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Plötzlich im Ruhestand: Wenn der Partner immer zu Hause ist

Von Carina Frey 31.10.2007, 08:01

Berlin/Essen/dpa. - Mehr als 30 Jahre Ehe - aber häufig nur wenige Stunden Zweisamkeit am Tag: So sieht der Alltag vieler Paare aus. Das ändert sich auf einen Schlag, wenn ein Partner in den Ruhestand geht und der andere bis dahin für den Haushalt zuständig war.

Dann verbringen Mann und Frau plötzlich mehr als 20 Stunden in einem Haus. Das gilt vor allem für Beziehungen mit klassischer Rollenaufteilung: Er ist zur Arbeit gegangen, sie hat den Haushalt organisiert. In gewisser Weise geht in diesen Fällen nicht nur der Mann in den Ruhestand, sondern auch seine Frau. «Viele Frauen wollen, dass alles so weitergeht wie bisher, aber das Zusammenleben muss neu ausgehandelt werden», sagt Bettina von Kleist, Buchautorin aus Berlin.

Michael Vogt schildert ein Beispiel: Er will Zeitung lesen, sie staubsaugt um ihn herum. Geht er in ein anderes Zimmer, taucht sie auch dort auf. Schlägt er einen Spaziergang vor, sagt sie, dass erst die Hausarbeit erledigt werden muss. Später beklagt sie sich, dass er nie sieht, was gemacht werden muss. «Sie hat ihre Routinen und hält daran fest», erklärt der Leiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Essen.

«Männer identifizieren sich häufig sehr stark über den Beruf und haben seltener Hobbys und soziale Netzwerke außerhalb», sagt Döring. Zudem gibt der Beruf einen strukturierten Tagesablauf vor. Fällt dieser weg, wisse so mancher Rentner nicht, was er mit der freien Zeit anfangen soll. Anders sieht es bei den Hausfrauen aus: Sie mussten sich immer selbst organisieren und waren häufig für die sozialen Kontakte in der Familie zuständig. «Frauen haben oft noch andere Interessen, die sie nicht aufgeben wollen.»

Hat er das Gefühl «Die Freundinnen und Hobbys sind alle wichtiger als ich», führt das zu Konflikten. Das gilt andersherum genauso: «Frauen haben oft große Erwartungen an die Zweisamkeit. Sie wollen all das nachholen, worauf sie zugunsten des Berufs verzichten mussten», sagt von Kleist. «Das führt zu Enttäuschungen.»

Manche Paare stellen fest, dass sie sich in all den Jahren zwischen Beruf, Kindererziehung und Haushalt auseinandergelebt haben. «Dann ist etwas versiegt, das man erst wieder hervorholen muss», sagt Vogt. «Sprechen Sie das Thema an, nicht als Vorwurf, sondern sagen Sie, dass Sie den Zustand nicht gut finden. Fragen Sie: 'Wie geht es Dir damit eigentlich?'», rät der Pädagoge. In langjährigen Beziehungen würden viele Fragen schon deshalb nicht mehr gestellt, weil die Partner fälschlicherweise glauben, die Antwort des anderen bereits zu kennen.

Wichtig ist auch, dass beide ein Eigenleben pflegen. Haben beide eigene Beschäftigungen gefunden - ein Ehrenamt oder ein Hobby - muss trotzdem Raum für die Beziehung bleiben. «Gemeinsam zu essen und den Haushalt zu organisieren, reicht nicht», sagt von Kleist. Eine Partnerschaft brauche auch Austausch und Erlebnisse.