Radeln im Liegen: Das Velomobil erobert die Straßen
Sittensen/dpa. - Das Velomobil ist eine Mischung aus Rennbob, Flugzeugrumpf und Kabinenroller. Auf seinen drei Rädern flitzt es noch selten durch die Lande, findet aber immer mehr Fans.
Das futuristische Gefährt hat keinen eigenen Antrieb, sondern kommt mit Muskelkraft auf Touren. «Das ist ein voll verkleidetes Liegefahrrad, ein Velomobil», sagt Jens Schliwa aus Sittensen in Niedersachsen. Seit rund acht Wochen ist Schliwa stolzer Besitzer eines High-Tech-Liegerades mit 27-Gang-Schaltung, Überrollbügel, elektrischer Beleuchtung, Zugklingel und Warnsirene.
Anderthalb Jahre musste Schliwa auf seine Bestellung beim Hersteller in den Niederlanden warten. Die kleinen Manufakturen kämen mit der aufwendigen Produktion kaum hinterher, obwohl Kunden im Schnitt 6000 Euro auf den Tisch legen müssten. «Der Markt wächst sehr schnell», weiß Joachim Fuchs aus Karlsruhe. Der 42-Jährige ist Kabinenradler aus Leidenschaft und betreibt seit 2002 eine Velomobil-Info-Plattform im Internet. «Um das Jahr 2000 gab es nur drei nennenswerte Hersteller. Heute sind es mehr als zwölf.» Nach seiner Schätzung wurden bislang weltweit 1500 bis 2000 Stück gefertigt, überwiegend in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark.
Gründe, vom Drahtesel auf das Tretauto umzusteigen, gibt es viele. Da ist vor allem die Aerodynamik: «Man schafft größere Strecken bei gleicher Anstrengung», sagt Fuchs. Ein trainierter Fahrer erreicht 50 bis 60 Stundenkilometer in der Ebene, bergab ist sogar Tempo 100 drin. Realistischer Durchschnitt sind 25 bis 35 km/h. Zudem bleibt der Körper von Wind und Wetter geschützt. Das mache es als «Zweitwagen» für den Weg zur Arbeit interessant, meint er.
«Ein Spielzeug für große Jungs», nennt Schliwa seinen Einsitzer. Genauso wichtig wie der Spaßfaktor sind ihm aber ökologische Erwägungen: «Ich muss nicht ständig 1500 Kilo Auto mit mir herumschleppen, um 80 Kilo Körpergewicht zu bewegen.» Als Verkehrshindernis hat er sich noch nicht gefühlt. «Ich kann nur Positives sagen. Manche hupen, manche winken, alle drehen den Kopf.» Und obwohl das Velomobil deutlich tiefer auf der Straße liege als ein Fahrrad, sei es nicht zu übersehen, meint Schliwa.
Diese Einschätzung teilt der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC). «Die Verkleidung vergrößert die Masse, und andere Verkehrsteilnehmer räumen einem mehr Platz ein», sagt ADFC-Sprecherin Bettina Cibulski. Allerdings sei eine defensive Fahrweise beim Liegerad wegen des geringeren Überblicks an Kreuzungen unerlässlich. «Tatsache ist jedoch, dass man sich auf den meisten Modellen mit Sitzhöhen von 50 bis 60 Zentimetern mit Autofahrern in Augenhöhe befindet.» Im Prinzip seien Liegeräder sicherer als Normalräder, weil die Fallhöhe geringer ist.
Schliwa hat jetzt zu einem Velomobilistentreffen am kommenden Wochenende (23. bis 25.) in Sittensen eingeladen. Geplant sind nach seinen Angaben Fachsimpeleien am Lagerfeuer, gemeinsame Ausfahrten und eine Präsentation für die Öffentlichkeit am Samstag.
Forum für Velomobil-Fahrer: www.velomobilforum.de
Verein «Human Powered Vehicles»: www.hpv.org