"Agoraphobic Traveller" "Agoraphobic Traveller": Frau reist um die Welt - ohne ihre Wohnung zu verlassen
Peru, Senegal, Kirgisistan: Jacqui Kenny ist durch die halbe Welt gereist – ohne ihre Wohnung zu verlassen. 27.000 Bilder zeugen von ihrer Weltreise, die sie aus dem eigenen Wohnzimmer heraus unternommen hat. Wie kann das sein?
Kenny reist via Google Street View um die Welt. Der Grund: Sie leidet unter Agoraphobie. Betroffene haben große Ängste, sich an öffentlichen Plätzen aufzuhalten. Bei manchen Menschen wirkt sich die Angststörung so extrem aus, dass sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Tun sie es doch, leiden sie häufig unter Panikattacken. „Ich kann dann nicht mehr richtig atmen und mein Herz beginnt zu rasen“, schreibt Kenny in einem Google Blog Post.
Der Weg zum Supermarkt ist eine Herausforderung
„Für mich ist manchmal schon der Weg zum Supermarkt eine Herausforderung – ganz zu schweigen davon, weit weg zu verreisen“. Seit mehr als 20 Jahren leidet sie unter der Erkrankung und findet schließlich eine Möglichkeit, ihrer Situation zumindest vorübergehend zu entfliehen: Google Street View.
„Ich habe einen Weg gefunden, Orte überall auf der Welt zu erleben, nach deren Entdeckung ich mich lange gesehnt hatte, die mir im echten Leben verwehrt blieb“, so die Neuseeländerin, die in London lebt. „Ich entdeckte entlegene Städte und staubige Landschaften, leuchtende architektonische Prachtstücke und anonyme Menschen, alles eingefroren in einem Bild.“ Von den schönsten Momenten macht sie Screenshots, Mitbringsel ihrer virtuellen Reisen.
Zufalls-Bilder von Google Street View werden zu Kunstwerken
Sie bearbeitet die Bilder, betont das Besondere, was sie in den Aufnahmen entdeckt, die Googles Street-View-Auto aus rein funktionalen Gründen am Fließband machte. Nach und nach postet sie die Bilder auf ihrem Instagram-Account als „The Agoraphobic Traveller“.
Die Zufalls-Bilder des Internet-Giganten macht Kenny zu Kunstwerken: Die beiden Frauen, die in ihren traditionellen Gewändern an einer Moschee im Senegal vorbeischlendern, die Männer, die sich an einer Straßenecke im peruanischen Puno unterhalten und die Kamele, die durch die Wüste der Arabischen Emirate schreiten.
„Ich bin jetzt wie noch nie zuvor mit der Welt verbunden“
Ihr Instagram-Account wird immer erfolgreicher, inzwischen hat sie mehr als 83.000 Abonnenten. Kürzlich ist Kenny sogar zum ersten Mal wieder in ein Flugzeug gestiegen – und zu der Eröffnung ihrer eigenen Ausstellung nach New York „The Agoraphobic Traveller“ geflogen. „Ich mache jetzt Dinge, von denen ich nicht dachte, dass ich sie jemals tun würde“, so die Londonerin in einem youTube-Video, das Google über sie gedreht hat. „Ich bin jetzt wie noch nie zuvor mit der Welt verbunden.“
Ihre Streetview-Portraits verkauft sie mit der Erlaubnis von Google und in Zusammenarbeit mit „Stories for Good“ nun über ihre Homepage, der Erlös geht an die „Brain and Behavior Research Foundation“. Die NGO setzt sich für ein besseres Verstehen psychischer Krankheiten und die Präventionsarbeit ein. Kenny glaubt, dass ihre Arbeit auch Hoffnung spenden kann: „Ich hoffe einfach, dass ich ein Beispiel dafür sein kann, dass auch aus Deinen dunkelsten Zeiten wundervolle Dinge entstehen können.“ (rer)