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Australien Australien: Dschungel ohne Camp

Von Stephan brünjes 29.12.2011, 17:45

Halle (Saale)/MZ. - Die Prominenten leben im realen und echten australischen Dschungel - und dieser ist der gefährlichste der Welt." Sagt RTL. Und weil der Sender das ab 13. Januar wieder täglich seinen bis zu acht Millionen Zuschauern vorführt, hat er sicher nichts dagegen, wenn man mal vor Ort im Camp vorbeischaut zum Kurzbesuch bei "Ich bin ein Star - holt mich hier raus". Etwa, um wichtige Fragen zu klären: Warum hat der Camp-Tümpel "im realen und echten australischen Dschungel" eine Teichfolie? Oder: Wieso stehen die Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach im strömenden Regen, während die Promis wenige Meter weiter knochentrocken am Lagerfeuer lungern? Vor allem aber: Welche Tiere und Pflanzen machen den australischen Dschungel eigentlich so gefährlich?

Um den realen und echten Dschungelfaktor des 90 Autominuten südlich von Brisbane gelegenen Camps beurteilen zu können, sind eigene Dschungel-Erfahrungen bestimmt gut. Andy Ruddock hilft gern dabei, 1 900 Kilometer nördlich vom Camp im subtropischen Regenwald. Andy sieht aus wie der Bruder von Gunter Gabriel und schippert seine Gäste im Motorboot über den Daintree River - das Revier von "Scarface" und "Fat Albert". Zwei Krokodil-Machos, die den Fluss beherrschen - mit Prügeleien, gerne und oft gefilmt von Touristen.

Beide Krokodile sind so inzwischen Medienstars bei Youtube, in Zeitungen und TV, auch weil "Fat Albert" im November 2009 an einem Ausflugsboot hochstieg und neben den verschreckten Touristen in die Reling biss, wie Andy vergnügt erzählt. Seine heutigen Gäste rücken instinktiv enger zusammen. Ob Krokodile immer so aggressiv seien, fragt einer. "Nun ja", sagt Andy, Jeremy, ein fünfjähriger Junge, sei im Febraur 2009 von einem Croc gefressen worden, ein paar Flussbiegungen weiter oben. Aber aggressiv seien die bis zu fünf Meter langen Echsen eigentlich nur während der Brutzeit. Ebenso wie die grüne Baumschlange, die sich - "guckt mal da" - gerade über den Köpfen auf einem Ast entlang schiebt. Tierische Begegnungen, spannender als jede Kakerlaken-Dusche im Dschungelcamp.

Weiter geht’s in Richtung Camp mit Zwischenstopp im Örtchen Mossman zur Nachhilfe in einheimischer Pflanzenkunde bei Roy Gibson. Der heute 64-jährige Aborigine ist ein Dschungelkind. "Garrnar - kleiner Dingo" war sein Spitzname, weil er als Junge stets mit den Stammesältesten in den Regenwald stromerte. Heute führt er Touristen durch und warnt sie vor unscheinbaren Bäumen mit grünen Blättern. Wer den "Black Tar" anfasst, wird Sekunden später von höllischem Jucken und Schwitzen gepeinigt. Der Stinger-Tree daneben löst brennenden Schmerz aus, allein zu lindern mit Urin, sagt Roy: "Bloß kein Wasser drauf, das macht alles nur schlimmer." Deutsche Dschungelcamp-C-Promis könnten bei Roys Ausflügen auch lernen, wie die Ureinwohner regendichte Hütten aus Baumrinde bauen und dem "Wait-a-while"-Strauch wieder entkommen. Der heißt so, weil man - einmal in seinen Tentakeln verheddert - schon eine Weile warten muss, bis eine kräftige Heckenschere die Befreiung bringt.

Noch etwa 80 Kilometer Luftlinie bis zum Dschungelcamp - O’Reillys Guesthouse, eine rustikale Ferienanlage, 1 000 Meter hoch gelegen, fast auf dem Dach des Regenwaldes. Wilde Papageien hautnah beobachten, seltsame einheimische Tiere wie den tapsigen Tüpfelbeutelmarder erleben oder auf dem "Tree Top Walk" - schwankenden Hängebrücken zehn Meter über dem Boden - durch Regenwaldwipfel pirschen: Dafür fahren viele die enge, einspurige Serpentinenstraße hoch.

Und einige Gäste wollen hier erfahren, was es wirklich heißt, zehn Tage im Dschungel zu campen - gezwungenermaßen. "Stinson Walk" heißt dieser anstrengende 35-Kilometer-Tagesmarsch zur Absturzstelle eines Stinson-Propellerflugzeugs. 1937 krachte es infolge eines Wirbelsturms in den Regenwald. Von sieben Menschen an Bord krochen nur drei lebend aus dem Wrack. Rettungsdienste suchten tagelang in falschen Regionen des undurchdringlichen Dschungels und gaben auf.

Da machte Bernard O’Reilly, damaliger Chef des Gästehauses, sich auf, schlug sich allein mit einer Machete durch, zu der von ihm vermuteten Absturzstelle. Und tatsächlich: Nach gut einem Tag fand er zwei Schwerverletzte, abgemagert und völlig erschöpft, nachdem sie nur mit Beeren und selbst geschöpftem Wasser überlebt hatten. Tim O’Reilly, Großneffe des Retters Bernard, führt heute auf dessen Spuren über kaum markierte, verwilderte Pfade, Geröll und durch schlammige Täler zum Gedenkstein an der Absturzstelle - nur 30 Kilometer Luftlinie vom Dschungelcamp-Drehort entfernt.

Ankunft in Murwillumbah - 8 000 Einwohner, eine Durchgangsstraße. Zum Dschungelcamp? Die Antwort kennt hier jeder, Hotels und Geschäfte leben sehr gut vom TV-Spektakel im Ort: "Fahrt die Dungay Creek Road hoch, bis zum Ende!". Diese schmale Straße schlängelt sich nun keineswegs durch Dschungel, sondern eher durch ein hügeliges Heidi-Land mit Kühen, Laubwald und Lichtungen, vorbei an Einzelgehöften und Wohnhäusern.

Plötzlich eine Schranke, mit grüner Holzbude daneben. Heraus springt ein Türsteher in Tarnuniform mit Funkgerät und Schlagstock, notiert das Auto-Kennzeichen und bellt: "Whaduyuwant?" "Das Camp besichtigen würden wir…" Er faucht ein grimmiges. "No!" dazwischen, befiehlt sofortiges Umdrehen und Abhauen! Deutschlands Urwald-Big Brother für Hobby-Voyeure, dieses Pfadfinderlager der Schaben-Freude - so verschlossen wie eine Sträflingskolonie.

Um so offener dagegen die Erzählungen von ehemaligen Camp-Mitarbeitern in Murwillumbah: Eine alte Bananenfarm sei das Camp, umgebaut zum Schummel-Dschungel, mit Nebelmaschinen, künstlichen Teichen, einer Plastikplane gegen Regen und garantiert nur mit völlig ungefährlichen Tieren, von RTL-Mitarbeitern persönlich ausgesetzt.