«Papa, wer ist Hitler?» Mit Kindern über die Nazizeit reden
Kassel/dpa. - Irgendwann kommt die Frage: «Papa, wer ist Hitler?». Eltern irritiert das - vor allem, wenn ihre Kinder klein sind. Fragen nach den Nazis, Krieg und Judenverfolgung sollten Eltern ehrlich antworten, ohne dabei Vollständigkeit anzustreben.
«Orientieren Sie sich an den Fragen der Kinder», rät Prof. Ariane Garlichs, Erziehungswissenschaftlerin aus Kassel. «Es gab viele Jahre die Diskussion, ob man Schreckliches nicht von Kindern fernhalten muss», sagt Dirk Lange von der Universität Oldenburg. «Aber Untersuchungen zeigten, dass schon kleine Kinder Vorstellungen von der NS-Zeit haben», erläutert der Professor für Didaktik der Politischen Bildung. Die Informationsfetzen stammen zum Beispiel aus den Medien oder aus Gesprächen von Erwachsenen.
Kommen Fragen oder spielen Kinder Hitler, ist es Zeit, mit ihnen über die Nazizeit zu sprechen. Tun Eltern das nicht, kann das negative Folgen haben, warnt Lange: «Mit dem Halbwissen der Kinder sind Vorstellungen und Ängste verbunden. Gibt es keine Auseinandersetzung damit, können sich die Kinder hineinsteigern.» Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich das Halbwissen verfestigt. Daraus folgt aber nicht, dass Eltern mit ihren Kindern von sich aus über Krieg und Nationalsozialismus sprechen müssen.
Doch wie antworten Eltern auf die Frage «Was sind Nazis?» «Ich würde damit anfangen, dass Nazis für Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung standen», sagt Prof. Lange. «Dass andere oder sie selbst mal ausgegrenzt werden, ist eine Erfahrung, die Kinder selbst machen.» Im Grundschulalter hätten Kinder einen stark ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, fügt Monica Kingreen vom Fritz Bauer Institut in Frankfurt/Main, einem Studienzentrum zur Geschichte des Holocaust, hinzu. «Kinder finden es schnell 'gemein', wie die Nazis beispielsweise die jüdischen Deutschen behandelten.»
Damit Geschichte für Kinder nachvollziehbar wird, rät Kingreen, von der Biografie eines Verfolgten auszugehen. «Allerdings würde ich nicht Anne Frank nehmen, die gewaltsam zu Tode kam, sondern ein Kind, das mit seiner Familie überlebte - wie Inge Auerbacher», sagt sie. Der Hinweis, dass viele andere umkamen, sollte dann nicht fehlen.
Bilder von Leichenbergen aus den Konzentrationslagern sind tabu. Und Eltern sollten keinesfalls den Zweiten Weltkrieg mit aktuellen Konflikten verknüpfen. «Es ist wichtig den Kindern zu sagen, dass das alles lange vorbei ist.» Der Hinweis, dass Deutschland vor der NS-Zeit anders war und es jetzt auch wieder ist, sollte laut Kingreen deutlich betont werden.
Und eines ist auch bei diesem Thema wichtig: Geduld. «Es sollte nur um die Fragen der Kinder gehen», sagt Prof. Lange. Und die fragen nach seiner Erfahrung nicht einfach immer weiter. «Die wollen gar nicht alles wissen. Manchmal dauert es Monate, bis die nächste Frage kommt.»
Informationen: Hinweise für Eltern zum Umgang mit dem Holocaust gibt das Fritz Bauer Institut, Telefon: 069/79 83 22 40
Hinweise für Eltern: www.fritz-bauer-institut.de