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125 Jahre Kreuzfahrt 125 Jahre Kreuzfahrt: Vom exklusiven Ozeandampfer zum Partyschiff für alle

Von Michael Zehender 04.01.2016, 13:59
Die neueste Aida-Generation: «Aida Prima» soll nach mehreren Verzögerungen ab Frühjahr 2016 ganzjährig ab Hamburg fahren.
Die neueste Aida-Generation: «Aida Prima» soll nach mehreren Verzögerungen ab Frühjahr 2016 ganzjährig ab Hamburg fahren. Aida Cruises/ dpa-tmn Lizenz

Es war eine betuchte Gesellschaft, die am 22. Januar 1891 in Cuxhaven an Bord der „Augusta Victoria“ ging: Rittergutsbesitzer, Kommerzienräte, Konsuln, Bankiers. Kein Wunder: Der Preis für die bevorstehende Fahrt überstieg mit bis zu 2400 Goldmark das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiterhaushalts um das Dreifache. Dafür wurden die 174 Passagiere auch Zeugen eines historischen Ereignisses: der ersten Kreuzfahrt der Welt. Bei der Abfahrt schaute sogar Kaiser Wilhelm II. vorbei.

Bis dato war der Zweck von Schiffen, Passagiere und Fracht schnell von A nach B zu bringen. So war das auch bei der „Augusta Victoria“ von Hapag, die sonst auf der Route von Hamburg nach New York fuhr. Doch in den Wintermonaten wagte sich kaum jemand auf die stürmische Reise. So hatte Reeder Albert Ballin eine Idee: Warum nicht mit dem Schiff im Winter zum Vergnügen in wärmere Gewässer fahren?

„Mit dieser Idee stand er damals ganz alleine da“, erzählt Karl J. Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und damit so etwas wie der Nachfolger von Ballin. „Zur See fuhr man damals einfach nicht freiwillig.“ Als 57-tägige „Exkursion“ war die Fahrt mit der „Augusta Victoria“ ausgeschrieben. Von „Kreuzfahrt“ sprach damals noch niemand. Von Cuxhaven ging es unter anderem nach Alexandria, Beirut und Konstantinopel.

Die ersten Tage an Bord waren wenig angenehm: In Cuxhaven gab es schon beim Auslaufen Probleme, das Meer war rau. An den ersten Abenden war der Speisesaal wohl ziemlich leer. Als Entschädigung ließ Ballin zum Frühstück Austern servieren. Doch bald wurde es besser - und die Reise zu einem vollen Erfolg mit einigen Abenteuern.

Statt 174 Passagieren finden heute auf den größten Ozeanriesen wie der „Harmony of the Seas“, die 2016 in Dienst gestellt wird, weit mehr als 6000 Menschen Platz. Wasserrutschen über zehn Decks, Fallschirmspringen, Wellenreiten, Kletterwand, Autoscooter, Schlittschuhbahn: All das gibt es heute an Bord. Für eine Kreuzfahrt muss niemand mehr ein Vielfaches seines Jahreseinkommens ausgeben.

Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg. Nach dem Erfolg der „Augusta-Victoria“-Fahrt stellte Hapag 1900 das erste reine Kreuzfahrtschiff der Welt in Dienst: die „Prinzessin Victoria Luise“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zunächst einmal keine Kreuzfahrten mehr. Erst Ende der 1950er Jahre fand auf der „Ariadne“ wieder eine Kreuzfahrt statt, in der DDR waren Kuba-Fahrten mit der MS „Völkerfreundschaft“ beliebt. Doch im Grunde blieb lange Zeit vieles den alten Traditionen verhaftet.

Bei Kreuzfahrt dachte man damals an Kapitäns-Dinner, Abendgarderobe und Shuffle-Board - so, wie man es eben jahrelang vom „Traumschiff“ gewohnt war. „Viele Vorurteile gegenüber der damaligen Kreuzfahrt waren da nicht ganz unberechtigt“, sagt Helge Grammerstorf, heute National Director des Branchenverbandes Clia Deutschland.

Nächste Seite: So drastisch hat sich der Kreuzfahrttourismus seit den 1990er Jahren verändert.

Das änderte sich erst Mitte der 1990er Jahre, als Horst Rahe mit Aida an das Konzept der amerikanischen Spaßschiffe und des Cluburlaubs anknüpfte. „Das Clubschiff“ lautete der Beiname. Letztlich setzte sich das neue Konzept durch. „Wer hat das schon, dass das Hotel jeden Tag an einem anderen Ort ist“, so Grammerstorf.

