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Regionale Spezialität Regionale Spezialität: Maultaschen werden immer beliebter

Von Heidemarie Pütz 09.11.2004, 14:55
Maultaschen waren ursprünglich eine Fastenspeise. (Foto: dpa)
Maultaschen waren ursprünglich eine Fastenspeise. (Foto: dpa) Maggi Kochstudio

Weikersheim/Ditzingen/dpa. - Maultaschen werden im Schwäbischen auch «Hergotts B'scheißerle» genannt. Denn die ursprüngliche Fastenspeise verbirgt in ihrem Teigmantel neben Spinat auch etwas Fleisch.

Die schwäbische Nationalspeise wird nicht nur von Hand gemacht, sondern ist auch als Schnellgericht mit allerlei Füllungen in den Supermarktregalen zu haben. Auch außerhalb Schwabens hat die delikate Teigware inzwischen immer mehr Anhänger gefunden.

«In einem unliebenswürdigen Gewand verbirgt sich ein delikater Kern. Sie schmecken hehlinge gut», schrieb der 1980 verstorbene Autor Thaddäus Troll in seinem Bestseller «Deutschland deine Schwaben». Hehlinge meint heimlich, versteckt. Denn eine blasse Teighülle verbirgt eine köstliche Füllung: Spinat, Zwiebeln, Eier, Petersilie, Muskat, Majoran, Bratwurstbrät, Schinken, Fleisch oder geräucherter Speck.

Ob Maultaschen gewickelt oder wie ein Strudel gerollt werden, ist unter Schwaben eine Streitfrage. «Je südlicher, desto mehr wird gewickelt», sagt Gourmetkoch Jürgen Koch vom Hotel-Restaurant «Laurentius» in Weikersheim bei Bad Mergentheim. Die Hülle ist ein dünn ausgerollter Nudelteig. Für die Füllung hat jede schwäbische Familie ihr eigenes Rezept.

Ob lediglich Brät oder zusätzlich gemischtes Hackfleisch, ob gekochtes Siedfleisch oder Landjäger und Rauchfleisch in die Hülle kommen, das ist Familiensache. Koch empfiehlt etwa 40 Prozent Fleisch, ebenso viel Brötchen sowie 20 Prozent Spinat und Kräuter. «Die Maultaschen müssen prall gefüllt sein.» Aufgeschnitten muss das Ganze für ihn «ein Gesicht haben», das heißt Fleisch, Brötchen und Kräuter sollten noch erkennbar sein - eben handgemacht.

Beim Essen sind sich alle Schwaben einig: Maultaschen werden in einer Rindsbrühe serviert und danach als zweiter Gang mit geschmälzten Zwiebeln und Kartoffelsalat gegessen. Vom Vortag übriggebliebene Exemplare werden in Streifen geschnitten und mit verquirltem Ei gebacken. Dazu gibt es grünen Salat. Inzwischen hat sich die moderne Gastronomie der Maultasche bemächtigt und mit Lachs, Pilzen und vielem mehr gefüllt. Jürgen Koch bleibt jedoch dem Klassiker treu: «Hummer- oder Kaninchenmaultaschen sind vielleicht chic, aber mein Credo ist die ursprüngliche regionale Küche.»

Früher standen die Maultaschen im Ruf ein Arme-Leute-Gericht zu sein, da die Zutaten erschwinglich waren. Übriggebliebene Speisereste konnten in der Fülle verarbeitet werden. Für Koch der Grund, warum die Fastenspeise außerhalb der Mauern des Klosters Maulbronn populär wurde. Denn in dem 1147 gegründeten Zisterzienserkloster sieht er die Geburtstätte des schwäbischen Spitzenerzeugnisses. Noch ist die grün gefüllte Fastenspeise am Gründonnerstag in Schwaben ein Muss. Einer eher unwahrscheinlichen Legende zufolge soll die 1318 geborene Gräfin Margarete Maultasch Namensgeberin gewesen sein.

Vielleicht wurden die Teigtaschen wie der Trollinger aus Österreich importiert, denn in einem Kochlexikon von 1795 werden unter «auf österreichisch zu machen» «Maultasche oder Schlickkrapfen von Mundmehl» aufgeführt. Geschwister hat die Maultasche jedenfalls viele, so die chinesischen Wan-Tans, russische Palmieni, italienische Ravioli oder jüdische Kreplachs.

Auch in Schwaben werden Maultaschen nicht immer von Hand gemacht. Bereits 1965 entwickelte das Familienunternehmen Bürger mit Sitz in Ditzingen bei Stuttgart die erste «Maultaschenmaschine». Inzwischen rollen im Crailsheimer Werk täglich rund eine Million Maultaschen vom Band, sagt die stellvertretende Marketingleiterin Nina Meistermann. Mit 20 unterschiedlichen Füllungen will der Marktführer jeden Geschmack treffen.

In Hamburgs Kantinen sind die industriell gefertigten Maultaschen eine willkommene Abwechslung. Meisterkoch Jürgen Koch hat kein Problem damit: «Als Fertigprodukt sind sie ein wesentlich besseres Fast Food als vieles andere.» Außerdem sind sie vielseitig zu variieren, mal in Brühe, mal in Tomatensauce oder in Olivenöl leicht angebraten.