Praktikum Praktikum: Weder Aushilfe noch Ausbeute

Berlin/Düsseldorf/dpa. - Hier geht esmehr um die billige Arbeitskraft als um den Lerneffekt. In beidenFällen ist das gegenüber dem Praktikanten nicht gerade fair. Um soetwas zu vermeiden, hilft sorgfältige Planung von Anfang an.
Studenten sollten zuerst auf die Dauer des ausgeschriebenenPraktikums achten: «Alles über sechs Monate ist unfair», sagt FrankSchneider, Gründungsmitglied von fairwork in Berlin - ein Verein, dersich für faire Praktika engagiert. Bei längeren Hospitanzen stehenicht mehr der Erwerb praktischer Kenntnisse im Vordergrund, sonderndie Arbeitsleistung. «Hier ersetzen die Praktikanten reguläreArbeitnehmer», erklärt Jessica Heyser von der Abteilung Jugend desDeutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Berlin.
Heyser empfiehlt Bewerbern, die Stellenanzeige genau unter dieLupe zu nehmen: «Hebt ein Unternehmen den Lerneffekt hervor undbeschreibt detailliert die Inhalte des Praktikums, sind das Hinweiseauf faire Beschäftigung», erläutert Heyser. «Wird in derAusschreibung unglaublich viel vorausgesetzt, liegt der Verdachtnahe, dass der Praktikant eine Stelle ersetzen soll», warnt DorotheeFricke von der in Düsseldorf erscheinenden Zeitschrift «karriere».
Im Vorfeld eines Praktikums sollten sich Bewerber auch über dieUnternehmen informieren. In Online-Jobbörsen etwa ist laut Heysererkennbar, welche Firmen regelmäßig Langzeit-Hospitanten suchen.Zudem haben zukünftige Praktikanten die Möglichkeit, auf denInternetseiten von fairwork und dem DGB Erfahrungen ehemaligerPraktikanten nachzulesen. In der Datenbank des DGB gibt es nachAngaben von Heyser bereits über 1000 Einträge, in denen Unternehmennach ihrer Fairness bewertet wurden.
Orientierungshilfe für Hochschulabsolventen bietet das Siegel«Fair Company» der Zeitschrift «karriere». «Wir vergeben es anUnternehmen, die Absolventen faire Einstiegschancen bieten, anstattsie mit Dauerpraktika zu vertrösten», erklärt Fricke. Derzeitbeteiligten sich rund 645 Unternehmen an der Initiative. Zwar könnejedes Unternehmen ohne Prüfung der Initiative beitreten,Regelverstöße hätten aber Konsequenzen. «Wir sind darauf angewiesen,dass Praktikanten uns von Verstößen berichten», so Fricke. Nach demzweiten - nachweisbaren - Verstoß werde das Unternehmenausgeschlossen.
Auch die Vergütung ist ein Gesichtspunkt. Fairwork beispielsweiseplädiert dafür, dass auch Studenten während eines Praktikums bezahltwerden. «Nach dem Studium sollte die Vergütung zwischen 750 und 800Euro liegen», sagt fairwork-Vorstand Schneider. Vor Antritt desPraktikums sollten die Bewerber sicher gehen, dass der Arbeitgeberihnen einen eigenen Arbeitsplatz und Computer zur Verfügung stellt.Wichtig ist laut Schneider außerdem, dass der Hospitant einenBetreuer im Unternehmen hat.
Erste Anhaltspunkte auf die Art der Beschäftigung gibt schon dasVorstellungsgespräch: «Am besten klopfen Bewerber die Inhalte desPraktikums genau ab», rät Schneider. Reagiere der Vorgesetzteausweichend, sei Vorsicht geboten. Dorothee Fricke von der «karriere»gibt Bewerbern zusätzlich den Tipp, die eigenen Erwartungen an dieStelle deutlich zu machen. Ein Praktikumsvertrag sei nichtvorgeschrieben, sagt Schneider. Gerade bei kürzeren Praktika ist eineschriftliche Vereinbarung zudem unüblich. Trotzdem sollten diePraktikanten nachfragen, denn ein Vertrag regelt Dauer, Vergütung,Urlaub, Arbeitszeiten, Kündigungsfristen und Inhalte der Hospitanz.
Erweist sich die Beschäftigung als unfair, rät Schneider denPraktikanten, sich an den direkten Vorgesetzten zu wenden. Kollegenoder der Betriebsrat können laut Heyser ebenfalls weiterhelfen.«Bringt das alles nichts, ist es am besten, das Praktikumabzubrechen», sagt die Expertin des DGB. Die Hospitanten sollten derArbeit jedoch nicht einfach fernbleiben, sondern eine fristgerechteKündigung einreichen - in der Regel vier Wochen vorher. «Bei einemPraktikum sind die Fristen aber nicht so starr», sagt Heyser.
Während des Studiums sind Praktika sinnvoll, da hier derLerneffekt im Vordergrund steht. Hochschulabsolventen rätfairwork-Vorstand Schneider nur dann zum Praktikum, wenn sie sich neuorientieren wollen oder die Hospitanz relativ kurz ist. Die heutigeGeneration sei verunsichert, sagt Dorothee Fricke. Deshalb machtenviele Absolventen aus Angst vor Arbeitslosigkeit weitere Praktika.Dabei gebe es Alternativen zum Praktikum, etwa freie Mitarbeit,Trainee-Programme oder Projektverträge. «Ich rate Absolventenaußerdem, sich selbst stärker zu vermarkten und selbstbewussteraufzutreten», sagt Fricke.