Piepshow im Kalten
Halle (Saale)/MZ. - L ange Jahre war die Vogelfütterung im Winter verpönt: Viele Naturschützer verteufelten das klassische Vogelhäuschen als unnötigen Eingriff in die Umwelt und rieten davon ab, Futter auszulegen. In den vergangenen Jahren jedoch fand ein Umdenken statt: Immer mehr Tierschützer halten die Fütterung schlicht für notwendig, um den Vögeln das Überleben in unserer industrialisierten Welt zu ermöglichen - und geben Tipps, wie man die Sache richtig angeht.
"Noch in den 50er Jahren war Vogelfütterung komplett unnötig. Aber heute ist die Landschaft schon im Sommer oft komplett ausgeräumt", sagt Peter Berthold aus dem südbadischen Herdwangen, Autor des Buchs "Vögel füttern - aber richtig". So würden Wiesen permanent geschnitten und abgeerntete Äcker schnell gepflügt. "Die Lebensbedingungen von Vögeln haben sich verschlechtert, und das liegt am Futter."
Besonders dramatisch wirke sich für einen Vogel Futtermangel im Winter aus. So wiege beispielsweise eine Meise ungefähr 20 Gramm, von denen sie in einer einzigen kalten Nacht schon zwei verliere. "Das sind zehn Prozent ihres Körpergewichts. Findet sie am Tag darauf nicht ausreichend Futter, geht sie am Tag darauf ein", erläutert Peter Berthold.
Wer deshalb nun eine Futterstätte auf dem Balkon oder im Garten einrichtet, darf Berthold zufolge allerdings nicht damit rechnen, dass er umgehend Besuch bekommt: Es dauert eine Weile, bis die Tiere in der Nähe die Existenz der Futterstelle mitbekommen haben, mitunter ist das Häuschen erst nach Tagen oder Wochen richtig belebt.
Ohnehin sei das Futterangebot in der Vorweihnachtszeit vergleichsweise groß, sagt Vogelkundler Berthold. "Wichtig ist, das Futterhäuschen nach Weihnachten unbedingt stehen zu lassen. Die allergrößten Engpässe gibt es zum Ende des Winters, wenn das letzte Körnchen aufgefressen ist und die ersten Zugvögel schon wieder da sind." Gehe man geschickt vor, könne man in dieser Zeit 30 bis 40 verschiedene Arten beobachten.
Beim Kauf eines Vogelhäuschens kann man nicht viel verkehrt machen, wie James Brückner von der Akademie für Tierschutz in München erläutert. "Wichtig ist vor allem, dass die Vögel rundherum etwas sehen können." Müssten die Tiere Fressfeinde wie Katzen fürchten, trauten sie sich oft gar nicht zur Futterstelle. Praktisch sei eine glatte, herausnehmbare Bodenplatte. "Man muss den Boden mindestens jeden zweiten Tag mit heißem Wasser spülen, da sich sonst schnell Keime festsetzen können." Das Abtrocknen sollte man nicht vergessen, weil der Boden sonst schnell vereist.
Wer keine Lust zum Saubermachen hat, kann auch einen Futterspender zum Aufhängen kaufen - eine mit Futter gefüllte Röhre, um die herum kleine Sitzringe platziert sind. "Damit hat man es leichter, weil die Reste im Normalfall einfach herunterfallen." Anbringen kann man die Futterstelle in einem Baum oder auf dem Balkon. Ein Häuschen lässt sich auch freistehend auf einem Pfahl platzieren - wichtig sei wiederum, dass die Vögel die Situation möglichst gut überblicken können, so Brückner.
Mit handelsüblichem Futter aus dem Supermarkt bietet man nahezu allen Arten etwas. "Man kann hier vielleicht auf Bio-Qualität achten, solche Futter sind meistens höherwertig", so Brückner. Will man gezielt einzelne Arten anlocken, sollte man das Futter selbst zusammenstellen. "Körnerfresser wie Finken und Spatzen lieben Sonnenblumenkerne, Getreide oder zerkleinerte Nüsse. Auch Meisen kann man damit gut erreichen."
Getrocknete Beeren von Holunder und Eberesche sowie Rosinen ziehen sogenannte Weichfresser wie Drosseln, Amseln und Stare an. Prinzipiell seien der Experimentierfreude keine Grenzen gesetzt, sagt James Brückner, man müsse allerdings darauf achten, dass man nur Produkte im Naturzustand verfüttere: "Nüsse dürfen nicht gesalzen sein, Rosinen nicht geschwefelt. Und auch keine Speisereste nehmen, das ist für Vögel schädlich." Einen Napf oder ein Schälchen benötige man nicht, es reiche vollkommen, das Futter im Häuschen zu verteilen - oder auch darauf.
Genauso wichtig wie das Futter ist für Vögel Wasser. "Gerade bei trockenem Körnerfutter benötigen Vögel natürlich Wasser. Bietet man ihnen das nicht an, müssen sie oft weit fliegen", sagt Buchautor Peter Berthold. Vielen Vögeln könne das zum Verhängnis werden, denn gerade an kalten Tagen enthielten die meisten Pfützen Streusalz. "Das ist dann oft der Anfang vom Ende. Der Vogel weiß ja nicht, dass er eine Viertelstunde später den größten Durst seines Lebens bekommen wird." Um das Wasser flüssig zu halten, könne man auf eine kleine Heizplatte für Vogeltränken zurückgreifen, die es im Fachhandel gebe. Ansonsten müsse man es hin und wieder austauschen. "Wichtig ist aber, das Wasser nicht unmittelbar im Vogelhäuschen zu platzieren, sondern nur in der Nähe. Wenn eine Amsel badet und spritzt, ist das Futter sofort eingenässt", sagt Peter Berthold.