Die Rostocker Reederei ist knapp 20 Jahre später Marktführer in Deutschland, die neue „Aida Prima“ (Taufe im Frühjahr 2016) wird das elfte Schiff der Flotte, drei weitere sind bereits bestellt. Daneben sind heute in Deutschland Tui Cruises, Hapag-Lloyd Kreuzfahrten und Phoenix weitere große Mitspieler auf dem Hochseekreuzfahrtmarkt. Und es gbt Konkurrenz aus dem Ausland: MSC oder Costa aus Italien und US-Reedereien wie Norwegian Cruise Line oder Royal Caribbean.

Bei allen Unterschieden zwischen der „Augusta Victoria“ und modernen Kreuzfahrtschiffen sieht Pojer doch viele Gemeinsamkeiten: „Die Kreuzfahrt ist ein ganzheitliches Erlebnis, die Passagiere bekommen exklusive Reiseerlebnisse. Wir haben im Grunde vieles von Ballin und der „Augusta Victoria“ weiterentwickelt.“ Landausflüge gab es früher wie heute, Ballin erfand daneben die Bordzeitung, auf den Tischen standen Blumenbouquets, Essen war und ist sehr wichtig.

Und die Deutschen lieben die Kreuzfahrt. 2014 verbrachten nach Angaben von Clia 1,77 Millionen Menschen ihren Urlaub auf dem Schiff. Innerhalb von zehn Jahren hat sich diese Zahl verdreifacht. Mit der steigenden Zahl an Passagieren ist auch die Vielfalt der Schiffe gestiegen. Für fast jeden Geschmack ist etwas dabei: vom kleinen Expeditionsschiff, das in die Antarktis fährt, über das klassische Kreuzfahrtschiff bis hin zu den Massenschiffen.

Das Wachstum der Kreuzfahrtbranche hat auch ihre Schattenseiten offenbart. Zum einen sind viele Häfen heute schon überlastet. Zum anderen ist die Umweltverschmutzung ein Problem. Die meisten Kreuzfahrtschiffe fahren laut Umweltschutzbund Nabu mit billigem Schweröl. Erst langsam rüsten die Reedereien ihre Schiffe nach. Entweder setzen sie Abgasfilter ein oder gleich Motoren, die mit umweltfreundlicheren Kraftstoffen fahren.

(dpa)

Mit ihr begann alles: Auf der «Augusta Victoria» fand 1891 die erste Kreuzfahrt statt.
Mit ihr begann alles: Auf der «Augusta Victoria» fand 1891 die erste Kreuzfahrt statt.
Hapag-Lloyd AG/ dpa-tmn Lizenz
Purer Luxus: Das Innere der «Augusta Victoria» war - wie hier das Damenzimmer - aufwendig gestaltet.
Purer Luxus: Das Innere der «Augusta Victoria» war - wie hier das Damenzimmer - aufwendig gestaltet.
Hapag-Lloyd AG/ dpa-tmn Lizenz
Von Kreuzfahrt war noch nicht die Rede: Die Fahrt ab dem 21. Januar 1891 wurde als Exkursion beworben.
Von Kreuzfahrt war noch nicht die Rede: Die Fahrt ab dem 21. Januar 1891 wurde als Exkursion beworben.
Hapag-Lloyd AG/ dpa-tmn Lizenz
Eine Kleinstadt auf dem Wasser: Über 6000 Passagiere fasst die «Harmony of the Seas», die 2016 an den Start gehen soll.
Eine Kleinstadt auf dem Wasser: Über 6000 Passagiere fasst die «Harmony of the Seas», die 2016 an den Start gehen soll.
Royal Caribbean International/ dpa-tmn Lizenz
Hoch hinaus: Selbst Kletterwände gibt es - wie hier auf der «Norwegian Gem» - auf Kreuzfahrtschiffen.
Hoch hinaus: Selbst Kletterwände gibt es - wie hier auf der «Norwegian Gem» - auf Kreuzfahrtschiffen.
Norwegian Cruise Line/ dpa-tmn Lizenz
Arbeiten am Handicap: Auf einigen Kreuzfahrtschiffen gibt es spezielle Golfbahnen.
Arbeiten am Handicap: Auf einigen Kreuzfahrtschiffen gibt es spezielle Golfbahnen.
Crystal Cruises/ dpa-tmn Lizenz