Recht Recht: Pflegende Angehörige sollen mehr erben

Berlin/Hamburg/dpa. - Der Tod eines Angehörigen ist einSchock. Streit um das Erbe will in dieser Situation niemand - unddennoch gibt es ihn immer wieder. Mit einer Reform des Erbrechts willdie Bundesregierung zumindest einen Konflikt entschärfen: DieLeistung von Menschen, die kranke Angehörige pflegen, soll beimVerteilen des Nachlasses stärker berücksichtigt werden. Rund einDrittel aller Pflegebedürftigen wird zu Hause betreut.
Bisher haben Pflegende häufig das Nachsehen: «Trifft der Erblasserin seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Angehörige heute oft leer aus», so beschreibt dasBundesjustizministerium in Berlin die Lage. Ansprüche haben derzeitnur Kinder, Enkel und Urenkel, und das auch nur dann, wenn sie fürdie Pflege ihren Job aufgegeben haben. Ehepartner und eingetrageneLebenspartner kommen gar nicht zum Zuge.
Künftig kann nach den Plänen des Ministeriums jeder gesetzlicheErbe einen Ausgleich für kostenlos erbrachte Pflegeleistungenverlangen. Damit erweitert sich der Kreis der Berechtigten aufEhepartner und unter Umständen auf Eltern, Geschwister, Großeltern,Neffen, Nichten, Tanten oder Cousins und Cousinen.
«Schwiegertöchter sind nach wie vor ausgeschlossen, weil sie nichtzu den gesetzlichen Erben gehören», sagt der Notar undErbrechtsexperte Peter Rawert aus Hamburg. Ähnliches gelte für vieleRentnerinnen, die unverheiratet mit einem Partner zusammenleben.
Der Verzicht auf ein eigenes Einkommen und einen Beruf soll beimPflegeausgleich künftig keine Rolle mehr spielen. Davon profitierenvor allem Hausfrauen, die in ihren Familien zusätzlich krankeAngehörige betreuen. Künftig wird zum Beispiel folgendermaßengerechnet: Eine Frau hat ihre kinderlose, verwitwete Schwester dreiJahre lang gepflegt. Die Schwester hat kein Testament gemacht.Deshalb muss die Frau sich das schwesterliche Erbe von 100 000 Euromit ihrem Bruder teilen. Nach dem neuen Gesetz wird zuerst diePflegeleistung aus dem Nachlass bezahlt und der Rest unter denGeschwistern aufgeteilt.
«Die Bewertung der Leistung soll sich an den Sätzen dergesetzlichen Pflegeversicherung orientieren», erläutert Rawert. Inder höchsten Pflegestufe können an die 50 000 Euro zusammenkommen. ImBeispiel stünde diese Summe plus der Hälfte des verbleibendenVermögens der Schwester zu: Sie bekommt also 75 000 Euro, der Bruder25 000 Euro.
Obwohl die Gesetzesänderung Erbstreit vorbeugen will, birgt sienach Ansicht von Praktikern neuen Zündstoff - zum Beispiel, wennMiterben die Arbeit anzweifeln. In einem solchen Fall muss derPflegende «Art und Umfang beweisen», sagt Klaus Michael Groll, derPräsident des in München ansässigen Deutschen Forums für Erbrecht.«Entscheidend ist, was jemand wann wie lange getan hat.» Das Bettmachen, kochen, zum Arzt fahren, waschen - um auf der sicheren Seitezu sein, sollte der Alltag genau dokumentiert werden.
In der Praxis hält Groll das für nicht machbar. Die Idee, «mit demOrdner unter dem Arm anzukommen und zu sagen: "Heute habe ich Dirzwei Eier gekocht, unterschreib mal"», sei ebenso bürokratisch wiemenschlich belastend. Um Diskussionen zu vermeiden und dieNachweisbarkeit zu gewährleisten, raten Rawert und Groll zumTestament. Darin sollte festgehalten sein, «wie die Pflegeleistungentgolten werden soll». Neben Bargeld könnten auch Wertgegenständewie ein Klavier, eine Briefmarkensammlung oder Schmuck als Ausgleichgewährt werden.
Das schriftliche Vermächtnis bietet einen weiteren großen Vorteil:Der Vererbende kann auch Menschen etwas zugutekommen lassen, die nachdem Gesetzentwurf der Bundesregierung keinen Ausgleichsanspruchhätten: Nachbarn, Patenkinder, Freunde, Lebensgefährten oderSchwiegertöchter. Wer klug ist, regelt diese Fragen zu Lebzeiten undgibt den Helfern «mit warmer Hand». In Familien ist das den Expertenzufolge aber selten üblich.