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Recht im Beruf Recht im Beruf: Bei Mobbing ist Klagen ist nur der letzte Ausweg

Von Andreas Heimann 17.10.2005, 10:24

Leipzig/Köln/dpa. - Den Streit vor Gericht auszutragen kann daher nach Einschätzung von Experten nur der letzte Ausweg sein. «Mobbing ist ein uraltes Phänomen», sagt Roland Gross, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Leipzig, «nur der Begriff ist neu». Das, was es meint, ist in der Regel mit dem Gesetzbuch schwer zu greifen: «Mobbing ist zunächst einmal etwas, was subjektiv als ungerecht empfunden wird», sagt Gross. «Ein guter Anwalt wird in gewisser Distanz zum Mandanten nach objektiven Anhaltspunkten suchen.»

Wenn sich ein Arbeitnehmer von Kollegen geschnitten fühlt oder den Eindruck hat, der Chef benachteilige ihn immer wieder und ziehe ihm andere Kollegen vor, ist das meist nicht leicht zu überprüfen und schon gar nicht ohne weiteres mit den Möglichkeiten des Arbeitsrechts zu ändern.

«Juristen können das häufig nur unter dem Gesichtspunkt von Schadensersatzansprüchen betrachten», erläutert Gross. «Das gilt zum Beispiel, wenn jemand aufgrund von Mobbing krank wird.» Mobbingopfer können dann unter Umständen die Rückzahlung der Kosten für Medikamente, Kuren oder auch für Rechtsanwälte erstreiten. Fast immer klagen die Arbeitnehmer: «Rechtsgrundlage ist Paragraf 242 BGB», sagt Rechtsanwalt Gross. «Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht und muss entsprechend dafür sorgen, dass Arbeitnehmer nicht gemobbt werden.»

Inzwischen gibt es eine Reihe von Fällen, in denen Betroffenen Schadensersatz oder Schmerzensgeld zugesprochen wurde. «Zum Beispiel in einem Fall, in dem eine Arbeitnehmerin bis zum Suizidversuch gemobbt worden war», sagt Gross. «Solche Ansprüche juristisch durchzusetzen, ist allerdings schwierig.»

«Die Zahl der Fälle, die vor Gericht landen, hat aber zugenommen», sagt Heinz-Jürgen Kalb, Geschäftsführer des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes in Köln. «Es wird inzwischen auch von Rechtsanwälten häufiger mit dem Begriff gearbeitet, manchmal auch, um zum Beispiel Kündigungen als Mobbing anzugreifen.» Kalb sieht diese Entwicklung durchaus kritisch: «Es gibt durchaus Versuche, den Mobbing-Vorwurf zu instrumentalisieren.»

Das sieht auch Jobst-Hubertus Bauer so: «Das Ziel ist dann, die Abfindung in die Höhe zu treiben», sagt der Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Allerdings muss dann nachgewiesen werden, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum bewusst benachteiligt oder schikaniert wurde. «Ein einzelner Vorfall reicht nicht aus», erläutert der Rechtsanwalt aus Stuttgart.

Wurde ein Arbeitnehmer regelmäßig gemobbt, beispielsweise indem ihn Vorgesetzte nicht zu Besprechungen einluden und ihm Informationen vorenthielten, die Kollegen bekommen haben, dann könnten Arbeitsgerichte das durchaus als Mobbing werten. «Der Arbeitnehmer könnte sogar fristlos kündigen, auf materiellen Schadensersatz für den Gehaltsverlust klagen und bei Erfolg auch erhebliche Summe zugesprochen bekommen», sagt Bauer. «Das ist aber ein sehr riskanter Weg.»

Bei Klagen auf immateriellen Schadensersatz - also etwa für erlittene Demütigungen - seien dagegen allenfalls Summen zwischen einem und drei Monatsgehältern realistisch. «Wir haben in der Hinsicht noch keine amerikanischen Verhältnisse.»

Nach wie vor ein Problem bei Mobbing-Prozessen ist nach Heinz-Jürgen Kalbs Einschätzung generell die Beweislage. «Es ist in jedem Fall anzuraten, solche Vorfälle zu dokumentieren. Das ist immer noch nicht Standard», so der Richter am Landesarbeitsgericht Köln.

Die gleiche Empfehlung gibt auch das bayerische Sozialministerium in München: Betroffene sollten alle Vorfälle wie in einem Tagebuch mit Datum, Uhrzeit und Ortsangabe dokumentieren. Vor Gericht stiegen für Mobbing-Opfer die Chancen auf Schadensersatz, wenn sie Beweise vorlegen können. Eine Dokumentation erleichtere auch dem Arbeitgeber, gegen mobbende Kollegen einzuschreiten.

Zum Durchsetzen von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen reicht das oft noch nicht: «Wer nachweisen will, dass er wegen Mobbing erkrankt ist, braucht auf jeden Fall eine ärztliche Bestätigung», sagt Roland Gross. Schwierig sei dabei immer wieder, den Zusammenhang zwischen den Symptomen und den Mobbingattacken zu belegen.

Die Diskussion darüber, wo Mobbing beginnt und wann es arbeitsrechtliche Konsequenzen hat, ist zwar inzwischen einige Jahre alt. «Die rechtliche Handhabung ist aber nicht einfacher geworden», sagt Kalb. «Es ist immer eine Prüfung des einzelnen Falls nötig.»

Bei den Prozessen geht es zwar meistens um Bossing, wie das «Mobbing von oben» auch genannt wird. «Es gibt sicher auch Mobbing von Untergebenen gegenüber Vorgesetzten», sagt Fachanwalt Bauer. «Aber solche Fälle landen dann nicht vor dem Arbeitsgericht.» Arbeitgeber nutzen dann meist ihre anderen Möglichkeiten, sich zu wehren: «Die kündigen dem Mobber einfach.»