1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Rehfleisch sanft braten und zart würzen

Rehfleisch sanft braten und zart würzen

Von Eva Neumann 02.11.2007, 08:57

Hildesheim/dpa. - Wenige Gerichte sind so an eine Jahreszeit gebunden wie Reh an Herbst und Winter. Weil das Wild im übrigen Jahr kaum zu haben ist, wird es zu dieser Zeit als besondere Delikatesse geschätzt.

Und aus demselben Grund wagen sich viele Hobbyköche nicht so recht an die Zubereitung: Es fehlt die Übung. Dabei überzeugt Rehfleisch nicht nur durch seinen ungewöhnlichen, intensiven Geschmack und seine Zartheit. Auch bei den Inhaltsstoffe hat es einiges zu bieten: Es enthält wenig Fett und damit wenig Kohlenhydrate, jedoch mehr Eiweiß als andere Fleischarten.

Der Klassiker ist der Rehrücken. «Das liegt zum einen daran, dass dies das beste Stück vom Reh ist, zart, saftig und besonders mager», erläutert Ansgar Lehne, Inhaber einer Wild-Spezialitätenfleischerei in Hildesheim. «Zum anderen ist Rehrücken einfach in der Zubereitung. Und es gibt eine Vielzahl an Rezepten.»

Der Fleischermeister selbst schwört auf kurz gebratenen Rehrücken. «Allerdings erfordert es einiges Geschick, einen ganzen Rücken zu tranchieren und dann noch heiß auf den Tisch zu bringen», sagt Karl-Josef Fuchs, Küchenchef im «Hotel-Restaurant Spielweg» in Münstertal in Baden-Württemberg. Ein wenig geübter Hobbykoch sollte daher besser zu ausgelösten Filetsträngen greifen.

In Medaillons geschnitten lässt sich der Rehrücken besonders schnell zubereiten. «Wenig Aufwand machen Medaillons, die in Kalbsbrät gehüllt, mit Wirsing umwickelt und gedämpft werden», sagt Johanna Fuß, Ernährungsexpertin und Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft aus Wolnzach in Oberbayern.

Ob ganz oder in Stücken - zu scharf darf das hochwertige Fleisch auf keinen Fall gebraten werden, sonst wird es trocken. Wenn sein Saft noch ganz leicht rötlich ist, kommt das Bratgut aus der Pfanne. Mit Folie bedeckt sollte es etwas ruhen und dann nochmals kurz in den heißen Ofen gelegt werden. «Zu solch zart gebratenem Fleisch passen frische Marktgemüse und leichte Soßen», sagt Lehne. Küchenchef Fuchs kombiniert das Fleisch in der leichten Herbstküche gerne mit geschwenkten Steinpilzen oder Pfifferlingen, mit Schupfnudeln oder Kartoffelküchle, mit Pilz- oder Maronenrisotto.

Geschmorte Wildgerichte wie Rehschulter, -haxe oder -keule sind deutlich deftiger. Der größte Fehler ist, den Wildgeschmack zu töten - zum Beispiel mit einer Wildgewürzmischung, die schon seit drei Jahren im Regal steht. «Salz und Pfeffer, vielleicht noch Rotwein und Preiselbeeren - mehr braucht es gar nicht», sagt Lehne.

Auch beim Schmorgericht ist das oberste Gebot: Vorsicht mit der Temperatur! Bei höchstens 180 Grad gart ein Braten schon mal eineinhalb Stunden. Gewürze und Kräuter kommen, vorsichtig dosiert, erst am Schluss dazu. «Etwas bittere Schokolade hebt den Geschmack enorm. Oder das mexikanische Gewürz Mole mit seinen Chili- und Kakao-Aromen», verrät Küchenchef Fuchs. Als Beilagen sind Rosenkohl oder Rahmwirsing sowie Klöße nahezu unersetzlich - höchstens vielleicht durch Kartoffeln oder Kroketten.

Schulter, Haxe oder Keule müssen nicht zwingend als ganzes verarbeitet werden. Auch als Ragout kommen sie zum Einsatz. Oder als Hackfleisch und zwar nicht nur in der unspektakulären Frikadelle. «Sehr lecker ist eine Herbstrolle: Wildhack wird mit Kraut und Lauch gemischt, auf Blätterteig gestrichen und gerollt. Von der Rolle werden dann Scheiben geschnitten und gebacken», erläutert Fuß. Die Hack-Blätterteig-Schnecken können genau wie Rehterrinen gut als Vorspeise gereicht werden. Dazu passt Preiselbeerkompott genauso wie ein Chutney aus Äpfeln, Aprikosen oder Birnen.

An frisches Rehfleisch kommen Hobbyköche in der Saison, also zwischen September und Januar, auf verschiedenen Wegen. «Am besten lässt sich Wild beim Jäger oder klassischen Wildhändler vor Ort kaufen», sagt Fuchs. «Allerdings tut sich ein durchschnittlicher Verbraucher sicherlich schwer damit, ein ganzes Reh zu zerlegen und eine solche Menge Fleisch zu lagern und zu verbrauchen.»

Ausgelöstes Fleisch gibt es nicht bei jedem Jäger, wohl aber in Spezialitätenfleischereien. Im Zweifelsfall sollten Verbraucher vorher nachfragen und vorbestellen, um genau das gewünschte Stück zu bekommen. Schließlich wird Reh dank seines Seltenheitswertes vor allem an Festtagen oder bei Familienfeiern serviert.

Literatur: Lucas Rosenblatt: Wild auf Wild. Haedecke, ISBN: 978-3-7750-0519-7, 9,95 Euro; Christa Muhle-Witt: Wild in der Küche. BLV, ISBN: 978-3-8354-0206-5, 24,90 Euro.