier Milliarden Euro. Besonders wichtig sind Bootsurlauber unter anderem an den Seenplatten in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Doch die vielen Boote können der Umwelt zusetzen. Der Lärm der Motoren kann Wasservögel stören, die gebildeten Wellen können den Boden am Ufer aufwirbeln und abtragen. Dadurch wiederum kann klimaschädliches Methan freigesetzt werden. „Es geht also auch um die Fragen: Wie weit sollten die Schiffe vom Ufer weg bleiben? Wie schnell sollten sie fahren dürfen?“, erklärt Peeters.

Mehr Boote benötigen zudem mehr Liegeplätze. „Da gibt es Tendenzen, die ein bisschen bedenklich sind“, sagt Wolfgang Ostendorp, der sich im Forschungsteam mit Seeufern beschäftigt. „Ähnlich wie bei Autos werden Boote immer größer und luxuriöser - und viele Touristiker schnüren schon komplette Pakete für Marinas mit Saunen und Tennisplätzen.“ Dafür bräuchten die Anlagen mehr Platz, mehr Stege und Hafenbecken - oft müssen dafür Naturflächen weichen.

Mögliche Umweltfolgen im Blick?

Sollte es also Grenzen geben für die Zahl der Boote? Das Bundesverkehrsministerium plane keine Obergrenze für Boote auf den Seen und Flüssen in seiner Zuständigkeit, sagt ein Sprecher auf Nachfrage. Mögliche Umweltfolgen des Bootsverkehrs spielten im Masterplan für die Freizeitschifffahrt aber „eine wichtige Rolle“.

Dem widerspricht das Landesamt für Umwelt in Brandenburg. „Schwerpunkt des „Masterplans Freizeitschifffahrt“ ist der Ausbau der Freizeitschifffahrt, nicht die Darstellung konkreter ökologischer Belastungen oder deren Minderung“, sagt eine Sprecherin der Behörde in Potsdam. Dazu fehlten ohnehin Daten, etwa zu Zahl und Größe der Boote sowie zur Häufigkeit der Fahrten von Motorbooten auf bestimmten Seen. Ein zentrales Register dazu gebe es nicht. Ohne solche Daten lasse sich eine Obergrenze für Boote aber nicht prüfen.

„Wir wollen nicht, dass die Bootsfahrerei verboten wird“, betont Projektleiter Peeters. Sie solle aber umweltverträglicher gestaltet werden. Die Ergebnisse des Projektes sollen auch Vertretern aus der Wassersport-Branche vorgestellt werden. „Dann wird sich zeigen, wie offen diese Nutzergemeinde dafür ist“, sagt Wolfgang Ostendorp. „Bisher war die Bestrebung eher, das Angebot für Wassertouristen auszuschöpfen. Und hier fallen ökologische Aspekte schnell hinten runter.“ Ende 2024 soll „SuBoLakes“ abgeschlossen sein.